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ABDA-Präsident

»Es geht um viel mehr!«

21.12.2016  08:56 Uhr

Von Daniel Rücker und Ev Tebroke, Berlin / Friedemann Schmidt leitet ab Januar 2017 für weitere vier Jahre die Geschicke der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Im Gespräch mit der PZ nennt er seine wichtigsten Ziele und ­Herausforderungen für die zweite Amtszeit.

PZ: Herr Schmidt, im Januar beginnt Ihre zweite Amtszeit als ABDA-Präsident. Inwiefern unterscheidet sich der Januar 2017 vom Januar 2013?

Schmidt: In der Zwischenzeit hat sich viel verändert. Wir hatten uns 2013 eine ganze Reihe von Zielen in unterschiedlichen Bereichen gesetzt. Viele davon haben wir umgesetzt oder auf einen guten Weg gebracht. Aber es bleibt auch noch viel zu tun.

 

PZ: Welches Thema werden Sie 2017 als Erstes angehen.

 

Schmidt: Aktuell ist das Wichtigste, die EuGH-Problematik für uns zu einem guten Ende zu bringen. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten das Gesetzgebungsverfahren des Bundesgesundheitsministers unterstützen. Darüber hinaus steht Ende Februar eine Klausurtagung mit dem Gesamtvorstand an, um die strategischen Leitplanken und Erwartungen für die nächsten vier Jahre gemeinsam festzulegen. Einen berufspolitischen Schwerpunkt werde ich auf die europäische Ebene legen. Im Zusammenhang mit dem EuGH-Verfahren hat sich einmal mehr gezeigt, wie verletzlich unser Gesundheitssystem in Deutschland ist. Vor allem wenn es um Deregulierungsbestrebungen der EU-Kommission geht, etwa bei den Berufsausübungs- und Berufszulassungsregeln.

 

PZ: Die SPD zögert bislang, das von CDU und den Linken gewünschte Rx-Versandverbot zu unterstützen. Wie sehen Sie die Chancen, die SPD zu überzeugen?

 

Schmidt: Die Koalition hat in der zurückliegenden Zeit ihre Konsensfähigkeit öfter bewiesen, zuletzt im Rahmen des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes beim Thema Erstattungsbeträge. Ich gehe davon aus, dass auch in unserem Fall ein Konsens gelingen wird. Es gibt bei der SPD noch keine gefestigte Position, nur eine Reihe von unkonkreten Vorschlägen. Der Gesundheitsminister hat angekündigt, bei den Bundestagsfraktionen für seine Positionen werben zu wollen. Ich glaube, dass er das mit Erfolg tun wird. Ich setze darauf, dass er sein Vorhaben konsequent weiter verfolgt.

 

PZ: Aufgrund der Bundestagswahl ist der Zeitraum für das Gesetzgebungsverfahren begrenzt. Könnte das ein Problem werden?

 

Schmidt: Wir können keine schnelle Umsetzung erwarten. Das Gesetz muss in das sogenannte EU-Notifizierungsverfahren eingebracht, also nach bestimmten Regeln bei der EU-Kommission angemeldet und geprüft werden. Das kann das Gesetzgebungsverfahren um bis zu sechs Monate verzögern. Bis zum Sommer muss das Gesetz abgestimmt sein. Der Minister muss die Regierungsfraktionen auf seiner Seite haben – die Länder sind schon mehrheitlich für ein solches Gesetz – damit das Gesetzgebungsverfahren bis dahin abgeschlossen werden kann.

 

PZ: Falls es nicht klappt, welche alternativen Pläne gibt es?

 

Schmidt: Natürlich haben wir uns mit den anderen öffentlich diskutierten Vorschlägen beschäftigt. Das sind alles Ideen, die entweder am Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung beziehungsweise am SGB V oder am Honorierungssystem der Apotheke ansetzen – wie etwa der Ansatz von Karl Lauterbach.

Es gibt aber keine Alternative zum Rx-Versandverbot, die schnell umsetzbar wäre und das Problem konsequent löst. Nehmen wir die Idee, über das SGB V Hebel zur Patientensteuerung herauszunehmen, indem man Boni untersagt oder einschränkt. Sie hat zwei erhebliche Nachteile: Erstens bedeutet sie, dass man das EuGH-Urteil hinnimmt. Zweitens führt sie zu einer Zweiteilung der Arzneimittelversorgung: In der Gesetzlichen Krankenversicherung wären Boni verboten, in der PKV beziehungsweise bei Privatzahlern aber nicht. Das ist keine konsequente Lösung. Konsequent ist der Lösungsweg, den der Gesundheitsminister anstrebt.

 

PZ: Wenn es aber nicht zum Rx-Versandverbot käme, welche Alternativ-Lösung wäre Ihr Favorit?

 

Schmidt: Die Chance, dass das Verbot durchkommt, ist groß. Ich sehe deshalb keinen Anlass, andere Vorgehensweisen auszuwählen. Sie haben alle erhebliche Nachteile.

 

PZ: Um auch Patienten auf die Folgen des EuGH-Urteils hinzuweisen, hat die ABDA aktuell eine Unterschriftenkampagne gestartet. Kritiker monieren eine antieuropäische Stimmungsmache. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

 

Schmidt: Den Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Wir stehen hinter der EU als europäisches Friedens- und Wohlstandsprojekt. Unsere Kritik richtet sich lediglich gezielt auf eine konkrete Fehlentwicklung innerhalb der EU: Die zunehmende Einflussnahme europäischer Institutionen auf unser Gesundheitssystem, dessen Regulierung nach den Europäischen Verträgen den Mitgliedstaaten vorbehalten sein soll. Die Unterschriften-Kampagne soll in den Apotheken zu Gesprächen zwischen Apotheken-Teams und Patienten anregen – über den Wert der wohnortnahen Versorgung und den Wert der speziellen Regelungen zur Arzneimittelversorgung in Deutschland. Die durchaus provokante Formulierung auf dem Unterschriftenbogen dient als Diskussionsanlass. Doch das ist nur ein Teil der Kampagne. Es gibt auch Gesprächshilfen für die Apotheke, die dabei unterstützen, den Sachverhalt zu erläutern.

 

PZ: Wie ist die Resonanz der Apotheken auf die Kampagne?

 

Schmidt: Überwiegend positiv. Es gibt viele Apotheken, die schon jetzt Aktionspakete nachbestellen. Dabei ist die bundesweite Belieferung gerade erst angelaufen. Auch seitens der Politik gab es schon viel Resonanz. Bereits mit unserer Postkarten-Aktion im November haben wir viele aufgeweckt. Nicht allen gefällt, was wir machen. Aber das ist auch nicht der Sinn der Sache. Die Politik soll merken, dass wir bereit sind, für unser Anliegen zu kämpfen.

 

PZ: Gesetzt den Fall, es klappt nicht mit dem Rx-Versandverbot. Was dann? Was bedeutet das für die Apotheken?

 

Schmidt: Von den drei Säulen auf denen die Arzneimittelversorgung in Deutschland fußt – Fremd- und Mehrbesitzverbot, weitgehende Apothekenpflicht und einheitlicher Abgabepreis – wäre eine Säule angesägt. Es geht um die generelle Auswirkung auf die besondere Ware Arzneimittel. Wie nehmen die Menschen das wahr: Als Konsumgut? Die Trivialisierung, wie wir sie bereits im OTC-Bereich durch die Preisfreigabe mit Schnäppchenaktionen und Ähnlichem erleben, würde auf den Rx-Bereich ausstrahlen. Da würden wir auch als Berufsstand Schaden nehmen. Unser Standing hängt schließlich auch davon ab, wie ein Arzneimittel in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Zudem würden wir eine Situation hinnehmen, die die gesamte Regulatorik im Gesundheitswesen, auch im ärztlichen Bereich, beschädigen würde. Denn mit dem Tenor des EuGH-Urteils würde man weitere Entscheidungen erzwingen können, die andere Regulierungsinstrumente betreffen. Das ganze System geriete auf die schiefe Bahn. Es geht um viel mehr, als um 2 Euro Rabatt bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Da muss eine Grenze gesetzt werden: Jetzt ist genug! Und dazu ist Minister Gröhe offenbar bereit. Ich möchte mich mit diesen Szenarien aber nicht beschäftigen. Wir haben nicht umsonst in den Jahren 2004 bis 2012 darum gekämpft, Boni-Systeme abzuschaffen und den Preiswettbewerb nicht ins deutsche System zu lassen.

 

PZ: Welche Ziele haben Sie jenseits des EuGH-Urteils in Ihrer Amtszeit?

 

Schmidt: Neben einem verstärkten Einsatz auf EU-Ebene möchte ich die im Perspektivpapier festgelegten Ziele weiter voranbringen: Weiterentwicklung des apothekerlichen Leistungsportfolios, Planungssicherheit bei der Basisvergütung und darauf aufbauend die Entwicklung einer tragfähigen Dienstleistungsvergütung. Die Ausbildungsreform muss weitergehen, die flächendeckende Versorgung gilt es im Zuge des demografischen Wandels zu sichern. Zudem möchte ich, dass die ABDA weiterhin als verlässlicher und vertrauenswürdiger Gesprächspartner in der Gesundheitspolitik wahrgenommen wird.

 

PZ: Wird es anlässlich der Bundestagswahl 2017 wieder intensive Wahlkreisarbeit geben?

 

Schmidt: Auf jeden Fall. Unsere Wirksamkeit in den Wahlkreisen ist ein großes Pfund. Sie ist wichtig, weil man die tatsächliche Versorgungssituation am besten vor Ort erlebt. Deshalb möchten wir die Abgeordneten und Kandidaten vor Ort mit den Gegebenheiten in der Apotheke vertraut machen. In Kooperation mit den anderen Heilberufen, den Ärzten und Zahnärzten, wollen wir zudem die Parteien gemeinsam ansprechen. Ziel ist, den Politikern die Relevanz der Freiberufler vor Augen führen. /

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