| Brigitte M. Gensthaler |
| 16.11.2022 07:00 Uhr |
Der Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Martin Braun, sieht den Berufstand in einer prekären Lage und forderte zum verstärkten Dialog mit Politikern auf (Archivbild). / Foto: LAK Baden-Württemberg
Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz »nimmt uns Apothekern die Luft zum Atmen«, sagte Braun gestern bei der Vertreterversammlung der LAK Baden-Württemberg in Stuttgart und rief zum Handeln auf. »Wir müssen jetzt agieren.« Die Apotheker müssten eine Kürzung des Apothekenhonorars um etwa 120 Millionen Euro pro Jahr durch den erhöhten Kassenabschlag hinnehmen – bei gleichzeitig stark gestiegenen Ausgaben für Personal und Energie sowie hoher Inflation. Doch über die Probleme der Apothekerinhaber seien viele Politiker nicht ausreichend informiert.
Ein Blick zurück: Die Apothekenvergütung ist von 2004 bis 2022 um rund 21 Prozent gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum jedoch um rund 63 Prozent und die GKV-Einnahmen um fast 99 Prozent. Braun konstatierte: »Wir sind in einem ziemlich schlechten Fahrwasser unterwegs und darüber müssen wir reden.« Die Situation des Berufsstands sei prekär.
Vertreter der LAK und des Landesapothekerverbands seien daher wieder bei Landesparteitagen präsent und suchten aktiv das Gespräch mit Abgeordneten, Landes- und Bundespolitikern sowie dem politischen Nachwuchs. »Hier gibt es Raum für ausführliche Gespräche zu aktuellen Themen, die die Apotheker bewegen.« So informierten die Apotheker etwa beim Grünen-Parteitag über die Grippeimpfung in der Apotheke – mit großem Erfolg: LAV-Präsidentin Tatjana Zambo konnte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) und Staatssekretärin Dr. Uta Leidig wenige Tage später im Ministerium gegen Influenza impfen. Pharmazeutische Dienstleistungen, Studienplätze und Entwicklung des ländlichen Raums waren Themen bei zahlreichen weiteren Gesprächen, auch mit Ärztevertretern und Bürgermeistern.
Braun rief alle Kollegen nachdrücklich auf, die Belange und Sorgen der Apotheker bekannter zu machen und dabei auch ihre Netzwerke zu nutzen. »Das Engagement jedes einzelnen Apothekers vor Ort ist wichtig.« Man könne zum Beispiel Politiker in die Apotheke einladen, bei Infoveranstaltungen auftreten und langfristig persönliche Kontakte zu Politikern pflegen. Die LAK unterstütze die Kollegen mit vielen Infomaterialien. Die Apothekenmitarbeiter müssten in politischen Gesprächen unbedingt zu Wort kommen, bestätigte Braun in der Diskussion. »Die Angestellten haben es mit in der Hand, ob es die Apotheke zukünftig noch geben wird.« Sie müssten mit den Inhabern gemeinsam für die wohnortnahe nachhaltige Apotheke kämpfen.
Als Meilenstein bezeichnete Vizepräsidentin Silke Laubscher die neuen abrechenbaren pharmazeutischen Dienstleistungen. Noch seien diese »ein zartes Pflänzchen«, aber der Berufsstand müsse sich dafür einsetzen, dass »ein großer kräftiger Baum« daraus wird. Die LAK habe sehr rasch Infoveranstaltungen sowie Web- und Refresher-Seminare angeboten. Für die Medikationsanalyse seien nun knapp 1100 Kolleginnen und Kollegen frisch geschult.
In einer Umfrage zeigten sich drei Viertel der Inhaber offen für die Dienstleistungen: Sie bieten sie bereits an oder wollen 2023 damit starten. Als größte Hürden nannten sie Personalmangel, hohen Zeitaufwand und potenzielle Konflikte mit Ärzten. Stärkste Argumente dafür seien die bessere Patientenversorgung, die Positionierung der Apotheker im Wettbewerb sowie die Etablierung eines attraktiven Aufgabengebiets, auch für den pharmazeutischen Nachwuchs. Laubscher ermutigte alle Kollegen, Dienstleistungen anzubieten und abzurechnen.
Geschäftsführer Dr. Karsten Diers wies auf die massiven Proteste der verfassten Ärzteschaft gegen die neuen pharmazeutischen Tätigkeiten hin. Dagegen setze der pharmazeutische und medizinische Nachwuchs ein Hoffnungszeichen für mehr Miteinander. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprachen sich die Bundesorganisationen der Pharmaziestudierenden (BPhD) und der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) für mehr interprofessionelle Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker aus.