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Immunsystem und Darmmikrobiom

Bauernhofkinder sind gesünder

Einflussfaktoren aus früher Kindheit prägen, wie sich unser Mikrobiom entwickelt. Das könnte sich auf Krankheitsrisiken auswirken: mehr Kuhstall und Rohmilch, weniger Allergien und Asthma? Die Forschung steht noch am Anfang, Fragen zu Kausalzusammenhängen und möglichen Therapiekonzepten sind noch nicht beantwortet.
AutorKontaktNicole Schuster
Datum 03.03.2021  15:30 Uhr

Forschungen zeigen, dass zwischen unseren Krankheiten und der Gesamtheit der Mikroorganismen, die uns besiedelt, eine enge Verbindung besteht. Mit dem menschlichen Mikrobiom werden eine ganze Reihe von Erkrankungen wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden, neurologische und psychische Erkrankungen wie Demenz oder Depression und schließlich auch Allergien und Asthma assoziiert.

Die Mikrobiota entwickelt sich bereits bei der Geburt und wird in der frühen Kindheit für das weitere Leben geprägt. Wie lange die Phase andauert, in der ein individueller mikrobiotischer Fingerprint entsteht, ist noch unklar, vermutlich irgendein Zeitraum zwischen den ersten 100 Tagen bis zu drei Jahren nach der Geburt. Wird das Zusammenspiel von menschlichem Organismus und Mikrobiom in dieser sensiblen Phase gestört, spürt der Mensch möglicherweise lebenslang Folgen. »Dabei kristallisiert sich heraus, dass kleine Kinder bestenfalls mit möglichst vielfältigen Bakterien in Kontakt kommen sollten«, erklärt Professor Dr. Erika von Mutius, Oberärztin und Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz des Dr. von Haunerschen Kinderspitals in München und Direktorin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum München. Setzt sich ihr Körper mit verschiedenen Arten von Keimen auseinander, trainiert das ihr Immunsystem. Kinder in der westlichen Welt, könnten – einer Hypothese zufolge – schlechter gerüstet ins Leben starten, da sie weniger Keimen ausgesetzt sind. Nehmen daher Allergien, Asthma oder Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose hierzulande zu?

Kuhstall und Rohmilch

Hinweisen zufolge erkranken Kinder, die auf einem traditionellen Bauernhof aufwachsen, seltener an Asthma und Allergien. Ausschlaggebend dafür könnte ein Effekt sein, den von Mutius auch als »Kuhstall-Effekt« bezeichnet. Der Schutz scheint dabei umso ausgeprägter zu sein, je traditioneller die Landwirtschaft ist. Das deutet auf eine direkte Assoziation zwischen dem Umfeld, in dem ein Kind aufwächst, und seinem Immunsystem hin.

Bei Jungen und Mädchen, die auf dem Bauernhof aufwachsen, scheinen laut Beobachtungsstudien zwei Faktoren besonders wichtig zu sein: Das sind der Aufenthalt im Stall und der Konsum der eigenen, nicht weiter verarbeiteten Kuhmilch. Wichtig ist, dass das Kind bereits kurz nach der Geburt mit diesen beiden Einflüssen in Kontakt kommt, hat die Arbeitsgruppe um von Mutius erneut bestätigt und im November in Nature Medicine publiziert. Die Prägung scheint sogar noch früher zu beginnen: So wirkt sich auf das Immunsystem auch günstig aus, wenn die Mutter während der Schwangerschaft auf einem Bauernhof gelebt und im Stall gearbeitet hat.

Auch die Art der Entbindung – vaginal oder per Kaiserschnitt – gilt als Einflussfaktor. So verhindert die Schnittentbindung, dass Milchsäurebakterien aus der Vaginalschleimhaut das Baby besiedeln. Das Kleine gerät nur mit mütterlichen Hautbakterien in Kontakt, während es bei der natürlichen Geburt die Mikroorganismen aus der Vagina und dem Verdauungstrakt der Mutter übertragen bekommt. Aber auch viele weitere mögliche Einflüsse kommen in Betracht: Macht es einen Unterschied, ob die Mutter einen heruntergefallenen Schnuller ableckt und ihn dann dem Nachwuchs wiedergibt oder den Schnuller erst desinfiziert? Ob und wie lange sie das Kind stillt oder ihm Fläschchen gibt? Was bedeutet es für das kindliche Mikrobiom, wenn bereits Babys mit Antibiotika behandelt werden? Oder entgegen vieler Vorsichtsmaßnahmen früh mit potenziell allergenen Stoffen wie Erdnüssen oder Katzenhaaren in Berührung kommen?

In der westlichen Welt wachsen Neugeborene heute in einer keimärmeren Umwelt auf als in den Jahrhunderten zuvor. So trinkt heute auch kaum noch ein Kind unverarbeitete Rohmilch, in der sich auch schädliche Bakterien befinden können. Zum Schutz wird Milch industriell verarbeitet und in der Molkerei erhitzt, um Mikroorganismen abzutöten, dann noch homogenisiert, um die Fettmoleküle gleichmäßig in der Flüssigkeit zu verteilen. Dabei gehen zwar mögliche Krankheitserreger zugrunde, der positive Effekt der Rohmilch auf das Immunsystem verschwindet aber auch. Ein Forschungsziel könnte es sein, die Milch von gefährlichen Keimen zu befreien, dabei aber ihre protektiven Wirkungen zu erhalten.

Gut belegt ist, dass das Mikrobiom mit dem Erkrankungsrisiko von Asthma zusammenhängt. So untersuchten kanadische Wissenschaftler Stuhlproben von 319 Säuglingen im Alter von drei Monaten und einem Jahr, um daraus zu schließen, wie sich ihre Darmflora zusammensetzte. In den nächsten drei Jahren beobachteten sie, ob die Kleinkinder Anzeichen für ein erhöhtes Asthma-Risiko wie Ekzeme oder ein pfeifendes Atemgeräusch entwickelten.

Sie stellten fest, dass sich Jungen und Mädchen, die später entsprechende Symptome aufwiesen, in ihrer Darmflora als Babys deutlich von Kindern unterschieden, bei denen es keine Anzeichen auf ein erhöhtes Asthma-Risiko gab. Einen besonders großen Einfluss scheinen dabei die vier Bakteriengattungen Faecalibacterium, Lachnospira, Veillonella und Rothia (nach den Anfangsbuchstaben als »FLVR« zusammengefasst) zu haben: In den Stuhlproben der Asthma-Kinder kamen diese bedeutend seltener vor, ebenso waren diese ärmer an kurzkettigen Fettsäuren (short chain fatty acids, SCFA) wie Acetat, die eine entzündliche Kaskade aufhalten können.

»Diese Stoffwechselprodukte der Darmmikroben sollen entzündungshemmend wirken und könnten nach neuen Erkenntnissen vor Asthma schützen«, informiert von Mutius. Das funktioniert, indem sie über das Blut in das Knochenmark gelangen und dort die Produktion bestimmter schützender Immunzellen anregen. Möglicherweise könnte eine gezielte Supplementation der antientzündlichen Schlüssel-Lipide oder der Bakterien, die sie herstellen, Kinder in Zukunft vor der chronischen Atemwegserkrankung schützen.

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