Pharmazeutische Zeitung online
Glosse

Chronisch blau

09.12.2015  09:21 Uhr

Von Daniel Rücker / Was haben kleine Kinder und Politiker gemein? Je später der Abend desto hartnäckiger ignorieren sie die Zeichen nachlassender kognitiver Fähigkeiten. Selbst- und Fremdwahrnehmung driften mit steigender Geschwindigkeit immer weiter auseinander. Ähnlich einem Betrunkenen überspielen sie den nicht mehr zu übersehenen physiologischen Abbau ihres Organismus.

Bei Kindern ist dies zwar nervig, aber zumindest für die Anwesenden ungefährlich. Bei Politikern kann das Verhalten fatale Konsequenzen haben. Wenn etwa die Staatschefs Merkel, Putin, Hollande und Poroschenko 17 Stunden über die Ukrainekrise diskutieren, dann muss kein Wein mehr gereicht werden. Chronischer Schlafmangel habe dieselbe Wirkung auf Menschen wie ein Promille Alkohol im Blut, sagen Wissenschaftler. Wegen der Ukrainekrise, der Griechenlandrettung und den zu uns kommenden Flüchtlingen werden wir seit über einem Jahr von einer Clique chronisch blauer Entscheider regiert.

Natürlich ist es gut, wenn Menschen miteinander verhandeln. Es liegt aber auf der Hand, dass die Länge solcher Verhandlungen keine Rückschlüsse auf die Qualität des Ergebnisses zulässt. Die Älteren unter unseren Lesern werden sich an »eine der schöneren Nächte« von Horst Seehofer (CSU) mit der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) aus dem Jahr 2003 erinnern. Es kam damals nicht zum Äußersten, aber auch sonst war das Ergebnis unbefriedigend. Die damaligen Koalitionspartner Schmidt und Seehofer verständigten sich unter anderem auf das GKV-Modernisierungsgesetz und damit auf die Ausgrenzung der OTC-Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit sowie die Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie die Geschichte ausgegangen wäre, hätten sich die beiden Protagonisten mittags in einem schönen Berliner Café getroffen. Schlechter als der damals vereinbarte Kompromiss wäre das Ergebnis auch nicht gewesen.

 

Bis hierhin ist die Sache schon ziemlich unerfreulich, es kommt aber noch schlimmer. Ähnlich wie Alkohol hinterlässt auch Schlafmangel langfristig seine Spuren im Cortex. Das Gehirn vergisst nicht. Menschen mit zu wenig Schlaf haben häufiger Depressionen, Neuronen sterben ab, psychische Probleme drohen, Demenzerkrankungen werden wahrscheinlicher. Wissenschaftler haben zudem in 711 Genen Veränderungen gefunden, die sie auf Schlafmangel zurückführen.

 

Darunter leidet nicht nur das Gehirn, sondern der gesamte Mensch. Chronische Bettflucht macht dumm und dick. Schlafmangel lässt die Spiegel der Hormone Leptin und Ghrelin sinken und den Hunger der Schlafagnostiker steigen. Adipositas, Tumorerkrankungen, Bluthochdruck und Magen-Darm-Erkrankungen sind weitere unschöne Begleiter der Schlafverweigerung.

 

Eigentlich ist der Sachverhalt mit dieser Analyse ausreichend dargestellt. Was fehlt, ist die Bereitschaft, das Problem zu lösen. Ganz eindeutig ist beim Thema Schlaf die Wissenschaft deutlich weiter als die Gesellschaft. Wir nehmen die Irrungen unserer Volksvertreter mit einer unangemessenen Gleichgültigkeit hin. Spätpubertäre Äußerungen von Mandatsträgern wie »Ich brauche höchstens vier Stunden Schlaf« bleiben folgenlos. Und noch schlimmer: Wenn am Ende einer langen Verhandlung ein Ergebnis nur deshalb zustande kommt, weil alle Politiker bis auf einen nicht mehr Herr ihrer Sinne oder schon vor Stunden eingeschlafen sind, dann sind Zweifel an der Qualität der vermeintlichen Einigung von Defätismus ziemlich weit entfernt. Die Frage, inwieweit dies noch eine Spielart der Demokratie ist, sollte erst gar nicht gestellt werden. Vom Schlafentzug chronisch blaue Volksvertreter sind keine vertrauenserweckende Subgruppe unserer Gesellschaft. Im Gegenteil, sie sind untragbar. Wir müssen umkehren. Der vor Müdigkeit taumelnde, seiner Selbstreflektion bereits beraubte Haudegen darf nicht unser Vorbild sein. Was wir brauchen sind ausgeschlafene, empathische, analytisch denkende Politiker. Menschen, die dann denken, wenn sie ausgeschlafen sind und nicht dann schlafen, wenn sie denken sollen. Aber das bleibt wohl ein Traum. /

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