Bessere Gesundheits-Kompetenz könnte Milliarden sparen |
Laura Rudolph |
13.11.2023 14:00 Uhr |
In Anschluss an Mays Vortrag fand eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Claudia Röttger, Apothekerin und Chefredakteurin beim Wort & Bild Verlag, statt. Dr. Hubertus Cranz, Apotheker und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), betonte, dass Gesundheitskompetenz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei und bereits in der Schule aufgegriffen werden sollte.
Diskutierten gemeinsam (von links): Professor Dr. Uwe May, Dr. Hubertus Cranz, Claudia Röttger (Moderatorin), Dr. Petra Nies, Bernd Zimmer und Miguel Tamayo / Foto: AVNR/Alois Müller
Dr. Petra Nies, Apothekerin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Arzneimittel beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), stellte in den Fokus, wie wichtig vertrauenswürdige Informationsquellen für Patienten seien und empfahl etwa die Webseite Gesundheitsinformation.de des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Miguel Tamayo von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein betonte, dass sich Patienten in der Arztpraxis eine Beziehung auf Augenhöhe wünschten. »Die Patienten haben das Recht, sich vorab etwa im Internet zu informieren.« Es sei schwierig, wenn diese Informationen unzureichend seien, die Patienten sich aber bereits auf diese fixiert hätten – eine große Herausforderung in der Praxis, für die oft keine Zeit bleibe. Bernd Zimmer, Vizepräsident Ärztekammer Nordrhein, gab zu Bedenken, dass insbesondere hochbetagte Menschen aufgrund einer Polymedikation Unterstützung durch Apothekenteams benötigen.
Um Selbstmedikation und Gesundheitskompetenz aus Patientensicht ging es im Impulsreferat von Dr. Volker Runge, Sprecher der Gesundheitsselbsthilfe NRW. Der klinische Linguist und Logopäde betonte, dass man Patienten dabei unterstützen müsse, gesundheitskompetent zu werden – dies würden sie nicht von alleine. Er schlug beispielsweise vor, Gesundheitskompetenz als »absolut sinnvolles« Schulfach einzuführen.
Mit Blick auf die Selbstmedikation brächten insbesondere die sozialen Medien Herausforderungen mit sich: Werbung und (Fehl-)Informationen aus dem Internet führten häufig dazu, dass Produkte gekauft werden, ohne dass eine kritische Reflexion stattfindet. Gleiches gilt, wenn sich Patienten untereinander »beraten«. »Nicht für jeden eignen sich die gleichen OTC-Präparate. Beispielsweise Schmerztabletten zeigen deutliche Gefahren in der Selbstmedikation«, verdeutlicht Runge. So könne etwa Diclofenac bei einer defekten Niere fatal sein. »Auch aus dem Ausland importierte Arzneimittel stellen eine potenzielle Gefahr dar.« Es brauche die Beratung in der Apotheke. Dazu darf ihnen nicht die Zeit fehlen durch eine überbordende Bürokratie, Überreglementierung, Personalnot und Lieferengpässe.
Runge plädierte für einen Trialog zwischen Patient, Arzt, Apotheker. »Lernen wir wieder, miteinander zu reden.« Aber auch digitale Programme könnten zukünftig dabei unterstützen, Informationen zur OTC-Medikation des Patienten in das Gesundheitssystem zu integrieren. Denn häufig werde der Patient in der Arztpraxis nicht nach seiner Selbstmedikation befragt. Auch könne es hilfreich sein, wenn Apothekenteams Patienten für weitere Hilfe an geeignete Stellen wie lokale Selbsthilfegruppen verweisen. »Wir sollten Systeme miteinander verbinden – auch auf Mikroebene.«