Bildung von Amyloid-Plaques heizt Zellen ein |
Annette Rößler |
13.06.2022 09:00 Uhr |
Dass sich im Hirn bei Alzheimer-Patienten Amyloid-Plaques ablagern, ist schon länger bekannt. Neu ist, dass deren Bildung offenbar mit einem Anstieg der intrazellulären Temperatur einhergeht. / Foto: Imago Images/Westend61
Mittlerweile gibt es Sensoren, die so winzig sind, dass man damit die Temperatur im Inneren von Zellen messen kann. Intrazelluläre Thermometrie heißt dieser Forschungszweig, in dem unter anderem die Arbeitsgruppe von Professor Dr. Gabriele Kaminski Schierle an der University of Cambridge in Großbritannien aktiv ist. Sie hat nun in Laborexperimenten mit menschlichen Zellen herausgefunden, dass die Bildung von Aggregaten aus Aβ-42 – der Amyloidform, die mit Alzheimer assoziiert ist – Hitze freisetzt. Die Ergebnisse sind im »Journal of the American Chemical Society« erschienen.
Die Forscher gaben in dem Experiment Aβ-42 von außen zu, um die Bildung von Amyloidaggregaten zu starten. Anhand ihrer Temperaturmessungen konnten sie feststellen, dass sich die Zellen daraufhin zunehmend aufheizten. Bei Zellen, die nicht mit Aβ-42 beimpft worden waren, war das nicht der Fall. »Wenn die Fibrillen immer länger werden, setzen sie Energie in Form von Wärme frei«, erklärt Kaminski Schierle in einer Pressemitteilung der Universität. »Die Aβ-Aggregation braucht eine Menge Energie, um in Gang zu kommen, aber wenn der Prozess einmal gestartet ist, läuft er danach immer schneller ab und setzt immer mehr Energie frei, sodass sich weitere Aggregate bilden können.«
»Die Aggregate können dann die Zelle verlassen und von benachbarten Zellen aufgenommen werden, wo sie wiederum die Aggregation von Aβ anstoßen«, ergänzt Erstautorin Chyi Wei Chung. Die Bildung von Aβ-Aggregaten und auch der damit verbundene Temperaturanstieg ließen sich im Zellmodell durch die Zugabe eines Inhibitors namens MJ040 verhindern. Aus Sicht der Forscher zeigt das einerseits, dass MJ040 als potenzielles Mittel gegen Alzheimer weiter getestet werden sollte und andererseits, dass sich die intrazelluläre Thermometrie als Screeningmethode für weitere potenzielle Wirkstoffe, die die Aβ-Aggregation verhindern, eignen könnte.
Denkbar ist auch, dass die Wissenschaftler einen Erklärungsansatz dafür gefunden haben, auf welche Weise die Aβ-Aggregate letztlich die Hirnzellen schädigen – nämlich durch Überhitzung. »Eine Zelle zu sehr zu erhitzen ist, als würde man ein Ei braten: Die Proteine verklumpen und verlieren letztlich ihre Funktion«, erinnert Kaminski Schierle.