Bundesrat sieht im EU-Pharmapaket Gefahren für Apotheken |
Jennifer Evans |
24.11.2023 16:00 Uhr |
Geht es nach dem Bundesrat, sollte die EU-Kommission auch sicherstellen, dass Apotheken bestimmte, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Antimykotika, antivirale Arzneimittel und Schmerzmittel weiterhin ohne Rezept abgegeben können. Dabei argumentiert er unter anderem damit, künftig Ressourcen sparen zu wollen. Andernfalls müsse ein Patient mit häufigen, aber nicht schwerwiegenden Erkrankungen immer erst einen Arzt aufsuchen. »Es sollte darauf hingewirkt werden, dass Apotheker und Ärzte bei rezeptfreien Arzneimitteln stärker auch auf die Umweltwirkungen achten«, lautet die Empfehlung. Auch lehnt er es ab, dass Arzneimittel nur deshalb der ärztlichen Verschreibungspflicht unterstellt werden sollen, weil diese einen antimikrobiell wirksamen Wirkstoff enthalten.
Der Nachhaltigkeitsgedanke ist ebenfalls Hintergrund der Bundesrats-Empfehlung, die Arzneimittel-Packungsbeilage in Papierform in dem EU-Reformpaket doch dem elektronischen Formats rechtlich gleichzustellen. Überlasse die EU dagegen den Mitgliedstaaten die Entscheidung, stehe das dem Umwelt- und Digitalisierungsgedanken entgegen.
Kritisch sieht der Bundesrat darüber hinaus die vorgesehene Neuorganisation der Europäischen Arzneimittelagentur – EMA. Ihre Ausschussarbeit zeichne sich durch hohe Professionalität aus. »Zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren und zur Vermeidung von Bürokratie sollen die Arbeiten dieser Ausschüsse in den verbleibenden Hauptausschüssen für den Humanarzneimittelbereich weitergeführt werden«, rät er. Denn durch die geplante Einführung diverser Unterausschüsse befürchtet er weniger Transparenz und Effektivität.
Die Arzneimittelhersteller sehen in den Reformplänen aus Brüssel einen Rückschritt: »Das vorliegende Pharma-Paket verliert sich in Details und plant auf Schlüsselfeldern wie dem Schutz geistigen Eigentums sogar Verschlechterungen beim Status quo«, wie Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), in dieser Woche kommentierte. Das Vorhaben würde Unternehmen den Anreiz nehmen, in neue Arzneimittel in Europa zu investieren. Es gehe dabei um 55 Prozent weniger Investitionen in den nächsten 15 Jahren, betonte er mit Verweis auf Zahlen des europäischen Pharmaverbands (EFPIA). Und bis 2040 werde der Sektor Forschung und Entwicklung sogar noch ein weiteres Drittel verlieren, hebt der vfa hervor.
Demnach sind Deutschland, Belgien und Frankreich von der Entwicklung am stärksten betroffenen. Steutel: »Europa sollte die Chance einer umfassenden Neuregulierung im Pharmasektor nicht verspielen und jetzt ein klares Signal aussenden, dass es zur globalen Aufholjagd entschlossen ist.« Darüber hinaus warnte er die Bundesregierung davor, sich nicht von Brüssel ihre Industriestrategie durchkreuzen zu lassen.