Betrieb zu – was ist mit dem Lohn? |
Jennifer Evans |
15.03.2020 13:34 Uhr |
Der Apothekenleiter trägt die Verantwortung dafür, dass in seinem Betrieb sichere Arbeitsbedingungen herrschen. In der derzeitigen Situation gibt es jedoch viele Sonderfälle. Experten raten, stets im Gespräch mit Vorgesetzten zu bleiben. / Foto: ABDA
Grundsätzlich gilt: Kann in einem Betrieb nicht gearbeitet werden, trägt allein der Inhaber das Risiko. Dieser hat nämlich dafür Sorge zu tragen, dass in seinem Unternehmen sichere Arbeitsbedingungen herrschen. Warum es zu Betriebsstörungen komme, sei dabei unerheblich, hebt Apothekengewerkschaft Adexa hervor. Dies gilt demnach nicht nur für Epidemien, sondern auch bei Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Bränden. Auch bei Unglücksfällen sowie bei extremen Witterungsverhältnissen haften die Apothekenleiter – nicht aber die Angestellten. Die Gewerkschaft verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Januar 1991 (4 AZR 338/90). Sofern die Behörden es in einem Epidemiefall zuließen, sei das Arbeiten im Backoffice bei geschlossener Apotheke möglich. Eventuell hätten Inhaber auch Anspruch auf Kurzarbeitergeld, heißt es.
Diesem sollte nicht mehr viel im Wege stehen. Denn wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nun mitteilte, kann Kurzarbeitergeld kurzfristig fließen. Betriebe könnten dies bereits beantragen, wenn nur 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind – statt wie bisher ein Drittel. Zudem bekämen Arbeitgeber die entsprechend anfallenden Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe erstattet. Zuständig für entsprechende Anträge ist die Agentur für Arbeit. Erst vergangenen Freitag hatte der Bundestag die Erleichterungen im Schnellverfahren beschlossen.
Tritt also ein SARS-CoV-2-Fall auf und der Arbeitgeber kann aufgrund behördlicher Anordnung des Infektionsschutzes seine Angestellten nicht beschäftigen, ist der Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit. Das bedeutet: Die ausgefallenen Arbeitszeiten müssen nicht nachgearbeitet werden und die Entgeltfortzahlung erfolgt weiter, informiert die Adexa. Voraussetzung dafür ist, dass der Angestellte grundsätzlich arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Achtung: Lediglich aus Angst vor einer Ansteckung hinterm HV-Tisch darf kein Angestellter zu Hause bleiben. Das kann laut Gewerkschaft zur Abmahnung oder sogar zur Kündigung führen.
Nacharbeiten muss allerdings jeder, der aufgrund der Corona-Pandemie zu spät am Arbeitsplatz eintrifft. Das sogenannte Wegerisiko liege bei den Angestellten – auch dann, wenn es beispielsweise bei Epidemien zu starken Einschränkungen bei Bussen oder Bahnen komme, so die Gewerkschaft. Behörden dürfen nämlich im derzeitigen Pandemiefall Verkehrsmittel aller Art gänzlich sperren. Adexa rät daher, sich morgens früher auf den Weg zu machen, um Minusstunden zu vermeiden.
Eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitgeber ist außerdem gefragt, wenn ein Angestellter aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist und sich deswegen freiwillig in eine zweiwöchige Quarantäne begeben möchte. Obwohl die Behörden dazu raten, ist dieser Schritt ohne Absprache mit dem Vorgesetzten erst einmal nicht erlaubt. Da der Arbeitgeber aber für den Gesundheitsschutz aller Beschäftigten verantwortlich ist, sollten die meisten ohnehin ein großes Interesse an einer freiwilligen Quarantäne haben.
Muss hingegen ein Mitarbeiter der Offizin in häuslicher Quarantäne bleiben, »kann es einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Nettogehalts geben«, so die Adexa. Für die ersten sechs Wochen übernimmt demnach der Arbeitgeber den Verdienstausfall, bekommt ihn aber auf Antrag von den Behörden erstattet.
Zeigt ein Apotheken-Angestellter während des Arbeitstags Symptome, die in Verbindung mit dem Coronavirus stehen, sollte er so schnell wie möglich isoliert und ein Arzt angerufen werden. Alles Weitere entscheiden die zuständigen Gesundheitsämter, nicht mehr der Arbeitgeber. Es liegt jedoch im Ermessen des Apothekenleiters, seinen Betrieb bei solch einem Vorfall vorübergehend einzustellen. Ist hingegen die Apotheke durch den Personalausfall pharmazeutisch unterbesetzt, muss der Inhaber sie schließen und die Apothekerkammer informieren. Steht der Apothekenleiter selbst unter Quarantäne, darf er seinen Betrieb nicht beispielsweise per Videochat leiten.
Die Schließung von Schulen, Horten und Kindertagesstätten verschärft die derzeitige Situation. Eltern sollten aber wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten nicht um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, betont die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem heute veröffentlichten Autorenpapier zur wirtschaftlichen und sozialen Abfederung der Corona-Krise. »Der Kündigungsschutz gilt auch in diesen Fällen. Arbeitgeber werden bei nachgewiesener Schließung der Einrichtung und der Notwendigkeit der Betreuung zu einer Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen verpflichtet«, heißt es. Der Entschädigungsanspruch werde gemäß Infektionsschutzgesetz auf jene Fälle ausgeweitet, bei denen ein Angehöriger des Beschäftigten wegen einer behördlichen Schließung einer Einrichtung zu Hause betreut werden müsse. Das Prozedere läuft demnach analog zur bisherigen Regelung ab. Der Arbeitgeber zahlt bis zu sechs Wochen direkt an den Arbeitnehmer und kann die Kosten dann auf Antrag von der zuständigen Behörde zurückholen. »Dafür bekommen die Kommunen als zuständige Behörden Unterstützung aus einem Hilfsfonds«, heben die Grünen in ihrem Papier hervor.
Die Fraktion appelliert erneut an alle Unternehmen hierzulande, möglichst vielen Beschäftigten in den nächsten Wochen Homeoffice oder mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Um dies kurzfristig umzusetzen, sollten aus Sicht der Grünen für einen Zeitraum von drei Monaten bestimmte Voraussetzungen für Telearbeitsplätze in der Arbeitsstättenverordnung gelockert werden. »Das umfasst insbesondere die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung, die arbeitsvertraglichen Voraussetzungen und die betriebliche Ausgestaltung des Arbeitsplatzes«, heißt es. Sofern keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen, verlangt die Partei für alle Beschäftigten in Deutschland ein grundsätzliches Recht auf Homeoffice.
Für Personal im Gesundheitswesen, das an Covid-19 erkrankte Patienten behandelt, fordern die Grünen bis Ende 2020 eine Gehaltszulage. Zudem pochen sie angesichts zunehmender Verunsicherung in der Bevölkerung auf ein zentrales, einheitliches Informationssystem, das über verschiedene Wege für jeden abrufbar ist.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.