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Simvastatin und Lovastatin

Bei Dabigatran Austausch erwägen

Datum 25.10.2017  09:18 Uhr

Von Jane Schröder / Die Interaktion zwischen Dabigatran und Simvastatin oder Lovastatin ist bislang nicht ausreichend ­untersucht. Daher sollte je nach klinischer Situation im Einzelfall entschieden werden. ­Sicherheitshalber kann eine Umstellung auf ein anderes ­Statin oder eine engmaschige Überwachung auf ­Anzeichen von ­Blutungen empfohlen werden.

Der orale Thrombinhemmer Dabigatran (Pradaxa®) wird eingesetzt zur Prävention thromboembolischer Ereignisse bei Patienten nach Hüft- oder Kniegelenkersatz und von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern sowie zur Behandlung und Prävention von Venenthrombosen und Lungenembolien. Der Arzneistoff wird in Form des Prodrugs Dabigatranetexilat verabreicht, das in der Leber und im Plasma mittels Esterase-katalysierter Hydrolyse in seine aktive Wirkform umgewandelt wird. Zudem ist Dabigatranetexilat ein Substrat des Effluxtransporters P-Glyko­protein, sodass bei gleichzeitiger Anwendung von P-Glykoproteinhemmern eine erhöhte Dabigatran-Plasmakonzentration zu erwarten ist (1).

 

Relevanz unbekannt

Statine gehören zu der weltweit am häufigsten eingesetzten Arzneimittelgruppe. Sie blockieren die HMG-CoA-Reduktase, die wesentlich an der Biosynthese des Cholesterins beteiligt ist. Statine werden eingesetzt zur Behandlung der primären oder kombinierten Hyperlipidämie, homozygoten familiären Hypercholesterinämie sowie zur kardiovaskulären Sekundär- und Primärprävention (letzteres nur bei hohem kardiovaskulärem Risiko). Derzeit sind auf dem deutschen Markt die Wirkstoffe Simvastatin, Pravastatin, Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pitavastatin und Rosuvastatin verfügbar.

 

In-vitro-Daten deuten darauf hin, dass Simvastatin und Lovastatin (beides Laktonderivate) anders als andere Statine sowohl den Effluxtransporter P-Glykoprotein als auch die Esterase, die zur Aktivierung von Dabigatranetexilat notwendig ist, hemmen. Durch die Inhibition von P-Glykoprotein besteht potenziell die Gefahr erhöhter Dabigatran-Plasmaspiegel und somit von Blutungen. Auf der anderen Seite könnte die Hemmung der Esterase zu erniedrigten Spiegeln des aktiven Dabigatrans führen und somit zu einer verminderten Wirksamkeit (2).

 

Ob tatsächlich eine klinisch relevante Wechselwirkung zwischen Simva­statin beziehungsweise Lovastatin und Dabigatranetexilat vorliegt und welche Auswirkungen diese für Patienten haben könnte, ist bislang unklar. Eine kanadische Forschergruppe untersuchte daher im Rahmen von zwei Fall-Kon­troll-Studien bei älteren Patienten (≥ 66 Jahre), die Dabigatranetexilat zur Prävention von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern einnahmen, welchen Effekt die gleichzeitige Einnahme von Statinen hat. Innerhalb der untersuchten Gruppe von 45 991 Patienten mit Dabigatranetexilat und Statin-Einnahme traten 397 ischämische Schlaganfälle und 1117 Fälle von schweren Blutungen auf. Die Einnahme von Simva­statin oder Lovastatin war nicht mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Schlaganfalls verbunden. Allerding war das Risiko für schwere Blutungen bei gleichzeitiger Therapie von Dabigatranetexilat mit Simvastatin oder Lovastatin erhöht (2).

 

Dürftige Datenlage

 

Die Aussagekraft von Fall-Kontroll-­Studien ist per se eingeschränkt. Hauptschwierigkeit bei dieser Art von Studien ist die Auswahl der Kontrollen, denn davon hängt letztendlich das Gesamtergebnis ab. Zudem sind noch Fragen bezüglich des Interaktionsmechanismus offen. Die Annahme, Simvastatin und Lovastatin sind Hemmer von P-Glykoprotein, beruht lediglich auf In-vitro-Daten und wurde noch nicht in klinisch-pharmakologischen Studien bestätigt (3). Die wenigen zur Verfügung stehenden In-vivo-Daten deuten eher darauf hin, dass die Hemmung von P-Glykoprotein durch Simvastatin und Lovastatin klinisch nicht relevant ist (4). Die Interaktion zwischen Dabigatranetexilat und Simvastatin beziehungsweise Lovastatin ist insgesamt nicht ausreichend untersucht. Außer den Fall-Kontroll-Studien der kanadischen Forschergruppe wurden keine weiteren klinischen Studien veröffentlicht, die eine klinisch relevante Interaktion bestätigen (3). In der Fachinformation des Arzneimittels Pradaxa finden sich derzeit keine Informationen oder verbindlichen Empfehlungen bezüglich der Interaktion (1).

 

Nach derzeitigem Stand wird die Interaktion zwischen Dabigatran und Simvastatin beziehungsweise Lovastatin weder in der ABDA-Datenbank noch in der britischen Interaktionsdatenbank Stockley’s® Drug Interactions aufgeführt (5, 6). Die amerikanische Interaktionsdatenbank Lexicomp® Drug Interactions verzeichnet die Interaktion, weist jedoch darauf hin, dass der Mechanismus der Interaktion nicht ausreichend geklärt ist. Es wird empfohlen bei Patienten, die Dabigatranetexilat einnehmen und ein Statin benötigen, nach Möglichkeit auf ein alternatives Statin auszuweichen. Andernfalls sollte eine engmaschige Überwachung der Patienten auf Anzeichen von Blutungen erfolgen (3). Als Alternativen können zum Beispiel Atorvastatin oder Pravastatin in Erwägung gezogen werden. Zwischen Atorvastatin und Dabigatran ist keine klinisch relevante Arzneimittelinteraktion zu erwarten (1, 6). Auch für Pravastatin ist keine klinisch relevante Arzneimittelinteraktion in den Interaktionsdatenbanken gelistet (4, 5, 6).

 

Pravastatin als Alternative

 

Ein Hinweis auf eine mögliche Interaktion zwischen Dabigatran und Simvastatin beziehungsweise Lovastatin ist derzeit nicht zwingend erforderlich. Es gibt keine verbindlichen Empfehlungen oder Hinweise in der Fachinformation des Arzneimittels Pradaxa (1). Sicherheitshalber kann der Arzt darauf hingewiesen werden, dass Simvastatin beziehungsweise Lovastatin die antikoagulierende Wirkung von Dabigatran erhöhen könnte. Patienten mit dieser Medikation sollten daher sorgfältig auf Anzeichen von Blutungen überwacht werden. Alternativ ist eine Umstellung auf ein anderes Statin möglich. Pravastatin gilt entsprechend dem Medikationskatalog der Kassenärztlichen Bundesvereinigung neben Simvastatin als Standard in der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen (7). Daher sollte aus vertragsarztrechtlichen Gründen bevorzugt Pravastatin als Alternative genannt werden. /

 

Literatur 

  1. Boehringer Ingelheim. Fachinformation Pradaxa® 110 mg Hartkapseln (Februar 2017). www.fachinfo.de (letzter Zugriff: 4.10.2017)
  2. Antoniou, T., Macdonald, E. M., Yao, Z., et al. (2017). Association between statin use and ischemic stroke or major hemorrhage in patients taking dabigatran for atrial fibrillation. Canadian Medical Association Journal, 189(1), E4-E10.
  3. Haertter, S., Huang, F., & Franca, L. R. (2017). Letter: Association between statin use and ischemic stroke or major hemorrhage in patients taking dabigatran for atrial fibrillation Canadian Medical Association Journal. 189: E325
  4. Lexicomp® Drug Interactions. www.uptodate.com/drug-interactions/ (letzter Zugriff: 4.10.2017)
  5. ABDA-Datenbank. www.pharmazie.com (letzter Zugriff: 4.10.2017)
  6. Stockley’s Drug Interactions. Interactions of Dabigatran. www.medicinescomplete.com (letzter Zugriff: 4.10.2017)
  7. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Medikationskatalog. www.kbv.de/html/medikationskatalog.php (letzter Zugriff: 4.10.2017)

Die Autorin

Dr. Jane Schröder ist Apothekerin und beim Arzneimittelberatungsdienst der Klinik-Apotheke am ­Universitätsklinikum in Dresden tätig. Dort unterstützt sie an der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen teilnehmende sächsische Apotheker und Ärzte bei fachlichen Fragen. Die Beratung wird von der Sächsischen Landesapothekerkammer und der AOK PLUS finanziert.

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