Biontech setzt auf Container für Impfstoffproduktion in Afrika |
In solchen zweistöckigen »Biontainern« will Biontech künftig die Covid-19-Impfstoffproduktion in Afrika vorantreiben. / Foto: PZ/Screenshot
Konkret besteht eine solche mobile Produktionsanlage für mRNA-Impfstoffe aus zwei Modulen, die jeweils sechs Container umfassen, wie Biontech erklärte. Beide Module brauchen demnach rund 800 Quadratmeter Platz und bieten Raum für alle nötigen Geräte für den Herstellungsprozess. Anfangs sei eine Produktionskapazität von bis zu 50 Millionen Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs gegen das Coronavirus pro Jahr möglich. Geeignet seien sie auch für mögliche künftige Vakzine gegen Malaria oder Tuberkulose von Biontech, wenn diese entwickelt, zugelassen und genehmigt seien.
Geplant sei, in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Land und der Afrikanischen Union die Fertigungsstätten an Ruanda, Senegal und gegebenenfalls Südafrika zu liefern, teilte Biontech weiter mit. Die erste Anlage soll in der zweiten Jahreshälfte in Afrika eintreffen. Der Produktionsbeginn werde zwölf Monate nach der Lieferung an den Zielort erwartet. Partner in Ghana und Südafrika könnten, so Biontech, die Produktion mit Kapazitäten zur Abfüllung und Verpackung unterstützen.
Bei der Vorstellung der Module in Marburg mit dabei waren unter anderem die Präsidenten von Ruanda, Ghana und Senegal - Paul Kagame, Nana Akufo-Addo und Macky Sall -, der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sowie Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Akufo-Addo sprach in einer Mitteilung von einem »bedeutsamen Tag für Mutter Afrika«. Erreicht werden solle eine unabhängige Impfstoffproduktion, »um dem zukünftigen nationalen, regionalen und kontinentalen Bedarf an Gesundheitssicherheit zu begegnen«. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte die Initiative von Biontech laut Mitteilung einen »echten Wegbereiter in unserem globalen Kampf gegen die Pandemie«. WHO-Generaldirektor Tedros begrüßte die Initiative von Biontech »zur Steigerung der Impfstoffproduktion in Afrika« und »als Ergänzung des WHO-Hubs« für den Transfer von mRNA-Technologie.
Auch »Ärzte ohne Grenzen« begrüßte grundsätzlich die Schritte hin zu einer Produktion von mRNA-Impfstoffen in afrikanischen Ländern, äußerte aber auch Kritik. Der Plan des Unternehmens dauere zu lange, sagte die Impfstoff-Expertin der Organisation, Lara Dovifat. »So viel Zeit haben wir in der fortschreitenden Pandemie nicht.« Man habe in einer Studie 120 Pharmafirmen im globalen Süden identifiziert, die in der Lage seien, innerhalb von Monaten in die Produktion von mRNA-Impfstoffen einzusteigen, würde Biontech einem Technologietransfer zustimmen.
»Zudem ist es ist ein Skandal, dass Biontech versucht, über eine intransparente Stiftung in Malta die Bemühungen der WHO zu sabotieren, einen mRNA-Impfstoff in Südafrika zu entwickeln«, erklärte Dovifat. »Damit versucht die Firma, ein Projekt zu unterminieren, das auch mit deutschen Steuermitteln gefördert wird. Dieses Verhalten zeigt, dass es Biontech eben nicht um eine nachhaltige Impfstoffproduktion geht, sondern um die Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz.«
Vergangene Woche hatten die Tageszeitung »Die Welt« und das »British Journal of Medicine« enthüllt, wie die von Biontech finanzierte maltesische Siftung Kenup Lobbyismus gegen den »Technology Transfer Hub« der WHO in Südafrika betrieb. Die Stiftung schrieb an mehrere afrikanische Regierungen, das WHO-Projekt zur Entwicklung eines patentfreien Impfstoffs müsse schnell beendet werden. Kenup unterstützt Biontech beim Aufbau der afrikanischen Produktionsstätten, für die das gemeinnützige WHO-Projekt eine potentielle Konkurrenz darstellt.
Ein Jahr nach Beginn der internationalen Verteilung von Corona-Vakzinen sind auf dem afrikanischen Kontinent nach offiziellen Angaben bislang erst elf Prozent der Menschen vollständig geimpft. Ein Grund sei, dass viele der Länder lange Zeit nur wenig Impfstoff bekommen hätten, heißt es in einem Papier des Entwicklungsministeriums, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Allerdings ist die Lage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, wie ein Analyseinstrument der Entwicklungsorganisation One zeigt. So sind laut Afrika-Corona-Tracker auf den Seychellen 79,8 Prozent der Menschen mit zwei Dosen geimpft, auf dem Inselstaat Mauritius 71,9 Prozent und im nordafrikanischen Marokko 62,9 Prozent. Die Staaten haben allesamt umfangreichere Lieferungen bekommen oder diese mit bilateralen Abkommen beschafft. Die schlechtesten Impfquoten haben Burundi (0,1 Prozent), die Demokratische Republik Kongo (0,2 Prozent) und Tschad (0,8 Prozent).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.