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Kassen warnen

Bundestag beschließt Medizinforschungsgesetz

Der Bundestag hat heute grünes Licht für das Medizinforschungsgesetz gegeben. Damit will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland verbessern und Anreize für mehr Forschung setzen. Während Pharmaverbände das Gesetz begrüßten, warnte der GKV-Spitzenverband vor steigenden Arzneimittelausgaben. Die Förderung der Forschung gehe zulasten der Beitragszahler.
Anne Orth
04.07.2024  17:16 Uhr

Mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG), das der Gesundheitsausschuss des Bundestags gestern gebilligt hatte, will die Bundesregierung die deutsche Pharmaforschung zurück an die Weltspitze führen. Im Vorfeld stieß insbesondere die geplante Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen auf Kritik der Kassen. Die Bundesregierung reagierte daher und besserte das Gesetz nach.

Mit dem MFG setzt die Bundesregierung laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) wesentliche Teile ihrer Pharmastrategie um. Ziel sei es, die Rahmenbedingungen für innovative medizinische Forschung in Deutschland zu verbessern und so neue Therapien für Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen.

»Das Medizinforschungsgesetz hat schon vor der Verabschiedung den Forschungsstandort Deutschland attraktiver gemacht«, kommentierte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD). In Erwartung besserer Rahmenbedingungen hätten viele Firmen bereits investiert. Die Entscheidung des Bundestags werde zu besserer Forschung in der Medizin in Deutschland führen. Noch immer seien viele Krebserkrankungen und Demenz nicht heilbar. »Deutschland wird als wieder auferstandenes Schwergewicht in der Forschung hier wichtige Beiträge liefern«, zeigte sich der Minister überzeugt.

Die Regelungen im Einzelnen

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Zulassung von Arzneimitteln und die Genehmigung und Durchführung klinischer Prüfungen vereinfachen und beschleunigen. Um das zu erreichen, soll die Zusammenarbeit der Arzneimittelzulassungsbehörden verbessert, eine Spezialisierung und Harmonisierung der Ethik-Kommissionen ermöglicht und die Grundlage für verbindliche Standardvertragsklauseln geschaffen werden. Bei klinischen Prüfungen, die nur in Deutschland durchgeführt werden, soll die Bearbeitungszeit auf 26 Tage verkürzt werden.

Pharmazeutische Unternehmer erhalten die Möglichkeit, vertrauliche Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu vereinbaren. Diese Regelung ist bis Ende Juni 2028 befristet. Zudem sind nur jene Pharmafirmen zur Geheimhaltung der Preise berechtigt, die mit einer Arzneimittelforschungsabteilung in Deutschland vertreten sind und zudem »relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland« nachweisen können.

Vorgesehen ist eine Trennung des Verfahrens. So sollen zunächst die Preisverhandlungen abgeschlossen werden. Die Hersteller haben dann fünf Tage Zeit, sich für geheime oder einsehbare Erstattungsbeträge zu entscheiden. Wollen Pharmafirmen von der Möglichkeit geheimer Erstattungsbeträge Gebrauch machen, wird ein zusätzlicher Abschlag von neun Prozent auf den zuvor ausgehandelten Betrag fällig.

Die Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen soll Ende 2026 evaluiert werden. Gleichzeitig werden Informationen zur Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln mit vertraulichem Erstattungsbetrag Pflichtbestandteil der elektronischen Programme, die Ärzte für Verordnungen nutzen. So soll die wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln sichergestellt werden.

Die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten »Leitplanken« für die Erstattungsbetragsverhandlungen werden gelockert – und zwar für Arzneimittel mit einem relevanten Anteil klinischer Prüfungen in Deutschland. Dafür müssen mindestens fünf Prozent der Probanden aus der Zulassungsstudie an der klinischen Studie in Deutschland teilgenommen haben. Das gilt für drei Jahre, es sei denn, der pharmazeutische Unternehmer weist eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nach.

Ergänzt wurde der Gesetzentwurf zudem unter anderem um eine Regelung zur Förderung akademischer Studien, eine Spiegelung der Regelungen im Arzneimittelrecht im Medizinprodukterecht sowie die Anerkennung von Drittlandinspektionen insbesondere in China.

Pharmaindustrie sieht positive Ansätze

Der Herstellerverband Pharma Deutschland begrüßte das Gesetz. »Das Medizinforschungsgesetz ist ein Schritt zur Förderung von Innovationen in Deutschland, es verbessert die Standortbedingungen für Pharmaforschung made in Germany«, sagte Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann. Das Gesetz verknüpfe den Preis eines neuen Medikaments wieder direkt mit seinem Nutzen, wenn ein Teil der Forschung hierzulande durchgeführt werde. Kritisch sieht der Verband allerdings, dass die Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen zeitlich begrenzt wurde. Das könne Innovationen hemmen, da die Unternehmen langfristige Planungssicherheit bräuchten. »Der Erfolg der nationalen Pharmastrategie wird davon abhängen, die Standortbedingungen für die Pharmaindustrie nicht nur für Monate, sondern auf Jahre zu verbessern«, betonte Brakmann.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sieht das Gesetz insgesamt als deutliche Verbesserung für die Arzneimittelforschung in Deutschland. Die Voraussetzung zur Ausnahme von den Leitplanken – mindestens fünf Prozent Probanden aus Deutschland – sei nachvollziehbar, allerdings wegen des notwendigen Vorlaufs zu ambitioniert.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) misst der Option der vertraulichen Erstattungspreise keinen besonderen Stellenwert bei. Sie seien für Pharmaunternehmen nur in Ausnahmefällen relevant, da sie zusätzliche Kosten verursachten. Daher kämen sie nur in besonderen Therapiesituationen infrage. »Die im Gesetzgebungsverfahren hinzugefügten Maßnahmen machen diese Option noch unattraktiver«, klagte BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen.

GKV-Spitzenverband: Druck, die Krankenkassenbeiträge anzuheben, steigt

Hingegen befürchtet der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) infolge des Gesetzes steigende Arzneimittelausgaben der GKV. Damit steige erneut der Druck auf die Krankenkassen, ihre Beiträge anzuheben. Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, bezeichnete es als »herbe Enttäuschung«, dass der Bundestag »entgegen aller fachlichen Argumente« die vertraulichen Erstattungspreise beschlossen habe. »Die Verknüpfung des Rechts auf Geheimpreise mit einer Forschungstätigkeit, wie mit den aktuellen Änderungsanträgen beschlossen, betont einmal mehr, dass hier zulasten der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung Forschungsförderung betrieben werden soll.«

Zudem kritisierte Stoff-Ahnis, dass die erst 2022 eingeführten »AMNOG-Leitplanken« wieder gestrichen wurden. Diese hätten vor überhöhten Preisen für patentgeschützte Medikamente geschützt, die keinen oder nur einen geringen oder nicht quantifizierbaren Zusatznutzen hätten.

Dagegen forderte der Bundestagsabgeordnete Georg Kippels im Namen der Unionsfraktion, die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführten sogenannten Leitplanken abzuschaffen. »Nur wenn Investitionen auch refinanziert werden können, werden Investitionen in den Pharma-Standort Deutschland ermutigt.« Erstattungsbeträge müssten jedoch transparent bleiben, so Kippels.

Der BKK-Dachverband monierte, dass die Regelung zu vertraulichen Erstattungspreisen im Vorfeld nicht gestrichen wurde. Nun müssten die Krankenkassen »bei hohen Schaufensterpreisen in Vorleistung« gehen und »sich das Geld mühsam von den Herstellern zurückholen«. Allerdings bewertete der Vorstandsvorsitzende Franz Knieps die Nachbesserungen am Gesetz im Vorfeld als »wichtigen Teilerfolg«. »Dass die Arzneimittelhersteller noch immer die Geheimhaltungskarte ziehen können, ist vor allem eine Frage der Gesichtswahrung für die Bundesregierung. Letztlich sind die Hürden für die Vertraulichkeit nun so hoch, dass sie in der Praxis wohl keine große Rolle spielen wird«, sagte Knieps.

KBV kritisiert zusätzlichen bürokratischen Aufwand

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bemängelte, dass in die Verordnungssoftware künftig Informationen und Hinweise aufgenommen werden sollen, anhand deren die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels mit einem vertraulichen Erstattungsbetrag einschätzen sollen. »Ein solches Vorhaben ist realitätsfern, belastet einseitig die Praxen mit einem höheren Regressrisiko und zusätzlichem bürokratischen Aufwand«, kritisierte KBV-Chef Andreas Gassen. Die Verantwortung für die Vereinbarung von nutzenorientierten und damit wirtschaftlichen Erstattungspreisen liege ausschließlich bei den pharmazeutischen Unternehmen und den Krankenkassen, nicht bei den verordnenden Ärztinnen und Ärzten.

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