Alles kommt in die Tüte |
12.11.2013 17:54 Uhr |
Eine Methode zur strukturierten Erfassung der gesamten Medikation eines Patienten ist das sogenannte Brown-Bag-Verfahren. Dirk Klintworth, Referent im Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA, stellte es in einem Seminar vor.
Klintworth berichtete, dass die Methode 1982 in den USA entwickelt wurde. Den Patienten wurden damals braune Papiertüten überreicht, in denen sie alle zu Hause vorrätigen Arzneimittelpackungen und auch Nahrungsergänzungsmittel zu einem vorab vereinbarten Termin in die Apotheke bringen sollten.
»Mittlerweile ist das Brown-Bag-Review in den USA, Kanada und Großbritannien, aber auch in Portugal und Dänemark eine etablierte und bezahlte Dienstleistung«, so Klintworth. Sie stelle einen geeigneten Einstieg in das Medikationsmanagement nach Apothekenbetriebsordnung dar. Von der Brown-Bag-Erfassung profitieren laut Klintworth besonders ältere, multimorbide Patienten, die dauerhaft fünf oder mehr Arzneimittel einnehmen. »Diese Patienten sind mit ihrem Medikations-Review oft überfordert.« Insbesondere ein hohes Alter sei mit Polypharmazie assoziiert. Im Jahr 2010 seien 57 Prozent des verordneten Gesamtvolumens auf GKV-Versicherte ab 65 Jahre entfallen, obwohl diese Gruppe nur 22 Prozent der Gesamtpopulation ausmachte. Innerhalb eines Quartals seien Patienten in dieser Gruppe durchschnittlich 4,6 verschiedene Wirkstoffe verordnet worden. Mit der Zahl der verordneten Wirkstoffe steige einerseits das Risiko von Wechselwirkungen, andererseits sinke die Therapietreue. »Nebenwirkungen und Verträglichkeitsprobleme führen zum Teil zur Verordnung weiterer Wirkstoffe«, so Klintworth. Häufig liege kein akkurater und kontinuierlich gepflegter Medikationsplan vor. Der Überblick über die Gesamtmedikation gehe so verloren.
Die Gesamtmedikation statt mit der Brown-Bag-Methode mit der Kundenkarte zu erfassen, sei keine Alternative. Die auf der Kundenkarte gespeicherten Informationen seien häufig lückenhaft. So hätten manche Kunden mehrere Stammapotheken. Nahrungsergänzungsmittel würden häufig aus anderen Quellen als der Apotheke bezogen. Die Brown-Bag-Erfassung liefere zudem zusätzliche Daten über die Lagerung oder den Verfall von Medikamenten.
Der Zeitaufwand für die Ersterfassung liegt Klintworth zufolge bei 45 bis 60 Minuten inklusive Dokumentation. »Die vereinbarten Termine zur Brown-Bag-Erfassung sollten außerhalb der Hauptumsatzzeiten liegen«, riet der Referent. Der Terminplan sollte von allen Mitarbeitern einsehbar und zum Termin mehr als ein Apotheker im Dienst sein.
Die entstandene Medikationsliste müsse zunächst mithilfe der Software auf Interaktionen geprüft werden. Doppelverordnungen, potenzielle Risiken, Hinweise auf Fehl- und Vielgebrauch müsse anschließend der Apotheker identifizieren.
»Für die gegebenenfalls anschließende Kommunikation mit dem Arzt ist großes Fingerspitzengefühl erforderlich«, so Klintworth. Kommentare sollten niemals als Anklage, sondern stets als Frage formuliert werden. Bewährt habe sich die schriftliche Kommunikation, die einen Lösungsvorschlag enthält. Stets sei genau abzuwägen, welche Informationen der Patient direkt erhält und wann die Informationsvermittelung am besten dem Arzt überlassen wird.