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Risikoaufklärung

Seliges Nichtwissen? Fehlanzeige!

06.12.2011  13:24 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Wollen Menschen wirklich wissen, ob sie später einmal unheilbar erkranken werden? Spontan würde man diese Frage vermutlich mit Nein beantworten. Die Wirklichkeit sieht anders aus, wie eine US-Studie zeigt.

Jeder Patient hat das Recht, von seinem Arzt über seinen Gesundheits­zustand aufgeklärt zu werden. Dieser Grundsatz eines modernen Arzt-Patienten-Verhältnisses war vor noch gar nicht allzu langer Zeit keine Selbstverständlichkeit. Mittlerweile gilt die Autorität der »Halbgötter in Weiß« jedoch nicht mehr als unantastbar. Der mündige Patient will heute über seine Diagnose und Prognose Bescheid wissen und an der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapieoption beteiligt werden.

 

Viele wollen Bescheid wissen

 

Ob das auch für zukunftsgerichtete Informationen gilt, ist unter Experten umstritten. Es ist zu befürchten, dass die Vorhersage einer schwerwiegenden Erkrankung beim Betroffenen Ängste und Depressionen, vielleicht auch ein risikoreiches Verhalten auslöst. »Die meisten wollen aber diese Information, selbst wenn die Krankheit, um die es geht, nicht heilbar ist«, sagte Dr. Robert Green vom US-amerikanischen Harvard-Partners Center for Personalized Genetic Medicine bei einem Symposium des Robert-Koch-Instituts in Berlin.

Green hat sich in einer groß angeleg­ten Untersuchung mit dem Verhalten von Menschen befasst, denen ihr anhand einer Genanalyse ermitteltes persönliches Alzheimer-Risiko mitgeteilt worden war. Die Alzheimer-Demenz eignet sich laut Green als Modellerkrankung für eine solche Studie, da sie nicht heilbar ist und generell als sehr bedrohlich empfunden wird. Zudem lässt sich das individuelle Erkrankungsrisiko anhand des genetischen Markers Apolipoprotein E4 (ApoE4) mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen: ApoE4- positiv bedeutet ein hohes Alzheimer-Risiko, ApoE4-negativ ein niedriges.

 

An der Reveal-Studie (Risk Evaluation and Education for Alzheimer’s disease) nahmen 162 Freiwillige teil, die Green und sein Team in zwei Gruppen aufteilten. Jeder Teilnehmer wurde von den Wissenschaftlern darüber aufgeklärt, wie hoch unter Berücksichtigung seines Geschlechts und seiner Fami­lienanamnese sein statistisches Risiko ist, eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln. Ein Teil der Probanden erfuhr darüber hinaus auch seinen ApoE4-Status. Um zu erfassen, wie sich diese Informationen auf das Verhalten der Teilnehmer auswirkten, wurden diese nach sechs Wochen, sechs Monaten und einem Jahr erneut interviewt.

 

Entgegen den Erwartungen der Forscher erhöhte das Wissen um ihr stark erhöhtes Alzheimer-Risiko bei den Probanden, die erfahren hatten, dass sie ApoE4-positiv waren, nicht nennenswert Angst, Unruhe und depressive Symp­tome, weder im Vergleich zu den Teilnehmern, die über ihren ApoE4-Status im Unklaren waren, noch zu informierten ApoE4-negativen Probanden.

Dennoch war es ihnen wichtig, über ihr Alzheimer-Risiko Bescheid zu wissen: Nahezu alle Studienteilnehmer beantworteten die Frage, ob sie eine individuelle Risikoabschätzung erneut vornehmen lassen würden, mit Ja. »Einige waren sogar so enttäuscht darüber, in die Gruppe ohne Aufklärung über den ApoE4-Status randomisiert worden zu sein, dass sie nur unter der Bedingung weiter an der Studie teilnahmen, dass wir ihnen hinterher das Ergebnis ihrer Genanalyse mitteilen«, berichtete Green.

 

Trotz des geringen Einflusses auf die Stimmung änderten viele Probanden ihr Verhalten, nachdem sie über ihr persönliches Alzheimer-Risiko informiert worden waren. Ein Jahr nach Studienbeginn lebte mehr als die Hälfte der ApoE4-positiven Teilnehmer gesünder als zuvor. Sie trieben mehr Sport und nahmen häufiger Vitamine oder Ginkgo-Präparate ein.

 

Auch in den anderen Gruppen stellten Probanden ihren Lebensstil zum Besseren um, jedoch deutlich seltener. Dass die ApoE4-positiven Teilnehmer Konsequenzen aus dem Wissen um ihr erhöhtes Alzheimer-Risiko zogen, zeigte sich auch daran, dass sie vermehrt private Gesundheits- oder Zusatzversicherungen für Langzeitpflege abschlossen.

 

Frappierend war für Green jedoch ein weiteres Ergebnis der Reveal-Studie: Die wissenschaftlich fundierte Information über die Höhe des Erkrankungsrisikos änderte nur in der Hälfte der Fälle die persönliche Einschätzung des Risikos durch die Probanden. »Auch wenn sie das, was wir ihnen erzählt hatten, korrekt wiedergeben konnten, glaubten sie es einfach nicht«, berichtete der Referent. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, warum das theoretische Wissen um ihr hohes Alzheimer-Risiko die Betroffenen nicht noch mehr deprimierte. / 

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