Bei Erkältung früh mit Phytopharmaka eingreifen |
Daniela Hüttemann |
22.09.2022 18:00 Uhr |
Michalsen sprach sich klar für den Einsatz rationaler Phytotherapie bei Erkältungen aus – »das ist kein Vodoo oder Esoterik, sondern steht auf wissenschaftlichen Beinen«. »Wir haben hier bewährte Heilpflanzen mit unterschiedlichen Eigenschaften zur Auswahl: Efeu, Eibisch, Kapuzinerkresse, Meerrettich, Myrtol, Pelargonium sidoides (Kapland-Pelargonie), Primel, Spitzwegerich und Thymian.«
Je nach Pflanze beziehungsweise deren Extrakt seien in vitro beispielsweise antivirale, antibakterielle, sekretomotorische, sekretolytische, bronchospasmolytische, antiphlogistische und schleimhautprotektive Wirkungen nachgewiesen. Antiviral in vitro wirken zum Beispiel die Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich sowie Thymian und Pelargonium-sidoides-Extrakt.
Umckaloabo®-Hersteller Schwabe hat direkte antivirale Effekte für sein Pelargonium-Präparat in vitro nachgewiesen. So hemme der Spezialextrakt EPs® 7630 unter anderem die Replikation von Influenzaviren vom Typ H1N1 und H3N2, von Rhinoviren und SARS-CoV-2, erläuterte Michalsen. Er aktiviere darüber hinaus das angeborene Immunsystem, unsere erst Verteidigungslinie, indem er die antivirale Interleukin- und Interferon-Antwort induziert und Fresszellen aktiviert. Gleichzeitig wirke er aber auch immunregulierend und könne so die Entzündung in den Atemwegen bekämpfen.
Warum der Einsatz von Phytopharmaka mit solchen Eigenschaften daher möglichst früh erfolgen sollte, erläuterte der Pharmazieprofessor Dr. Peter Heisig von der Universität Hamburg. Erkältungen seien im Prinzip »oberflächliche« Infektionen, da in erster Linie die Schleimhäute der Atemwege betroffen sind. Dort haften die Viren an, gelangen in die Zellen und sorgen für ihre Vermehrung. »Das geschieht bei Erkältungsviren unglaublich schnell und man hat innerhalb von Stunden eine hohe Viruslast«, so der auf Mikrobiologie spezialisierte Pharmazeut. Dafür sinkt sie bei solch banalen Infekten in der Regel auch schnell wieder.
Beim Ausschleusen aus den Wirtszellen würden diese oft mit geschädigt – »das merken wir als lokale Entzündung in Form von Halsschmerzen, Husten und Schnupfen«, so Heisig. Sofort zu Beginn der viralen Attacke reagiert das angeborene, unspezifische Immunsystem mit Komplementsystem und Makrophagen und auch durch eine vermehrte Schleimbildung. Innerhalb von vier bis 96 Stunden kommen induzierbare Komponenten hinzu, die aber auch noch relativ unspezifisch und nicht adaptiv seien, darunter Akute-Phase-Proteine, weitere Makrophagen und Granulozyten – das äußert sich in einer Entzündung.
Erst nach 96 Stunden formiert sich die spezifische, adaptive Immunantwort in Form spezieller Antikörper, T- und B-Zellen. »Diese spezifischen Zellen kommen bei vielen Atemwegsinfekten zu spät, wenn die Infektion ohnehin schon wieder abklingt. Hier spielt das unspezifische Immunsystem eine wichtigere Rolle«, so Heisig. Zwar brauche es eine Entzündung, um die Heilung in Gang zu bringen. »Diese Reaktion und die damit verbundenen unangenehmen Symptome können aber bei Atemwegsinfekten durch antientzündliche Medikamente durchaus ohne großen Verlust der immunologischen Funktion gedämpft werden.«
Um die Prozesse des Immunsystems optimal zu unterstützen, ist laut des Referenten daher ein frühzeitiger Einsatz wichtig. »Die Anwendung von Phytopharmaka sollte generell immer beim ersten Spüren von Erkältungssymptomen beginnen«, riet Mediziner Michalsen.