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Genesenenserum

Das Aus für einen ehemaligen Hoffnungsträger

In der ersten Phase der Pandemie, als es noch kaum Möglichkeiten zur Behandlung von schwer kranken Covid-19-Patienten gab, setzte man große Hoffnungen auf Seren von Genesenen. Dieser durchaus plausible Ansatz erwies sich aber als kaum wirksam, sodass jetzt die Zeit gekommen ist, sich von diesem Hoffnungsträger zu verabschieden.
Theo Dingermann
11.03.2022  13:00 Uhr

Neue Einschätzung

Mittlerweile sieht man das Potenzial von Rekonvaleszentenplasma nüchterner. In einer kürzlich im »JAMA Network Open« veröffentlichten Meta-Analyse, in der die Ergebnisse von acht randomisierten klinischen Studien mit 2341 nicht beatmungspflichtigen Krankenhauspatienten zusammengefasst wurden, zeigte sich kein Zusammenhang zwischen einer Therapie mit dem Plasmapräparat und einem klinischen Nutzen.

Eine britische Studie mit knapp 11.600 Covid-19-Patienten kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch eine im November 2021 im »New England of Medicine (NEJM)« veröffentlichte multizentrische placebokontrollierte Studie, in der Daten von 511 ambulant behandelten Hochrisiko-Covid-19-Patienten  ausgewertet wurden, erbrachte keinen Nachweis, dass die Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma das Fortschreiten der Krankheit hätte verhindern können.

Kritisch äußert sich Dr. Kevin Schulman, einer der Autoren der Studie, gegenüber »JAMA«, dass man Rekonvaleszentenplasma eingesetzt habe, da man es für eine großartige Sache gehalten habe. Besser wäre es gewesen, man hätte die Behandlungsoption zunächst in großen klinischen Studien überprüft. Aber die große Hilflosigkeit zu Beginn der Pandemie habe Emotion über wissenschaftliche Evidenz siegen lassen, fügte Schulman hinzu.

Abraten von Einsatz des Genesenenplasmas

Nun hat sich das Blatt gewandelt. Kürzlich aktualisierte Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der FDA und der Infectious Diseases Society of America (IDSA) empfehlen die Verwendung von Rekonvaleszentenplasma, wenn überhaupt, nur in begrenztem Umfang.

Am 8. Februar 2022 riet die IDSA sogar dringend von der Verwendung von Rekonvaleszentenplasma bei stationär behandelten Covid-19-Patienten ab. Nur bei ambulanten Risikopatienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung, für die es keine anderen Behandlungsmöglichkeiten gebe, sei die Infusion von hochtitrigem Rekonvaleszentenplasma innerhalb von acht Tagen nach Auftreten der Symptome besser als ein Verzicht auf eine solche Behandlung, heißt es in der Leitlinie.

Die jüngste Revision der FDA-Notfallzulassung (EUA) für Covid-19-Rekonvaleszentenplasma, die am 28. Dezember 2021 veröffentlicht wurde, beschränkt die Behandlung mit hochtitrigem Covid-19-Rekonvaleszentenplasma auf Patienten, die eine immunsuppressive Erkrankung haben oder eine immunsuppressive Behandlung erhalten.

Die WHO rät gar von der Verwendung von Rekonvaleszentenplasma bei nicht schwer erkrankten Patienten generell ab. Eine solche Therapie, so die WHO im Dezember 2021, sollte nur im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden. Auch in Deutschland ist laut Leitlinie » Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit Covid-19« der Einsatz von Genesenenplasma bei Covid-19 generell nicht empfohlen. 

Im Moment ist die Nachfrage nach Rekonvaleszentenplasma gering. Nicht nur die fehlende Evidenz spricht gegen einen Einsatz dieser Präparate, sondern auch, dass sie stofflich uneinheitlich sind. Nach den Vorgaben der FDA werden nur Tests auf Antikörper gegen einen Typ des Spike-Proteins gefordert, sodass es schwierig ist, den tatsächlichen Gehalt und die Art der Antikörper in einem Präparate abschätzen zu können.

»Andere Covid-19-Behandlungen sind deutlich besser standardisiert«, sagt Dr. H. Clifford Lane, der stellvertretende Direktor für klinische Forschung und Sonderprojekte am National Institute of Allergy and Infectious Diseases, in einem Interview. »Hier wissen die Ärzte genau, was sie ihren Patienten verabreichen.«

So sind die Tage eines zu Pandemiebeginn hochgehandelten Hoffnungsträgers zur Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten wohl gezählt, was wieder einmal demonstriert, dass Plausibilität Evidenz nicht ersetzen kann.

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