Beim Impfen ist noch »Luft nach oben« |
Welche Erfahrungen haben Apothekerinnen und Apotheker mit dem Impfen gemacht? Was motiviert sie und mit welchen Hindernissen haben sie zu kämpfen? / Foto: picture alliance/dpa
Während Impfungen in Apotheken in vielen anderen Ländern längst Alltag sind, hinkt Deutschland bei diesem Thema hinterher. Seit Juni 2020 dürfen Apothekerinnen und Apotheker hierzulande in Modellvorhaben gegen Grippe impfen, seit Anfang 2020 sind auch Impfungen gegen Covid-19 bundesweit möglich. Seit Oktober 2022 gehören Grippeschutzimpfungen in Apotheken zur Regelversorgung, ab 8. April dieses Jahres auch Impfungen gegen Covid-19.
Über die Ausgestaltung der Covid-19-Impfungen in Apotheken verhandeln derzeit noch die Deutsche Apothekerkammer (DAV) und der GKV-Spitzenverband. Doch welche Erfahrungen haben Apothekerinnen und Apotheker mit dem Impfen gemacht? Was motiviert sie und mit welchen Hindernissen haben sie zu kämpfen? Ist es denkbar, dass Apotheker Patienten noch gegen weitere Infektionskrankheiten immunisieren? Darüber diskutierten Vertreter aus der Politik, Apotheker- und Ärzteschaft beim BAK-Symposium »Impfungen in Apotheken« am heutigen Dienstag.
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (SPD) und approbierte Ärztin, machte deutlich, dass es ihr persönlich ein großes Anliegen ist, die Impfquoten zu erhöhen. Diese seien auch bei empfohlenen Schutzimpfungen noch viel zu niedrig. »Apotheken können hier einen wichtigen Beitrag leisten, da sie einen niedrigschwelligen Zugang zu Impfungen bieten«, betonte Dittmar. Aus diesem Grund habe sie sich dafür eingesetzt, dass Impfungen gegen Influenza und Covid-19 auch in Apotheken möglich seien. Sie machte deutlich, dass es sich um ein zusätzliches Angebot handele, das wegen der Öffnungszeiten der Offizinen besonders für Berufstätige gut geeignet sei.
Derzeit immunisieren aber erst wenige der rund 13.200 geschulten Apothekerinnen und Apotheker gegen Influenza und Covid-19. Etwa 1174 Apotheken bieten Grippeschutzimpfungen an, etwa 1572 immunisieren gegen Covid-19, informierte Christiane Eckert-Lill. »Da ist noch Luft nach oben«, resümierte die Geschäftsführerin Pharmazie bei der ABDA. Diese Ansicht äußerte auch BAK-Präsident Thomas Benkert.
Doch woran liegt es, dass momentan noch relativ wenige approbierte Apothekerinnen und Apotheker von der Möglichkeit zu impfen Gebrauch machen? Anhaltspunkte lieferten die Ergebnisse einer Blitzumfrage der BAK, die Benkert vorstellte. An der Online-Umfrage nahmen im Februar und März dieses Jahres rund 2700 Apotheker teil. Als Gründe gegen Impfungen in Apotheken führten demnach fast drei Viertel (71 Prozent) der Befragten einen zusätzlichen personellen Aufwand an, fast genauso viele (69 Prozent) nannten zusätzliche räumliche Anforderungen als Grund, der gegen das Impfen spreche. 62 Prozent befürchteten, dass das Verhältnis zu benachbarten Ärzten leiden könne. Als Gründe für das Impfen nannten 76 Prozent der Befragten den leichteren Zugang zu Impfungen aus Patientensicht. 61 Prozent der Befragten gaben an, dass Apothekerinnen und Apotheker durchs Impfen einen aktiven Beitrag zur Prävention leisten könnten, 55 Prozent sehen dadurch das heilberufliche Profil der Apotheker geschärft.
Von positiven Erfahrungen mit dem Impfen berichtete Hannes Müller, Apothekenleiter und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der BAK. Seit der Deltawelle 2020 haben seine Mitarbeiter und er selbst über 500 Impfungen gegen Grippe und Covid-19 verabreicht. Müller betreibt zwei Apotheken, alle Mitglieder des Teams sind bereits geschult. »Die Patienten sind sehr zufrieden, das Impfen wertet den Heilberuf auf«, so Müller. Er appelliert an die Kolleginnen und Kollegen, die Chance zu nutzen und zu impfen. Unzufrieden zeigte sich Müller allerdings mit der Vergütung. Rein betriebswirtschaftlich lohne sich die Grippeschutzimpfung wegen des hohen Beratungsaufwands nicht. Bei den Covid-19-Impfungen müsse eine höhere Vergütung herauskommen. Hinderlich sei auch, dass nur approbierte Apotheker impfen dürften, kritisierte der Inhaber. Zudem sei ihm bekannt, dass die Raumfrage viele Kollegen vom Impfen abhalte. So schreibt die Apotheken-Betriebsordnung vor, dass Apotheken einen separaten Raum vorhalten müssen, der nur zum Impfen genutzt wird. Staatssekretärin Dittmar versprach auf Bitte der Teilnehmer des Symposiums, sich dafür einzusetzen, dass diese Regelung präzisiert werde. Aus ihrer Sicht genüge es, wenn Apotheken einen separaten Raum vorhielten, der aber auch anderweitig genutzt werden könne, erklärte Dittmar.
Eine Lanze für Impfungen in Apotheken brach Matthias Bollinger, Kinderarzt aus Frankfurt am Main. »Angesichts des Arztsterbens in der Fläche können wir uns nicht leisten, Apotheker beim Impfen auszugrenzen«, machte er deutlich. Das heilkundliche Wissen der Apotheker müsse genutzt werden. Er halte es für möglich und sinnvoll, dass Apotheker künftig gegen weitere Infektionskrankheiten impfen könnten. Auch Staatssekretärin Dittmar äußerte, dass sie sich persönlich weitere Immunisierungen in Apotheken vorstellen könne, etwa zur Auffrischung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis. »Im Moment sind aber keine weiteren Impfungen in der politischen Debatte«, stellte sie klar.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.