»Begeisterung an die nächste Generation weitergeben« |
Wie lassen sich Studierende für eine Tätigkeit in einer Vor-Ort-Apotheke begeistern? Das erörterten (v.l.n.r.) Thomas Benkert, Hans-Peter Hubmann, Laila Haroon und Björn Schittenhelm. Daniela Hüttemann (2.v.l.) und Ev Tebroke (r.) moderierten die Diskussionsrunde. / Foto: Alois Mueller
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Viele Apothekenleiterinnen und -leiter suchen schon jetzt händeringend Fachkräfte, und in den kommenden Jahren wird dies noch schwieriger werden. Bis 2030 werden in den Apotheken voraussichtlich mehr als 10.000 Approbierte fehlen, prognostiziert Berit Winter, Leiterin der ABDA-Abteilung Berufe und Apothekenpraxis. Erschwerend hinzu kommt, dass ein Großteil der jungen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten lieber eine Stelle in der Industrie, Verwaltung, Wissenschaft oder einer Krankenhausapotheke annimmt als in einer Vor-Ort-Apotheke. Wie sich dieses Dilemma lösen lässt, darüber diskutierten Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Hans-Peter Hubmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Laila Haroon, Beauftragte für Lehre und Studium beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) und Björn Schittenhelm von der ABDA-Nachwuchsinitiative AByou. Die Moderation übernahmen die PZ-Redakteurinnen Daniela Hüttemann und Ev Tebroke.
Nach Angaben der BPhD-Vertreterin Laila Haroon wissen etwa 25 Prozent der Pharmaziestudierenden zu Beginn des Studiums noch nicht, in welchem Bereich sie nach ihrem Abschluss arbeiten wollen. »Diese Gruppe gilt es zu umwerben«, empfahl sie. Gute Gelegenheiten, um Studierenden die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke schmackhaft zu machen, böten die Famulatur und das Praktische Jahr. Haroon plädierte dafür, Studierende für ihren Einsatz im Praktischen Jahr mit dem Mindestlohn zu entlohnen, damit sie sich wertgeschätzt fühlten. Ihr zufolge ist der Nachwuchs vor allem am interprofessionellen Austausch interessiert und möchte im Beruf sein pharmazeutisches Wissen anwenden. »Die pharmazeutischen Dienstleistungen machen für die künftigen Approbierten die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke erst attraktiv«, betonte Haroon. Ihrer Ansicht nach steigert auch die Umstellung auf digitale Abläufe die Attraktivität des Berufs. »Die Digitalisierung hilft, Zeit zu sparen. Dadurch bleibt mehr Raum für pharmazeutische Tätigkeiten«, so die Studierendenvertreterin.
Und was tun die Standesvertretungen für die Nachwuchsgewinnung? »Wir sind gefordert, unsere Begeisterung für die Vor-Ort-Apotheken an die nächste Generation weiterzugeben«, erklärte BAK-Präsident Thomas Benkert. Er wies der jungen Generation aber auch eine Hol-Schuld zu. DAV-Vize Hans-Peter Hubmann sieht hingegen die Standesvertretung in der Verantwortung, den Jungen eine wirtschaftlich gesunde Apotheke zu bieten. Die Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke sei nur bei besserer Honorierung attraktiv. »Je mehr wir als Standesvertretung dafür tun, desto eher werden wir junge Leute für den Beruf finden«, machte Hubmann deutlich. Zudem müsse dringend Bürokratie reduziert werden. »Wichtig ist außerdem, dass wir selbst von unserem Beruf begeistert sind«, so Hubmann.
Doch nicht nur die Apotheken, sondern auch die Standesvertretungen benötigen Nachwuchs. Um jüngeren Approbierten den Weg in die Kammern und Verbände zu ebnen, initiierten fünf Jungapothekerinnen und -apotheker im vergangenen Jahr die ABDA-Nachwuchsinitiative AByou, informierte Mitinitiator Björn Schittenhelm. In dem Netzwerk engagierten sich bereits über 100 Apothekerinnen und Apotheker unter 45. AByou gebe ihnen die Möglichkeit, sich konstruktiv einzubringen und mit den ABDA-Vertretern Themen zu diskutieren. »Wir wollen keine Parallelstruktur bilden, sondern sehen uns als eine Art Think Tank oder Beratergremium«, erläuterte Schittenhelm und fügte hinzu: »Wir haben uns viel vorgenommen und sind auf einem guten Weg.«
BAK-Präsident Benkert begrüßte die Nachwuchsinitiative als »gute Einstiegsplattform«. Häufig werde lieber gemotzt, statt sich selbst zu engagieren. Nach Ansicht von DAV-Vize Hubmann gibt es in den Verbänden bereits vielfältige Einstiegsmöglichkeiten. Er selbst sei schon lange dabei, mache die Arbeit aber nach wie vor gerne. »Die Tätigkeit in den Standesvertretungen ist zeitaufwendig, bietet aber auch die Möglichkeit zu gestalten«, warb er für das Engagement in Kammern und Verbänden.
Thema der Diskussionsrunde war auch die geplante Novellierung der Approbationsordnung. Dazu hatten sich die BAK sowie weitere Organisationen und Verbände auf ein Positionspapier geeinigt und es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) persönlich übergeben, informierte Benkert. Nach Rücksprache mit dem Ministerium hatten sich die Mitglieder des Runden Tisches vor etwa zwei Wochen erneut zusammengesetzt. »Es war ein zähes Ringen, aber wir haben einen Kompromiss gefunden«, zeigte sich Benkert erfreut. Geplant ist unter anderem, die Studiendauer von acht auf zehn Semester zu verlängern, um dem Wissenszuwachs Rechnung zu tragen. Künftig sollen die Studierenden zudem mit einer schriftlichen Arbeit nachweisen, dass sie die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens beherrschen. »Wir wollen ein bundesweit einheitliches Staatsexamen«, sagte Benkert. Die längere Studiendauer dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass es künftig weniger Studienplätze gebe.
Nach Ansicht von BPhD-Vertreterin Haroon macht die längere Studiendauer das Pharmaziestudium für die Studierenden nicht unattraktiver. Das Gegenteil sei der Fall. »Die stärkere Ausrichtung auf wissenschaftliches Arbeiten wertet den Beruf aus unserer Sicht auf«, stellte sie klar. Die Studierenden hätten sich eine Entzerrung des Studiums gewünscht. Bisher hätten sie bei durchschnittlich 28 Wochenstunden nicht genügend Zeit, um das vermittelte Wissen zu verarbeiten. »Mein Ziel ist, mit der Novellierung der Approbationsordnung eine attraktive Ausbildung für Apothekerinnen und Apotheker zu schaffen«, betonte Haroon.