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Arzneimittelkommission

Arzneimitteltherapie sicherer machen

23.11.2010  16:18 Uhr

Von Conny Becker, Berlin / Arzneimittelbezogene Probleme wie Interaktionen oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen sollten so weit wie möglich vermieden werden. Dafür setzt sich die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) ein und baut dabei auf eine weiterhin steigende Wachsamkeit in den Apotheken.

Dass nicht alle Arzneimittel licht- und luftstabil genug sind, um in Wochendosiersystemen gestellt zu werden; dass die European Medicines Agency (EMA) Fibrate verglichen mit Statinen als Lipidsenker der zweiten Wahl eingestuft hat; oder dass Ketoprofen-haltige topische Arzneimittel Photosensitivitätsreaktionen hervorrufen können: Dies sind nur einige Beispiele der praxisrelevanten Mitteilungen der AMK. Die Informationsvermittlung zu Arzneimittelrisiken, unter anderem über die AMK-Nachrichten, ist eine zentrale Aufgabe der Arzneimittelkommission, für die sie auf die Unterstützung der Apotheker in der Praxis angewiesen ist. Seit der letzten AMK-Sitzung im März 2010 seien insgesamt 240 AMK-Nachrichten generiert worden, berichtete Dr. Sonja Frölich, Leiterin der AMK-Geschäftsstelle in Eschborn, auf einer Sitzung der AMK in Berlin.

Dabei handelte es sich um verkürzte Presseinformationen der EMA, Rote-Hand-Briefe oder eigens verfasste Nachrichten, die auf der Basis von Meldungen von Apothekern entstanden sind. Zudem seien etliche Chargenrück­rufe durch Einsendungen aus öffentli­chen Apotheken initiiert worden. Gene­rell haben sich die Apothekerinnen und Apotheker in 2010 noch stärker in der Pharmakovigilanz engagiert als zuvor: In den ersten drei Quartalen waren 52 Prozent mehr (Verdachts-)Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) eingegangen als im Vorjahres­zeitraum, sagte der AMK-Vorsitzende Professor Dr. Martin Schulz: »Die Entwicklung ist sehr erfreulich.« Damit komme man dem gesetzten Ziel der Intensivierung der Meldung von Arzneimittelrisiken einen großen Schritt näher.

 

Medikationsfehler melden

 

Mit den neuen EU-einheitlichen Vorschriften zur Überwachung von Arzneimitteln nach der Zulassung, kurz: der Pharmakovigilanz-Richtlinie, erhält das Meldesystem noch weiteres Potenzial, so Schulz. Gemeldet werden sollten nämlich auch Medikationsfehler, wenn diese zu UAW geführt haben. Diese Richtlinie soll hierzulande in enger Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft umgesetzt werden. Hierbei ginge es keinesfalls darum, Ärzte oder Apotheker an den Pranger zu stellen, vielmehr müssen die Meldungen anonymisiert bearbeitet werden.

Bedenkliche Rezepturarzneimittel

Nach Todesfällen aufgrund von Schlankheitsrezepturen hatte die AMK 2001 erstmals die Liste »Bedenklicher Rezepturarzneimittel« publiziert, die stetig aktualisiert wird. Wie Dr. Petra Zagermann-Muncke berichtete, sollen in der nächsten Aktualisierung Bufexamac, dessen Zulassung widerufen wurde, Schöllkraut, das nun nicht mehr in Rezepturen verwendet werden darf, und Asarum, dessen Zulassung das BfArM ebenfalls widerrufen hat, aufgenommen werden. Betont werden sollte zudem, dass die Liste für Human- und nicht für Tierarzneimittel gilt.

Denkbar sei, dass künftig auch der Aspekt »Medikationsfehler« in den Meldebogen zu UAW implementiert wird. Wichtig ist aber nicht die Meldung als solche, sondern die Schlussfolgerungen und Lehren, die aus Medikationsfehlern und Beinahefehlern resultieren, um diese zukünftig zu vermeiden. Konsens in der Diskussion war, dass Ärzte und Apotheker hier unbedingt zusammenarbeiten müssen.

 

Alle UAW-Meldungen werden von der AMK an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beziehungsweise an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weitergeleitet. Der Informationsfluss in die andere Richtung sei noch verbesserungswürdig. Das System des Rückrufs gelte aber bei den Institutionen als sehr gut und würde gern angenommen: Schließlich können Arzneimittel innerhalb weniger Stunden in 21 500 Apotheken zurückgerufen werden.

 

UAW in Heimen vermeiden

 

»Alten- und Pflegeheime sind hinsichtlich Arzneimittelrisiken eine immense Baustelle«, sagte Professor Dr. Ulrich Jaehde vom Fach Klinische Pharmazie der Universität Bonn. Dies sei auch von der Gesundheitspolitik wahrgenommen worden, die die Forschung in diesem Bereich unterstützt (siehe »Aktionsplan 2008/2009 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)« und deren Fortentwicklung »2010-2012« unter www.bmg.bund.de). Der Pharmazeut berichtete den AMK-Mitgliedern vom aktuellen Stand des Projekts AMTS in Alten- und Pflegeheimen, das zusammen mit der Universität Witten/Herdecke sowie dem BMG initiiert wurde und nahezu 800 Patienten in elf stationären Alteneinrichtungen umfasst. Ziel des Projekts war eine deskriptive Erhebung von Arzneimittelbezogenen Problemen, insbesondere UAW, sowie entsprechend einzuleitende Maßnahmen.

Dazu wurde zunächst das Pflegeperso­nal mittels eines Fragebogens befragt, worauf eine einwöchige Begehung durch zwei Klinische Pharmazeutinnen folgte, die zudem die Akten des vergangenen Monats auswerteten. Eine Zusammen­stel­lung ergab, dass vor allem die Kommunikation zwischen den Akteuren (Altenheim, Krankenhaus, Apotheken, Haus- und Fachärzte) unzureichend war, wie auch die Dokumentation in den Altenheimen. Applikationsfehler kamen häufig vor, etwa bei der Verabreichung von Arzneimitteln über PEG-Sonden, zudem stellte sich die Therapiebeobach­tung durch Laborwerte oder Blutdruck­messungen wie auch die Dosisan­pas­sung bei Polymedikation als unzurei­chend heraus, so Jaehde. »Neurolepti­ka wurden zum Teil trotz Kontraindikationen sehr hoch dosiert und untereinander kombiniert«, kritisierte der Pharmazeut. Insgesamt seien fast 60 Prozent der UAW vermeidbar gewesen. Bei den betreffenden Substanzen handelte es sich meist um »die üblichen Verdächtigen« aus der Priscus-Liste wie Neuroleptika oder Arzneimittel, die das kardiovaskuläre System beeinflussen.

 

Als Hilfestellung organisierten die Initiatoren einen Workshop und entwickelten Schulungsmaßnahmen für AMTS-Pfleger und -Apotheker, Fortbildungen für Ärzte und eine AMTS-Merkkarte für die Kitteltasche, die die wichtigsten zu klärenden Symptome ebenso beinhaltet wie eine Liste von Medikamenten, die eine hohe Nebenwirkungsrate aufweisen oder ein besonderes Monitoring erfordern. Insgesamt gehe es um eine Sensibilisierung für die Problematik von UAW als eine der Hauptursachen von Neuerkrankungen in Altenheimen, gezielte Schulungsmaßnahmen, eine strukturierte Basisdokumentation sowie ein zwischen den Heilberuflern koordiniertes Handeln und gegebenenfalls Intervenieren. Die Heimleitungen seien inzwischen auch immer mehr an entsprechenden Projekten interessiert, nicht zuletzt, um gegen das in den Medien häufiger transportierte negative Bild anzugehen. / 

Neue Meldebögen

In diesem Sommer hat die AMK ihren Berichtsbogen zu UAW-Meldungen optimiert, der seit der 40. Kalenderwoche als Online-Formular im Einsatz ist. Die mittlerweile 321 Referenz­apotheken der AMK wurden in einer Online-Umfrage zum Entwurf eines Berichtsbogens bei Verdacht auf Qualitätsmängel bei Arzneimitteln befragt, berichtete Frölich. Der Entwurf habe überwiegend positive Kommentare erhalten und sei auf große Akzeptanz gestoßen. Die Fertigstellung des Bogens ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Er wird ähnlich dem Meldebogen für UAW als PDF- und Online-Formular auf der AMK-Homepage verfügbar sein.

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