Clindamycin ist »out« |
Daniela Hüttemann |
24.08.2021 15:00 Uhr |
Der Vizepräsident der Zahnärztekammer und Vorstand Qualitätsmanagement wies auch darauf hin, dass Antibiotika nicht geeignet sind, um postoperative Schmerzen oder Schwellungen bei Wurzelbehandlungen zu vermeiden. »Schmerz ist niemals eine Indikation für eine systemische Antibiotikagabe«, zitierte er aus einer anerkannten Studie. Antibiotika seien auch keine Alternative zu einer Wurzelbehandlung als kausaler Therapie, sondern allenfalls eine Ergänzung. Nur bei bestimmten Abszessen seien sie indiziert. Hier entspreche das Verschreibungsverhalten deutscher Zahnärzte überwiegend nicht den Richtlinien der Fachgesellschaften, räumte Voss ein.
Sinnvoll sei dagegen eine Antibiotikaprophylaxe bei zahnmedizinischen Eingriffen zur Verhinderung einer infektiösen Endokarditis bei Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen, zum Beispiel mit Endokarditis in der Vorgeschichte oder Herzklappenersatz. Hier sollte die Antibiotikaprophylaxe, bevorzugt 2 Gramm Amoxicillin 30 bis 60 Minuten vor dem Eingriff, sogar bei einer professionellen Zahnreinigung erfolgen, da hier Erreger bei der Reinigung der Zahntaschen über kleine Verletzungen in die Blutbahn gelangen können. »Auch hier ist Clindamycin nur die Alternative bei Penicillin-Allergie«, mahnte Voss.
Warum wird trotzdem so häufig Clindamycin bevorzugt, obwohl es zum Beispiel bei odontogenen Abszessen eine deutlich höhere Resistenzrate hat? »Das beruht wohl noch auf veralteten Studien, die suggerierten, dass Clindamycin besonders gut knochengängig sei«, vermutet Voss. Obwohl dies wissenschaftlich längst widerlegt und die Bioverfügbarkeit im Zahn sogar schlechter als bei anderen Antibiotika sei, halte sich diese Annahme hartnäckig in den Köpfen, wohl auch, weil damals ein Hersteller Clindamycin entsprechend vermarktet hätte.