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Insolvenzverfahren

AvP-Deal ermöglicht Apotheken schnellere Entschädigung

Seit fast drei Jahren zieht sich das AvP-Insolvenzverfahren, die geschädigten Apotheken warten noch immer auf ihr Geld. Jetzt soll ein Vergleich wichtige offene Rechtsfragen klären und das Verfahren damit immens beschleunigen. Die Rahmenvereinbarung, die der PZ vorliegt, sieht vor, dass die Apotheken einen Teil ihrer Forderungen vor Abschluss des eigentlichen Verfahrens ausgezahlt bekommen und dafür auf etwaige Aussonderungsrechte verzichten.
Alexander Müller
14.08.2023  13:00 Uhr

Am 16. September 2020 wurde das Insolvenzverfahren zu AvP eröffnet. Die beim Rechenzentrum engagierten Banken hatten seinerzeit die Notbremse gezogen und die Kreditlinien gekündigt. In der Folge kam ans Licht, dass das Management um den früheren Inhaber Mathias Wettstein offenbar massiv in die Kassen gegriffen hatte. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren, in einem Verfahren wurde er bereits wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt. Ein weiterer beschuldigter Ex-Manager ist zwischenzeitlich verstorben.

Aus Sicht der rund 3000 betroffenen Apotheken lag der Fall klar: Die offenen Zahlungen der Krankenkassen aufgrund bereits eingereichter Rezepte stünden ihnen unmittelbar zu, sie forderten eine sogenannte Aussonderung der Beträge aus der Insolvenzmasse. In der Praxis gestaltete sich die Abwicklung der Ansprüche für InsolvenzverwalterJan-Philipp Hoos von der Düsseldorfer Kanzlei »White & Case« von Anfang an schwieriger. Denn die Buchführung bei AvP war chaotisch, zudem wurden unterschiedliche Verträge mit den Apotheken geschlossen.

Einigung auf Vergleichsentwurf

Um den gordischen Knoten zu zerschlagen, hat sich Hoos mit dem Gläubigerausschuss und dem aufseiten der Apotheken engagierten Apothekerverband Nordrhein (AVNR) auf einen Vergleichsentwurf geeinigt. Stimmt ein Großteil der betroffenen Apotheken zu, wird über einen Treuhänder vorab Geld ausgezahlt und eine Reihe von Gerichtsverfahren vermieden. Laut der Rahmenvereinbarung kommt der Vergleich zustande, wenn die Summe der Forderungen der beigetretenen Apotheken mindestens 80 Prozent der Forderungen aller beitrittsberechtigten Apotheken erreicht. Wichtig: Bei dem Vergleich geht es nur um den Teil der Forderungen, der von Aussonderungsansprüchen betroffen ist, nicht um die Gesamtforderung der Gläubiger.

Im Wesentlichen gibt es zwei verschiedene Töpfe: Rund 147 Millionen Euro aus der Rezeptabrechnung auf den Altgeschäftskonten von AvP kann Hoos den Offizinapotheken zuordnen. Laut Vergleich wird Hoos über den Treuhänder 25 Prozent an die Apotheken vorab ausschütten. Für Apotheken, die nicht teilnehmen, muss Hoos allerdings entsprechende Rückstellungen bilden. In einer Beispielrechnung mit einer Beteiligung von 90 Prozent stünden aus diesem Topf rund 125 Millionen Euro zur Verfügung. Davon würden laut Vergleich 31 Millionen an die Apotheken ausgeschüttet, knapp 94 Millionen Euro würden in die Insolvenzmasse fließen und nach etwa anderthalb Jahren an alle Gläubiger verteilt. Die Apotheken erhalten entsprechend der Quote dann erneut Geld. Eine abschließende Quotenzahlung erfolgt zum Abschluss des Verfahrens.

Der zweite Topf betrifft sogenannte Nichtzahlungsfälle, bei denen Hoos das Geld bei den Krankenkassen eingetrieben hat. Hiervon sollen die Apotheken 35 Prozent der Gelder sofort erhalten, der Rest fließt wiederum der Masse zu. Bezogen auf die Aussonderungsrechte geht es hier um etwa 85 Millionen Euro. Bei einer geschätzten Beteiligung von 90 Prozent würden abzüglich Rückstellung etwa 25 Millionen Euro an die Apotheken fließen.

Apotheken haben insgesamt rund 350 Millionen Euro angemeldet

Insgesamt haben die Apotheken wohl etwa 350 Millionen Euro zur Insolvenzmasse angemeldet. Die Rahmenvereinbarung betrifft aber nur einen Teil dieser Forderung. Kommt der Vergleich zustande, könnten die Apotheken in der Beispielrechnung 56 Millionen Euro sofort erhalten, also ungefähr 16 Prozent ihrer Gesamtforderungen. Wichtig: Der vom Vergleich nicht betroffene Teil der Forderungen der Apotheken geht nicht verloren. Sie nehmen mit dem um die Ausschüttung reduzierten Teil weiter am Insolvenzverfahren teil. Die Quotenzahlung zum Abschluss des Insolvenzverfahrens dürfte nach Schätzungen des AVNR weitere 30 Prozent der Forderungen abdecken.

Der AVNR hatte nach eigenen Berechnungen ebenfalls eine Gesamtquote von 40 bis 50 Prozent der offenen Forderungen der Apotheken ins Spiel gebracht. Diese Zahl scheint nicht unrealistisch, hängt allerdings noch an zahlreichen Faktoren. Unter anderem hat Hoos noch Anfechtungsansprüche gegen die Banken der AvP geltend gemacht.

Bis zum 9. Oktober können die Apotheken dem Vergleich beitreten. Die Zahlungen sollen dann in drei Tranchen erfolgen. Erstmals zwei Monate nach Ende der Beitrittsfrist, dann noch einmal nach vier Monaten. Hintergrund ist, dass die Krankenkassen teilweise nicht an Hoos gezahlt , sondern das Geld auf Treuhandkonten und vereinzelt bei Gerichten hinterlegt haben. Wenn der Vergleich zustande kommt, wird Hoos dieses Geld bei den Kassen einfordern. Eine dritte Zahlung aus dem Vergleich soll es zehn Monate nach Ende der Beitrittsfrist geben.

Beitritt zum Vergleich bis 9. Oktober möglich

Die Apotheken erhalten individuelle Beitrittsformulare, aus denen auch der konkrete Forderungsbetrag hervorgeht, nach dessen Höhe die Ausschüttung durch den Treuhänder bestimmt wird. Mit anderen Worten: der Betrag, mit dem die Apotheker am Ende des gesamten Insolvenzverfahrens maximal zu rechnen haben. Manche Forderungen – beispielsweise eigene Rechtsanwaltskosten der Apotheken – hat Hoos schon herausgerechnet, da für diese ohnehin keine Aussonderungsrechte bestehen. Die Apotheken können entweder zu dem vorgegebenen Betrag beitreten oder gar nicht.

Für die Tätigkeit des Treuhänders fallen einmalig 25.000 Euro als Gebühr an. Der AVNR erhält für seine »Rechts- und Steuerberatungskosten« einmalig 496.000 Euro.

Ohne Vergleich müsste die Frage der Aussonderungsrechte vor Gericht geklärt werden. In der Rahmenvereinbarung wird darauf verwiesen, dass fast alle bisherigen Klagen der Apotheken erstinstanzlich verloren gingen. Zwei Betroffene hätten zudem ihre Berufung bereits zurückgezogen, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf ihnen dies in sogenannten Hinweisbeschlüssen mangels Erfolgsaussichten nahegelegt habe. Sollten einzelne Apothekerinnen und Apotheker trotzdem eine höchstrichterliche Klärung anstreben, wäre mit einer Entscheidung wohl erst in einigen Jahren zu rechnen. Dasselbe hätte für den zwischenzeitlich angestrebten Musterprozess gegolten.

Rund 800 Apotheken als Sonderfall

Apotheken, die bereits auf Auszahlung geklagt haben, dürfen nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters am Vergleich teilnehmen – und müssen ihre Klage selbstverständlich zurücknehmen. Ist bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen, ist ein Beitritt zum Vergleich ausgeschlossen.

Einen Sonderfall bilden die rund 800 Apotheken, die im September 2020 noch Geld von AvP erhalten haben. Hoos sieht hier nach externer Prüfung Anhaltspunkte für Anfechtungsansprüche, strebt jedoch einen Vergleich an. Dieser soll die Aussonderungsrechte einerseits und die Anfechtung andererseits abdecken.

Ziel des Vergleichs ist eine Einigung über die Aussonderungsrechte. Die Apotheken bekommen einen Anteil an diesen Forderungen direkt ausgezahlt, verzichten im Gegenzug aber vollständig auf die Aussonderungsrechte. Damit soll eine deutlich frühere Zahlung an alle Gläubiger erreicht werden.

 

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