»Berliner Patient« die zweite |
Annette Rößler |
19.07.2024 15:00 Uhr |
Das HI-Virus kann T-Helferzellen nur dann infizieren, wenn auf ihrer Oberfläche der CD4-Rezeptor und ein Korezeptor vorhanden sind, in der Regel CCR5. / Foto: Getty Images/Kateryna Kon/Science Photo Library
Um in Zellen einzudringen, benötigt das HI-Virus nicht nur den CD4-Rezeptor, sondern auch einen Korezeptor auf T-Helferzellen. Meist ist dies der CCR5-Rezeptor. Eine bestimmte Mutation, die dazu führt, dass CCR5 für HIV unbrauchbar wird, macht Menschen daher nahezu immun gegen HIV. Diese genetische Konstellation, CCR5Δ32/Δ32, liegt jedoch nur bei etwa 1 Prozent der kaukasischstämmigen Bevölkerung vor. Heterozygote Merkmalsträger, die von einem Elternteil die Δ32-Mutation geerbt haben und vom anderen den Wildtyp des CCR5-Gens (CCR5WT/Δ32) machen etwa 16 Prozent der Bevölkerung aus. Sie sind nicht immun gegen HIV.
Bei einer Handvoll HIV-infizierter Menschen ist es bislang gelungen, die Infektion in Remission zu bringen (siehe Kasten). Dies wurde in der Regel damit begründet, dass die betroffenen Patienten eine Stammzelltransplantation eines Spenders mit der CCR5Δ32/Δ32-Mutation erhalten hatten. Nach diesem Austausch des Immunsystems habe das Virus keine Möglichkeit mehr gehabt, erneut in T-Helferzellen einzudringen, weil der benötigte Korezeptor gefehlt habe, lautete die gängige Hypothese – die nun jedoch durch einen neuen Fallbericht von Forschenden der Berliner Charité infrage gestellt wird.
Die Spenderin der Stammzellen für den Patienten, über den das Team um Professor Dr. Christian Gaebler kommende Woche bei der Aids-Konferenz in München berichten wird, war nämlich nicht homozygot bezüglich der CCR5Δ32-Mutation, sondern heterozygot. Dies traf auch auf den Patienten selbst zu, einen heute 60-jährigen Mann, der 2009 positiv auf HIV getestet worden war. Die Stammzelltransplantation erhielt er, nachdem bei ihm 2015 eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert worden war. 2018 setzte er dann gegen den Rat der behandelnden Ärzte die antiretrovirale Therapie (ART) gegen die HIV-Infektion ab.