Computer sag mir, bin ich krank? |
Carolin Lang |
12.04.2021 16:00 Uhr |
Sogenannte Symptom-Checker fragen empfundene Krankheitssymptome ab und stellen daraufhin mithilfe künstlicher Intelligenz eine oder mehrere mögliche Diagnosen. / Foto: Adobe Stock / Photographee.eu
In einer Pressemitteilung der Universität Waterloo in Kanada machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den potenziellen Nutzen sogenannter Symptom-Checker während der Covid-19-Pandemie aufmerksam. Diese Online-Tools fragen empfundene Krankheitssymptome ab und stellen daraufhin mithilfe künstlicher Intelligenz eine oder mehrere mögliche Diagnosen. Inzwischen gibt es auch einige Programme, die speziell auf Covid-19 ausgerichtet sind. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten diese Tools Arztpraxen und Kliniken entlasten und zudem das Ansteckungsrisiko reduzieren. Jedoch wüssten nur wenige Menschen von ihrer Existenz, wie eine Studie der Universität gezeigt habe (DOI: 10.1136/bmjinnov-2020-000498).
In dieser befragte das Team um Erstautorin Dr. Stephanie Aboueid vergangenes Jahr 22 Studierende zwischen 18 und 34 Jahren an einer Universität in Ontario zu Covid-19-Symptom-Checkern. Neun der Befragten wussten nicht, dass diese überhaupt existierten. »Junge Erwachsene sind normalerweise eifrige Nutzer von Technologien, daher waren wir von diesem Ergebnis etwas überrascht«, bewertet Aboueid das Ergebnis. Befragte, die ein solches Programm bereits angewendet hatten, hielten staatliche Plattformen für am vertrauenswürdigsten. Einer der angegebenen Hauptgründe für die Nutzung der Programme war die Angst vor einer Ansteckung in Gesundheitseinrichtungen.
Als Verbesserungsansätze nannten die Befragten unter anderem mehr Informationen über die Ersteller der Plattform sowie Erklärungen zu den Symptomen bereitzustellen und die Symptomabfrage stärker zu individualisieren. An den genannten Punkten müsse gearbeitet werden, um die Nutzung zu erhöhen, schlussfolgern die Autoren. Außerdem müsse das allgemeine Bewusstsein über die Existenz der Plattformen erhöht werden.
Allein im deutschsprachigen Bereich gibt es einige Anbieter für allgemeine Symptom-Checker, darunter Netdoktor, das zur Burda-Mediengruppe gehört. Als Anwender wird man zunächst nach Alter und Geschlecht und anschließend nach empfundenen Symptomen gefragt. Darauf folgen einige Rückfragen, um die Symptomatik genauer zu definieren. Im letzten Schritt zeigt das Programm passende Diagnosevorschläge inklusive Erläuterungen sowie den passenden Facharzt zum jeweiligen Krankheitsbild an. Bei besonders bedrohlichen Symptomen liefert die Software einen Warnhinweis. Der Symptom-Checker soll Laien dabei helfen, gesundheitliche Probleme besser einschätzen zu können, eine ärztliche Beratung und Behandlung dabei aber keinesfalls ersetzen.
Ein weiteres Beispiel ist der »Symptomate« von Infermedica. Neben Alter und Geschlecht wird zu Beginn nach Grunderkrankungen wie Bluthochdruck sowie nach anderen Begleitumständen wie einer Schwangerschaft gefragt. Nach Angabe der Symptome folgen auch hier zahlreiche Rückfragen, die unter anderem den Schweregrad und die Dauer der Symptome betreffen. Zuletzt werden mögliche Diagnosen sowie eine Empfehlung für einen Arztbesuch oder eine Selbstbehandlung gestellt.
Mit dem »Symptom-Finder« der Apotheken-Umschau kann man sich gezielt über bestimmte Symptome informieren. Anbieter von Apps für das Smartphone sind unter anderem die Ada Health GmbH mit der »Ada«-App, die zeitweise mit der Techniker Krankenkasse kooperierte, sowie »Mediktor«, entwickelt von Teckel Medical.
Auch das Angebot für spezifische Covid-19-Symptom-Checker ist groß. So bietet beispielsweise die Charité, unterstützt durch das Robert-Koch-Institut, das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Plattform »CovApp« an. Das Programm soll als Orientierungshilfe dienen, um Symptome einschätzen zu können und notwendige Handlungen abzuleiten. Angegebene Informationen können gespeichert werden, um sie medizinischem Personal bei Bedarf vorzeigen zu können. So werde gleichzeitig die Nutzung der Kapazitäten in Krankenhäusern und Anlaufstellen verbessert, heißt es auf der zugehörigen Internetseite.
Ein Beispiel für einen englischsprachigen Anbieter ist die US-Gesundheitsbehörde CDC mit dem »Coronavirus Self Checker«.
Nicht alle Wissenschaftler stehen Symptom-Checkern so positiv gegenüber wie das Team aus Kanada. In einer Veröffentlichung im »British Medical Journal« vom März 2021 heißt es, dass Covid-19-Symptom-Checker zwar nützlich für das Gesundheitswesen sein könnten, dass sie aber auch das Potenzial hätten, eine nötige ärztliche Behandlung zu verzögern (DOI: 10.1136/bmjhci-2020-100187).
In einer Simulationsstudie untersuchten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Gibraltar vier Covid-19-Symptom-Checker aus Singapur (Singapore Covid-19 Symptom Checker), Japan (Stop Covid-19 Symptom Checker), den USA (CDC Coronavirus Symptom Checker) und Großbritannien (111 Covid-19 Symptom Checker). Dabei simulierten sie 52 leichte bis kritische Fälle von Covid-19 und wendeten diese auf die vier Programme an. Die Programme aus Singapur und Japan rieten etwa doppelt so häufig (88 beziehungsweise 77 Prozent) dazu, medizinisches Personal aufzusuchen als die aus den USA (38 Prozent) und aus Großbritannien (44 Prozent). Sowohl dem US-amerikanischen als auch dem britischen Symptom-Checker sei es nicht gelungen, schwere Fälle sowie bakterielle Lungenentzündungen und Sepsis zu erkennen.
Vor einer Implementierung sollten Symptom-Checker daher ebenso einer evidenzbasierten Qualitätssicherung unterzogen werden wie andere diagnostische Tests, schlussfolgern die Autoren abschließend.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.