Das Edikt von Salerno |
Friedrich II. (1194 - 1250) aus dem Geschlecht der Staufer, König von Sizilien, deutscher König, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und nach einem erfolgreichen Kreuzzug trug er die Krone des Königreichs Jerusalem, historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert. / Foto: Falkenstein/Bildagentur-online Historical Collect./Alamy Stock Photo
Vor wenigen Tagen stellte zudem der Chef und Mitgründer von Zur Rose, Walter Oberhänsli, die strikte Trennung zwischen Arzt und Apotheker infrage. Dieser Grundsatz geht auf das »Edikt von Salerno« zurück, das vor knapp 800 Jahren erlassen wurde.
Zwischen 1231 und 1241 erließ der Stauferkaiser Friedrich II. umfangreiche gesetzliche Regelungen, um das Gemeinwesens im »Königreich beider Sizilien«, das heißt Sizilien selbst und einen Bereich Süditaliens, neu zu ordnen. In diesem sogenannten »Edikt von Salerno«, auch »Constitutiones von Melfi« genannt, finden sich auch Paragrafen, die das Medizinalwesen betreffen. Darin wird unter anderem festgelegt, dass Ärzte keine wirtschaftliche Gemeinschaft mit Apothekern bilden dürfen. Weitere Regelungen betreffen festgelegte Arzneimittelpreise, eine Niederlassungsbeschränkung und Maßgaben zur staatlichen Kontrolle der Apotheken (1).
All dies galt rechtlich nur für den genannten Bereich Süditaliens. Die Bestimmungen des Edikts waren auch nicht die ersten ihrer Art, entwickelten aber eine weitreichende Wirkmacht. Sie sind vor allem auch nicht der Willkür eines mittelalterlichen Monarchen entsprungen, sondern begleiteten eine Entwicklung der Trennung ärztlicher und apothekerlicher Aufgaben, die beispielsweise durch die immer komplexere Arzneimittelherstellung (Destillationsverfahren und ähnliches) bedingt war. Das konnte der Arzt nicht mehr »nebenbei« erledigen, andererseits professionalisierte sich der Apothekerberuf immer mehr. Vor diesem Hintergrund erließen in der Folge Gemeinwesen auch im nördlicheren Europa Regelungen, wobei die Behörden zu ähnlichen Überzeugungen gelangten wie Friedrich II.
Dessen Verfügungen sind somit nicht »die Erfindung des Apothekerberufs«, und auch nur mittelbar Vorbild für spätere medizinalrechtliche Regelungen Europas. »Ihr Gedankengut, die Autonomie des Arzneimittels gegenüber Diagnose und Therapie und die staatliche Kontrolle pharmazeutischer Tätigkeit wanderte in den folgenden Jahrhunderten nach Norden« (2), und zwar entlang der großen Handelsrouten, etwa von Venedig nach Nürnberg. Es handelt sich hierbei primär und flächendeckend für sinnvoll gehaltene Regelungen zum Schutz von »Verbrauchern« und Patienten (3).
Interessant ist, dass das Verbot wirtschaftlicher Gemeinschaft von Arzt und Apotheker in vielen Städten und Regionen erst später in die Regelungen aufgenommen wurde, während Festpreise und Niederlassungsbeschränkung zum Ausgleich für die Einschränkung kommerzieller Freiheit und zur Gewährung einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit stets von Anfang an enthalten waren. In Coburg des 16. Jahrhunderts beispielsweise führte der Stadtarzt selbst eine Apotheke; 1558 verbot der Gesetzgeber dem Apotheker das Kurieren, 1652 dem Arzt das Dispensieren. In Rosenheim wurde die Gemeinschaft von Stadtarzt und Apotheke erst 1702, in Steinfurt gar erst 1845 aufgelöst (2).
Die Trennung der Heilberufe, die das Edikt bereits im 13. Jahrhundert vorsah, schlug also keineswegs unmittelbar durch, sondern erwies sich als so wünschenswert und sinnvoll, dass sie im Laufe der Zeit in zahlreiche medizinalrechtlichen Bestimmungen übernommen wurde. Es galt »als dem Gemeinwohl dienlich, wenn Ärzte nicht mehr ›des gewinnes halber Medicamenta verordnen‹ « (2). Ist das heute noch so?
Die Situation im hier zur Diskussion stehende Sinne hat sich insofern verändert, als im genannten Beispiel nicht mehr der Arzt selbst, sondern eine übergeordnete, rein kommerziell ausgerichtete Organisation »des gewinnes halber« agiert. Ob es das besser macht, dürfte bezweifelt werden. Beurteilungsmaßstab sollte aber, und das wäre die historische Konstante, die Frage sein, in wie weit man die weitere Kommerzialiserung des Gesundheitswesens treiben sollte oder Regelungen beibehält, die den Charakter des Arzneimittels als »Ware besonderer Art«, insbesondere hinsichtlich einer Verhinderung vermeidbaren Übergebrauchs aus wirtschaftlichen Interessen, nicht zu sehr aufweichen. Hier Grenzen zu definieren ist freilich eine politische Aufgabe, heute wie zu Zeiten des Ediktes. Da es nie in Deutschland galt, kann man es auch nicht »abschaffen«, es kommt auf die Überzeugungen und Grundsätze an, die dahinter standen; sie sollten jedenfalls nicht leichtfertig geopfert werden.