Das E-Rezept kommt – und die Patienten wissen es nicht |
Ev Tebroke |
04.06.2021 15:00 Uhr |
E-Rezept – was heißt das? Damit die Menschen die digitale Verordnung auch nutzen, ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig. In vielen anderen Ländern ist das E-Rezept dagegen bereits Alltag. / Foto: Getty Images/FG Trade
In knapp vier Wochen startet das E-Rezept in Berlin-Brandenburg – und im Laufe des Jahres dann bundesweit – doch die Bevölkerung weiß bislang kaum etwas über den Nachfolger des rosa Papierrezepts. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der ABDA. Auch zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten die elektronische Verordnung nicht wie angedacht nutzen will, sondern den klassischen Papierausdruck vorziehen möchte. Die gute Nachricht: Die Mehrheit will die Medikamente auch in E-Rezept-Zeiten in der Apotheke vor Ort abholen.
Ab 1. Juli kommt die elektronische Verordnung zunächst im abgesteckten Rahmen der Fokusregion Berlin-Brandenburg zum Einsatz. In der Reallife-Erprobung mit 120 Apotheken und 50 Ärzten soll die von der Gematik eingesetzte technische Infrastruktur zur Nutzung des E-Rezepts auf Herz und Nieren geprüft werden. Im Laufe des Jahres soll die elektronische Verordnung dann bundesweit ausgerollt werden und ab Januar 2022 ist das E-Rezept Verordnungsstandard. Das hört sich gut an, aber damit der Patient das Angebot auch nutzt, bedarf es noch massiver Aufklärung. Denn nur jeder dritte Erwachsene hat überhaupt schon von der elektronischen Verordnung gehört, 63 Prozent hingegen noch nie. Und fast niemand weiß, ab wann die Neuerung im Verordnungswesen zum Einsatz kommt: 95 Prozent der Erwachsenen kennen das Einführungsdatum nicht.
»Wir sehen, dass die Menschen noch extrem wenig über die Einführung des E-Rezepts und seine Vorteile wissen«, kommentierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Umfrageergebnisse heute im Rahmen einer Online-Pressekonferenz der ABDA. »Da kommt in den nächsten Monaten sehr viel Aufklärungsarbeit auf uns zu.« Die Apotheker müssten den Menschen »die völlig unbegründete Furcht nehmen«, Beratung und Versorgung würden mit dem E-Rezept schlechter werden. »Das Gegenteil wird der Fall sein, weil Patienten ja noch einfacher mit ihrer Apotheke kommunizieren und noch schneller versorgt werden können.«
Bislang haben die Apotheken anscheinend erst wenig Aufklärungsarbeit leisten können. Laut Umfrage hat die Mehrheit der Menschen (69 Prozent), die bereits vom E-Rezept gehört haben, ihre Infos über Medien erhalten. Zweite Informationsquelle sind mit 18 Prozent die Krankenkassen. In der Arztpraxis sind 13 Prozent der Befragten dem Thema E-Rezept begegnet. Über die Apotheke haben bislang lediglich 11 Prozent vom E-Rezept gehört.
Was die Nutzung des E-Rezepts betrifft, so gaben 59 Prozent der Befragten an, die elektronische Verordnung als Papierausdruck nutzen zu wollen. Nur 37 Prozent gaben an, die Verordnung wie vorgesehen elektronisch an eine Apotheke versenden zu wollen. Hierbei zeigen sich naturgemäß die jüngeren Umfrageteilnehmer bis 49 Jahre offener für die digitale Nutzung, mehr als die Hälfte will den Weg via App wählen. Erfreulich für die Vor-Ort-Apotheken ist die Tatsache, dass sie auch in Zeiten des E-Rezepts keinen Stellenwert einbüßen dürften. Denn die Mehrheit der Deutschen (75 Prozent) gab an, auch bei Nutzung des E-Rezepts ihre Medikamente weiterhin persönlich in der Apotheke vor Ort abholen zu wollen. 14 Prozent der Befragten würden ihr Rezept an eine Versandapotheke senden und sich die Medikamente liefern lassen. 9 Prozent wollen den Botendienst in Anspruch nehmen.
Auch hinsichtlich der Sinnhaftigkeit des E-Rezepts besteht noch Aufklärungsbedarf. Denn gefragt nach dem Sinn und Zweck der Umstellung auf eine elektronische Verordnung konnten satte 58 Prozent weder Vorteile noch Nachteile des E-Rezept benennen. 27 Prozent sehen in der elektronischen Rezeptvariante mehr Vorteile, für 8 Prozent überwiegen die Nachteile. Auch hier sind die jüngeren Befragten bis 39 Jahre positiver, was die Vorteile betrifft. Bei den bis 29-Jährigen sind 47 Prozent der Ansicht, dass die Vorteile überwiegen, bei den 30- bis 39-Jährigen 41 Prozent und in der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen sind es noch 24 Prozent.
Was die Art der Vorteile betrifft, so gaben 69 Prozent den Beitrag zum Umweltschutz durch Papiereinsparung (69 Prozent) an, 53 Prozent nannten mehr Komfort als Mehrwert. Die unkomplizierte Kommunikation mit der Apotheke ist für 50 Prozent ausschlaggebend. 39 Prozent sehen es als positiv, schneller an Medikamente zu kommen. 13 Prozent können gar keine Vorteile gegenüber dem Papierrezept erkennen. Bei der Benennung möglicher Nachteile nannten 48 Prozent die Sorge, auf die Beratung in der Apotheke verzichten zu müssen. Auch Datenschutzprobleme ist für einen Großteil der Befragten (46 Prozent) ein mögliches Negativkriterium. 38 Prozent kritisieren eine Reduzierung sozialer Kontakte. Nur 23 Prozent befürchten keinerlei Nachteile gegenüber dem Papierrezept.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.