Bessere Gesundheits-Kompetenz könnte Milliarden sparen |
Laura Rudolph |
13.11.2023 14:00 Uhr |
Wo liegen Herausforderungen und Zukunftschancen für Apotheker, Hausärzte und Patienten? Darüber diskutierten Dr. Volker Runge, Thomas Preis, Dr. Oliver Funken, Daniela Hüttemann (Moderatorin), Professor Dr. Gaby Flößer und Christiane Grote beim OTC-Gipfel (von links). / Foto: AVNR/Alois Müller
AVNR-Verbandschef Thomas Preis eröffnete die Veranstaltung, die inmitten des von der Apothekerschaft ausgerufenen Protestmonats stattfand. Eine »historisch noch nie so heftig dagewesenen Schließungswelle« der Apotheken gefährde die wohnortnahe Versorgung massiv, betonte Preis, insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel und sinkende Personalzahlen.
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein / Foto: AVNR/Alois Müller
Der Staat sei jetzt aufgerufen, energisch zu handeln und die Apotheken – wie im Koalitionsvertrag festgelegt – zu stärken. Zur Entlastung des Gesundheitssystems sei eine gute Gesundheitskompetenz der Bürger von großer Wichtigkeit, verdeutlichte der AVNR-Verbandschef: Wenn sich Patienten gut selbst um ihre Gesundheit kümmern können, beispielsweise durch Krankheitsprävention und Selbstmedikation, spare dies Kosten für ärztliche Behandlungen ein. Bereits jetzt gehöre knapp jede zweite in der Apotheke abgegebene Packung dem OTC-Segment an.
Wie die Gesundheitskompetenz der Bürger die Kosten im Gesundheitssystem beeinflusst, darauf ging Professor Dr. Uwe May, Gesundheitsökonom und Volkswirt, näher ein. Gesundheitskompetenz sei die Fähigkeit, effektive und richtige (Gesundheits-)Entscheidungen zu treffen. Konkret bedeute dies, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Gelinge dies, können die Betroffenen besser Prävention betreiben oder chronische Krankheiten besser managen. Sie nähmen weniger Arzttermine in Anspruch, was zu geringeren Gesundheitskosten führe. »Gesundheitskompetenz ist wichtig für Prävention, Krankheitsbewältigung und Gesundheitsförderung – und alle drei Bereiche spielen in Apotheken und der Selbstmedikation eine wichtige Rolle.«
In Deutschland hätten jedoch fast 60 Prozent der Menschen eine problematische beziehungsweise unzureichende Gesundheitskompetenz, bedauerte May. Die WHO schätzt, dass 3 bis 5 Prozent der Gesundheitsausgaben pro Jahr darauf zurückfallen, so May – allein für Deutschland entspreche dies 10 bis 17 Milliarden Euro pro Jahr. Eine mangelhafte Gesundheitskompetenz betreffe insbesondere Menschen aus sozial schwächeren Schichten, ältere Menschen sowie Männer stärker als Frauen.
Insbesondere im Selbstbehandlungsbereich (Selfcare) komme der apothekengestützten Selbstmedikation eine wichtige Bedeutung zu. Patienten hätten meist keine Schwierigkeiten damit, Gesundheitsinformationen zu finden, sondern damit, diese korrekt zu beurteilen. Hier komme die Apotheke ins Spiel: »Apothekenteams können zielgruppengerecht Informationen vermitteln, filtern und bewerten. Sie können dem Patienten erklären, was die Informationen individuell für diesen bedeutet.« Ein Beispiel ist das persönliche Risiko, bestimmte Nebenwirkungen zu erleiden.
»Die Verknüpfung von Gesundheitskompetenz und Selbstmedikation aus gesundheitsökonomischer Sicht zeigt, dass Menschen, die sich selbst behandeln, weniger Ressourcen verbrauchen.« May verdeutlichte dies an einem Beispiel: Hausärzte sind aufgrund zu vieler Patienten am Limit und häufig zur sogenannten »Minutenmedizin« gezwungen. Könne man fünf von diesen täglichen Patienten in die Selbstmedikation überführen, bedeute dies bereits einen Zeitgewinn von einer Stunde für den Arzt. »Dies zeigt, dass darüber nachgedacht werden muss, wie die Selbstmedikation gefördert werden kann.« May sprach sich etwa für das Vorantreiben von OTC-Switches aus. Apothekenteams könnten Patienten zudem mit Lebensstil-Coachings, etwa zu Raucherentwöhnung und Männergesundheit, sowie mit pharmazeutischen Dienstleistungen unterstützen.