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Maskierte Hypertonie und ISH

Besondere Formen des Bluthochdrucks

Eine Differenzierung der verschiedenen Erscheinungsformen der arteriellen Hypertonie ist zwingend notwendig zur Risikoabschätzung und Therapieentscheidung. Hier werden exemplarisch einige Hypertoniephänomene beschrieben, die bisher zu wenig Beachtung finden.
AutorKontaktMartin Middeke
Datum 28.03.2019  08:00 Uhr

Die optimale Blutdruckmessung mit den modernsten Methoden zur korrekten Klassifizierung der Hypertonieform und zur individuellen Charakterisierung der Blutdrucksituation des einzelnen Patienten ist die Grundvoraussetzung für jede therapeutische Entscheidung. Eine nur punktuelle Betrachtung des Blutdrucks in der Praxis beziehungsweise Klinik ohne Berücksichtigung der Blutdruckvariabilität, des Tag-Nacht-Rhythmus und der Hypertonieform ist nicht mehr adäquat.

Zunächst gilt es stets zu klären, ob tatsächlich eine manifeste Hypertonie vorliegt, die einer Behandlung bedarf. Das Phänomen der sogenannten Praxis- oder Weißkittelhypertonie ist inzwischen wohlbekannt. Das Gegenstück, die sogenannte maskierte Hypertonie, wird bisher zu wenig beachtet.

Die maskierte Hypertonie ist definiert als eine Hypertonieform mit normalen Blutdruckwerten in der Praxis und erhöhten Werten im Alltag beziehungsweise am Arbeitsplatz in der ambulanten Blutdruck-Langzeitmessung (ABDM) oder in der Selbstmessung. Die maskierte Hypertonie bleibt also unerkannt und demnach auch unbehandelt, wenn sie nicht demaskiert wird. Es sind aber auch Hypertoniker unter antihypertensiver Therapie betroffen, deren Blutdruck in der Praxis kontrolliert erscheint, aber im Alltag noch über dem Therapieziel liegt.

Bekanntermaßen führt die alleinige Verwendung der konventionellen Blutdruckmessung in der Praxis bei einer Reihe von Patienten zu einer Unter- oder Überschätzung der Blutdruckwerte unter Alltagsbedingungen. Mit der ABDM kann zum Beispiel eine Praxishypertonie ausgeschlossen werden und die maskierte Hypertonie demaskiert werden. So wurde in der deutschen PHARAO-Studie die maskierte Hypertonie bereits vor zehn Jahren in einem Kollektiv von tausend Patienten mit hochnormalem Blutdruck beschrieben (»Journal of Hypertension«, DOI: 10.1097/HJH.0b013e3282ff8864).

Die europäischen Leitlinien empfehlen ausdrücklich die ABDM zum Ausschluss einer Praxishypertonie und zur Erkennung einer maskierten Hyper­tonie. Letztere wird häufiger bei Männern beobachtet als bei Frauen und steht in Verbindung mit Lebensstilfaktoren wie Nikotinkonsum, Alkoholkonsum und Übergewicht sowie psycho­sozialen Stressfaktoren.

Die maskierte Hypertonie ist die klassische Form einer Stress-induzierten Hypertonie. Insbesondere die Diskrepanz zwischen hohem Blutdruck während mentaler Beanspruchung im Alltag und normaler Blutdruckreaktion unter standardisierter, körperlicher Belastung spricht für die ursächliche Beteiligung von Stress bei der Hochdruckentstehung. So kann ein wichtiger kausaler Faktor der primären Hypertonie aufgedeckt werden.

Stress als Auslöser

Die stressinduzierte Hypertonie findet in der täglichen Praxis noch zu wenig Beachtung beziehungsweise wird nicht als solche charakterisiert und beschrieben. Neben der Anamnese zur Erfassung der psychosozialen und mentalen Stresssituation bedarf es der optimalen Charakterisierung der betroffenen Pa­tienten mit allen verfügbaren Blutdruck-Messverfahren (ABDM, Ergometrie, eventuell Selbstmessung). Nur so kann eine stressinduzierte Hypertonie wie die maskierte Hypertonie aufgedeckt werden. Die deutsche STARLET-Studie hat die Zusammenhänge zwischen Hypertonie am Arbeitsplatz und Stressbelastung in verschiedenen Betrieben bereits vor zwölf Jahren sehr gut beschrieben (»Deutsche Medizinische Wochenschrift«, DOI: 10.1055/s-2006-956252).

Zwischen Bluthochdruck und Stress bestehen vielfältige Beziehungen und Interaktionen. Der Blutdruck reagiert sofort in jeder akuten Stresssituation mit einem Anstieg und nach Beendigung der Stresseinwirkung fällt der Blutdruck mehr oder weniger rasch wieder ab. Dies gilt für körperlichen, mentalen und psychischen Stress gleichermaßen. Die Stressreaktion ist tief verankert in unserem autonomen Nervensystem. Das Ausmaß des Blutdruckanstiegs als charakteristische Stressreaktion ist abhängig von genetischen, konstitutionellen, körperlichen und kognitiven Faktoren. Chronischer Distress kann ein Trigger für die Entwicklung einer manifesten Hypertonie sein und spielt in der multifaktoriellen Genese der primären Hypertonie eine wichtige Rolle.

Das kardiovaskuläre Risiko der maskierten Hypertonie ist sehr hoch, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt (»Current Hypertension Reports«, DOI: 10.1007/s11906-010-0140-4). Ursächlich hierfür ist sehr wahrscheinlich, dass die maskierte Hypertonie lange unentdeckt bleibt und daher bereits hypertensive Organschäden verursacht hat, wenn sie erkannt wird. Daraus ergibt sich die zwingende Behandlungsindikation. Die antihypertensive Behandlung unterscheidet sich nicht von der einer klassischen manifesten Hypertonie. Im Katalog der nicht medikamentösen Maßnahmen haben Verfahren zur Stressreduktion wie Entspannung, körperliches Training, kognitive Umstrukturierung und Biofeedback einen wichtigen Stellenwert.

Nur die Systole ist zu hoch

Die isolierte systolische Hypertonie (ISH) ist definiert als erhöhter systolischer Blutdruck (BD) mit normalen oder niedrigen diastolischen Werten: >140/<90 mmHg bei der konventionellen Blutdruckmessung am Oberarm (brachial). Lange bekannt ist die ISH als typische Hochdruckform im Alter. Die Bedeutung der systolischen Blutdruckerhöhung bei juveniler Hypertonie hat dagegen erst in letzter Zeit Aufmerksamkeit bekommen. Dank neuer Messverfahren ist eine bessere Differenzierung der beiden sehr verschiedenen Hochdruckformen möglich.

Mit zunehmendem Lebensalter steigt der BD stetig an. Während der diastolische BD in der fünften Lebensdekade wieder absinkt, steigt der systolische BD weiter. So kommt es zur typischen ISH im Alter mit großer Blutdruckamplitude (Differenz zwischen systolischem und diastolischem Wert). Die ISH ist die häufigste Hypertonieform mit einer Prävalenz von mehr als 75 Prozent bei den Über-70-jährigen. Bei arterieller Gefäßsteifigkeit entsteht sie als Folge der erhöhten Reflektion der Druckwelle mit einer Augmentation (pathologische Erhöhung) des systolischen BD. Die antihypertensive Behandlung ist notwendig und erfolgreich.

Bei jungen Menschen ist die systolische Blutdruckerhöhung dagegen bedingt durch eine starke Amplifikation (physiologische Erhöhung) der Druckwelle von der Brustaorta zum Messpunkt in der Brachialarterie. Betroffen sind insbesondere große, schlanke sportliche Jugendliche und junge Männer. Die erhöhte Amplifikation ist Ausdruck einer besonderen Gefäßelastizität und/oder eines erhöhten Herzschlag­volumens bei niedrigem oder normalem zentralem aortalem BD. Die Prognose ist dementsprechend gut und eine blutdrucksenkende Therapie ist den Leit­linien entsprechend nicht erforderlich.

Die konventionelle Messung des BD über der Armarterie überschätzt den aortalen/zentralen BD bei jungen Menschen mit elastischen Gefäßen und unterschätzt diesen bei älteren Patienten mit Gefäßsteifigkeit und Arteriosklerose. Eine Differenzierung ist nicht invasiv mittels moderner Pulswellenanalyse möglich. Hierbei wird der brachiale BD gemessen und der zentrale aortale BD über eine Transferfunktion errechnet. Eine (vorhandene) Augmentation durch die reflektierte Welle bei älteren Patienten mit erhöhter Gefäßsteifigkeit wird direkt abgeleitet. Die Ableitung der Druckwelle bei Jungen mit juveniler ISH zeigt hingegen die überhöhte antegrade systolische Welle und normalen beziehungsweise niedrigen aortalen BD.

Mit zunehmendem Alter lässt die Gefäßelastizität auch bei den Jungen nach und die langsame »Materialermüdung« führt zu einer verminderten Amplifikation und Abfall des peripheren systolischen BD. In der dritten Lebensdekade nähert sich der brachiale BD dem aortalen Druck wieder an. Diese scheinbare Normalisierung des brachialen BD ist daher letztlich Ausdruck einer nachlassenden Gefäßelastizität.

Primäre Hypertonie auch bei Jungen

Eine behandlungsbedürftige primäre Hypertonie beginnt normalerweise in der dritten bis fünften Lebensdekade mit einer isolierten diastolischen Hypertonie als Folge des erhöhten peripheren Widerstands. Die Ursachen sind vielfältig und individuell unterschiedlich. Häufig entwickelt sich im weiteren Verlauf eine systolische und diastolische Hypertonie. Eine primäre Hypertonie kann auch bereits in jüngeren Jahren auftreten. Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht dem oben beschriebenen Phänotyp entsprechen, sind wahrscheinlich einem höheren Risiko ausgesetzt und sollten auch eventuell behandelt werden. Betroffen sind insbesondere übergewichtige und nicht sehr sportliche Jugendliche, die eventuell auch bereits eine Erhöhung des diastolischen BD aufweisen.

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