Beratungsintensive In-vitro-Diagnostika |
Kerstin A. Gräfe |
19.09.2023 07:00 Uhr |
In den Urinstrahl halten, abwarten, ablesen: Auch wenn die Anwendung von Schwangerschaftstests simpel ist, gibt es manche Dinge zu beachten, damit sie zuverlässige Ergebnisse liefern. / Foto: Adobe Stock/puhhha
Schwangerschaftstests zählen in der Apotheke zu den am häufigsten abgegebenen In-vitro-Diagnostika. Im Handel sind Frühtests, klassische Schwangerschaftstests oder Tests mit Wochenbestimmung. Sie alle basieren auf dem gleichen Prinzip, dem Nachweis von humanem Choriongonadotropin (hCG). Das Peptidhormon wird nach der Befruchtung in der Plazenta gebildet und spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft. hCG kann schon etwa acht Tage nach der Empfängnis im Blut mit einer Konzentration von etwa 10 mIU/mL nachgewiesen werden. Im Urin liegt der hCG-Wert neun Tage nach Befruchtung bei etwa 0,9 mIU/mL. Über einen Bluttest beim Frauenarzt kann eine vorliegende Schwangerschaft somit früher und sicher nachgewiesen werden.
»Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. / Foto: Avoxa
Viele Frauen möchten aber möglichst schnell Gewissheit haben und besorgen sich einen Schwangerschaftstest für zu Hause. Über das zugrunde liegende Prinzip der verschiedenen Tests, deren Schwächen und über Beratungsaspekte bei der Abgabe in der Apotheke informiert Apothekerin Nadine Metzger von der Römerschanz Apotheke in Reutlingen in einem Beitrag in der Ausgabe 5/2023 der DPhG-Mitgliederzeitschrift »Pharmakon«.
Der Nachweis von hCG erfolgt bei allen Präparaten über einen Lateral-Flow-Test, also eine Kombination aus Dünnschichtchromatografie und Immunassay. Der Teststreifen enthält hCG-Antikörper, die mit einem Farbstoff markiert sind. Mit diesen bildet das im Urin befindliche hCG (Antigen) einen Antigen-Antikörper-Farbstoffkomplex. Dieser wandert zum Testbereich, an dem ein weiterer, immobilisierter hCG-Antikörper vorliegt. Daran bindet der Antigen-Antikörper-Komplex und färbt die Testzone. Je nach Präparat erscheint ein Streifen, ein »+« oder das Wort »schwanger«.
Der überschüssige, ungebundene hCG-Antikörper-Farbkomplex wandert weiter zum Kontrollfeld, um dort an einen weiteren, spezifischen Antikörper zu binden. Damit gewährleistet die Kontrollbande die ordnungsgemäße Testdurchführung, da sich dieser Bereich nur beim Auftrag von genügend Probenflüssigkeit färben kann. Digitale Tests basieren auf dem gleichen Prinzip. Hier lesen Fotodioden den gefärbten Streifen aus.
Ein klassischer Schwangerschaftstest detektiert im Urin enthaltenes hCG ab einer Konzentration von 25 mIU/mL. Auf dem Markt verfügbare Frühtests können das Herstellerangaben zufolge bereits ab einer Konzentration von 10 oder sogar 5 mIU/mL. Allerdings haben mehrere Studien Schwächen der Tests in der Sensitivität gezeigt.
So ergab unter anderem eine Reihenuntersuchung des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), dass nur 27 Prozent der in der Studie getesteten Frühtests zweifelsfrei das Vorliegen einer Schwangerschaft bei der niedrigsten deklarierten hCG-Menge bestätigen konnten. Einige dieser Tests konnten in der ZL-Untersuchung sogar nicht einmal die Konzentration von 25 mIU/mL detektieren. Zudem haben Studien gezeigt, dass die Sensitivität niedriger ist, wenn die Tests von Laien zu Hause durchgeführt werden, als bei einer Durchführung unter idealen Laborbedingungen.
Bei der Abgabe gerade von Frühtests sollte das Apothekenteam die Kundinnen darauf hinweisen, dass ihr hCG-Spiegel unter Umständen im Moment noch zu niedrig sein kann, um eine Schwangerschaft verlässlich nachzuweisen. Ihnen sollte geraten werden, bei einem negativen Ergebnis den Test zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel eine Woche nach Ausbleiben der Periode, noch mal zu wiederholen.
Des Weiteren legen Studien nahe, dass bei der Abgabe auf die Verwendung von Morgenurin hinzuweisen ist, damit eine ausreichend hohe hCG-Konzentration vorliegt. Statt des Begriffs Morgenurin empfiehlt Metzger, den Begriff »Urin nach der längsten Schlafperiode« zu verwenden, da Morgenurin für Kundinnen mit Schicht- und Nachtarbeit missverständlich sein könne. Möchte die Kundin den Test zu einer anderen Tageszeit durchführen, sollte sie wenig trinken und etwa vier Stunden vorher nicht zur Toilette gehen. Zudem ist auf die jeweilige Ablesezeit hinzuweisen.
In seltenen Fällen können die Tests falsch positiv ausfallen. Gründe dafür sind unter anderen eine kürzliche Schwangerschaft (in Form eines unbemerkten Aborts in der Anfangsphase) oder eine kürzliche Geburt. Auch bestimmte Medikamente, die im Rahmen mancher Fruchtbarkeitsbehandlungen eingenommen werden und hCG enthalten (zum Beispiel Ovitrelle®, Pregnyl®), führen zu falsch positiven Ergebnissen.
Zudem können bestimmte Erkrankungen die hCG-Konzentrationen erhöhen. Dazu zählen Zysten an den Eierstöcken, Nierenerkrankungen sowie manche Krebserkrankungen und Störungen, die sich auf den Hormonspiegel auswirken, insbesondere bei Frauen während der Wechseljahre oder um den Zeitraum der Wechseljahre herum.