Betablocker verzögern motorische Symptome |
Theo Dingermann |
04.12.2024 10:30 Uhr |
Fataler Genfehler: Eine erhöhte Anzahl von Cytosin-Adenin-Guanin-Wiederholungen im HTT-Gen, das für die Produktion des Huntingtin-Proteins codiert, löst die dramatische Erkrankung Chorea Huntington aus. / © Getty Images/Dr_Microbe
Die Huntington-Krankheit (HD) ist eine neurodegenerative Erbkrankheit, die durch eine erhöhte Anzahl von Cytosin-Adenin-Guanin-Wiederholungen (CAG) im HTT-Gen verursacht wird, das für die Produktion des Huntingtin-Proteins codiert. Die Krankheit ist durch einen progredienten motorischen, kognitiven und psychiatrischen Verfall gekennzeichnet.
Forschende um Jordan L. Schultz von der University of Iowa werteten in einer multizentrischen Langzeitstudie Patientendaten aus der Enroll-HD-Plattform aus. In dieser Datenbank werden seit September 2011 bis heute Patientendaten von Personen dokumentiert , die von HD betroffen sind. Ziel der Analyse war es, einen potenziellen Einfluss von Betablockern auf den Krankheitsverlauf zu analysieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit publizierte das Team jetzt im Wissenschaftsmagazin »JAMA Neurology«.
Die Forschenden betrachteten zwei unterschiedliche Kohorten: Patienten mit einer prämanifesten Huntington-Krankheit (preHD), bei denen noch keine typischen Krankheitssymptome eingesetzt hatten, und Patienten mit einer früh motorisch manifesten Huntington-Krankheit (mmHD), die bereits erste motorische Symptome zeigten. Für beide Kohorten wurden wiederum zwei Patientengruppen analysiert, die entweder Betablocker einnahmen oder nicht.
Insgesamt wurden 4683 Patienten mit genetisch bestätigter preHD und 3024 Patienten mit mmHD in der Datenbank identifiziert, die mit einem Betablocker behandelt wurden. Um den Einfluss der Medikamente auf den Verlauf der Krankheit zu ermitteln, wurden 174 Patienten mit preHD und 149 Patienten mit mmHD, die Betablocker über mindestens ein Jahr kontinuierlich einnahmen, mit vergleichbaren Nicht-Nutzern durch ein Propensity Score Matching verglichen.
Dabei zeigte sich für die preHD-Patienten mit einem Betablocker eine statistisch signifikante Verringerung des jährlichen Risikos für eine motorische Diagnose. Der Hazard Ratio (HR) für den Beginn motorischer Symptome betrug 0,66. Die am häufigsten verwendeten Arzneistoffe waren Propranolol, Metoprolol und Bisoprolol.
Bei den mmHD-Patienten resultierte die Einnahme eines Betablockers in einer signifikant langsameren jährlichen Verschlechterung der Krankheitssymptomatik. Die motorischen Symptome (TMS) lagen um −0,45 Punkte/Jahr niedriger als in der Kontrollgruppe, und die funktionelle Kapazität (TFC) sowie die kognitive Funktion (SDMT) lagen um +0,10 Punkte/Jahr und um +0,33 Punkte/Jahr höher als in der Kontrollgruppe. Der Effekt war bei β1-selektiven Blockern wie Metoprolol ausgeprägter als bei unselektiven Betablockern.
Die Forschenden betonen, dass diese Arbeit keine Kausalität, sondern nur eine Assoziation beschreibt. Allerdings scheint es plausibel, dass der Nutzen von Betablockern auf die Blockade von Noradrenalin-Signalen zurückzuführen sein könnte, die überaktivierte sympathische Nervenwege bei HD-Patienten modulieren. Post-hoc-Analysen deuteten zudem darauf hin, dass β1-selektive Blocker besonders effektiv sind.
Alternativen in der Bluthochdruckbehandlung, beispielsweise ACE-Hemmer, zeigten keine vergleichbaren Effekte, was auf einen spezifischen Mechanismus der β-Adrenorezeptorblockade hindeutet. Die Studie legt nahe, dass Betablocker eine potenzielle Option darstellen, die detaillierter untersucht werden sollte.