Pharmazeutische Zeitung online
Perspektivpapier

Umsetzung als Herausforderung

22.10.2014  07:36 Uhr

Von Thomas Schmid / Das Perspektivpapier 2030 stellt Weichen für den Berufsstand der Apotheker. Es leitet einen klassischen Wandlungsprozess von beachtlichem Umfang ein. Mehr als 20 000 Apotheken und 100 000 Beschäftigte sind eingebunden. Dieser Wandel muss gestaltet werden. Die Apotheker sollten dabei die Erfahrungen anderer Branchen nutzen.

Dass jedem Apotheker die Gelegenheit gegeben wurde, seine Ideen in Internetforen einer breiten Berufsöffentlichkeit vorzustellen, kann im Hinblick auf Partizipation dennoch als mutiger Schritt gesehen werden, schließlich hätten die Berufsorganisationen die Diskussion in Versammlungen weit weniger öffentlich, niederschwellig und pluralistisch führen können.

 

Hinsichtlich des Änderungsprozesses ist mit der Verabschiedung des Perspektivpapiers beim Apothekertag nun ein zentraler Meilenstein erreicht worden. Dies liegt nicht nur an der demokratischen Legitimierung, sondern vor allem an der starken Orientierungsfunktion des Perspektivpapiers. Es gibt vor, welche Schritte nun zu ergreifen sind. Klar ist beispielsweise, dass aus dem Anspruch der Apotheker auf eine konsiliarische Einbindung in Behandlungsverläufe tiefgreifende Änderungen in Studium, Fort- und Weiterbildung resultieren müssen.

 

Nur die halbe Miete


Die schlechte Nachricht zum Perspektivpapier ist, dass es mit Blick auf einen erfolgreichen Wandlungsprozess allenfalls die halbe Miete darstellt. Zwar vertrat die traditionelle Organisationslehre die Auffassung, dass Wandel vor allem ein Planungsproblem ist. Deshalb sollte viel Zeit und Mühe in die Willensbildung investiert werden. Die Umsetzung erfolge dann quasi problemlos. Diese Auffassung gilt heute jedoch als obsolet. Die moderne Organisationsforschung nimmt den Wandel sogar in erster Linie als Umsetzungsproblem wahr. Für den Wandlungsprozess der Apotheker bedeutet dies, dass die großen Widerstände erst jetzt in der Umsetzung des Perspektivpapiers zu erwarten sind.

 

Die Widerstände der Apotheker selbst dürfen nicht unterschätzt werden. Das gilt auch für die konsiliarische Einbeziehung in Behandlungsverläufe. Für viele Apotheker bedeutet dies, Ressourcen für die Auffrischung und Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten aufwenden zu müssen. Diese Notwendigkeit ist grundsätzlich eine sachlich nachvollziehbare Ursache für Widerstand. Solchen Widerständen kann jedoch in der Regel gut mit Sachargumenten wie der Zukunftsausrichtung des Berufsstandes oder der Aussicht auf entsprechende Honorierung begegnet werden.

 

Viel problematischer sind meist die tieferliegenden, verhaltenspsychologischen Widerstände gegen den Wandel. Eine Ursache hierfür liegt in der sogenannten Verhaltensfixierung, also einem Festhalten an bestehenden Routinen, die Sicherheit geben und damit ein primäres Bedürfnis befriedigen. Wem feste Gewohnheiten Halt geben, der wird Änderung als Bedrohung empfinden und Widerstand aufbauen. Ebenfalls eine verhaltenspsychologisch motivierte Änderungsbarriere stellt das sogenannte Not-invented-here-Syndrom dar, also die Ablehnung sinnvoller Änderungsvorschläge, weil diese eine andere Person entwickelt hat.

 

Drei Empfehlungen


Mit derartigen Widerständen bei Änderungsprozessen haben sich Wissenschaftler bereits Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv auseinandergesetzt. Dem Psychologie-Pionier Kurt Lewin sind wichtige Erkenntnisse für die Überwindung verhaltenspsychologischer Widerstände zu verdanken. Seine goldenen Regeln des erfolgreichen Wandels legen für die Umsetzung des Perspektivpapiers drei Empfehlungen nahe:

 

Lewin sieht in der intensiven Partizipation der Beteiligten eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von Wandlungsprozessen. Insofern sind die Berufsorganisationen gut beraten, in der Umsetzung des Perspektivpapiers eine intensive Teilhabe der Apotheker vorzusehen. Es reicht nicht, regelmäßig den Stand der Umsetzung zu kommunizieren. Die Vorschläge der Basis müssen auch bei der Umsetzung berücksichtigt werden.

 

Lewin hat auch aufgezeigt, dass Gruppen den Wandel als viel weniger beunruhigend wahrnehmen als einzelne Individuen. Übertragen auf unseren Kontext ergibt sich hieraus die Empfehlung, bestehende regionale Gruppenstrukturen der Apotheker wie regionale Unterstrukturen innerhalb einzelner Kammern und Verbände oder regionale Qualitätszirkel zu nutzen, um Änderungen umzusetzen.

 

Von großer Bedeutung ist auch die Vor- und Nachbereitung. Erfolgreiche Wandlungsprozesse verlaufen häufig in Phasen, wobei dem eigentlichen Wandel eine Auftauphase vorweggeht und nach dem Wandel eine Phase der Stabilisierung durchlaufen wird. Für die Umsetzung des Perspektivpapiers wird es vor allem erforderlich sein, die Idee der Festigung aufzugreifen. Dazu müssen Erfolge des Wandels aufgezeigt und zelebriert werden, um vor dem Hintergrund der voraussichtlich langen Umsetzungsdauer des Perspektivpapiers den Apothekern die Sinnhaftigkeit des Wandels kontinuierlich aufzuzeigen.

 

Viel Überzeugungsarbeit

 

Die Zeitangabe 2030 im Perspektivpapier könnte den Eindruck vermitteln, dass die Apotheker für die Umsetzung reichlich Zeit haben. Angesichts der Vorlaufzeiten für Änderungen in der Ausbildung ist jedoch Eile angebracht. An den Universitäten wird es großer Überzeugungsarbeit bedürfen, die Approbationsordnung entsprechend zu ändern.

 

Vor allem aber werden die Berufsorganisationen sicherstellen müssen, dass die Umsetzung konsequent im Einklang mit dem Perspektivpapier steht. Unter Organisationsforschern kommt dieser Gedanke regelmäßig in der Handlungsempfehlung »walk the talk« – also den Worten Taten folgen lassen – zum Ausdruck. Beharrliche externe Widerstände gegen die Umsetzung des Perspektivpapiers wird es von Ärzten geben. Wird das Perspektivpapier gegen diese Widerstände nicht konsequent durchgesetzt, droht ein Glaubwürdigkeitsverlust und die Dynamik der Umsetzung wird leiden.

 

Immerhin ist sich die Spitze der Apothekerschaft der Bedeutung der konsequenten Auseinandersetzung mit den Ärzten bewusst. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte bereits vor dem Apothekertag angekündigt: »Auch wenn es Vorbehalte geben sollte – wir warten mit unserer Neuausrichtung nicht auf die Erlaubnis der Ärzte«.

 

Auch wenn die größeren internen und externen Widerstände erst jetzt mit der Umsetzung des Perspektivpapiers auftreten werden, kann der Wandlungsprozess der Apotheker gelingen. Zahlreiche Beispiele anderer Organisationen belegen, dass große Änderungen gegen beachtliche Widerstände erfolgreich umgesetzt werden können. Die Apotheker und ihre Berufsorganisationen sollten sich der zu erwartenden Widerstände bewusst sein und diese aktiv angehen. Als Lohn der Mühe winkt etwas Bedeutendes: Die Zukunftsfähigkeit des Apothekerberufs und der Apotheken. /

 

Literatur online 

 

Thomas Schmid ist Professor an der Fakult­ät Soziales und Gesundheit der Hochschule Kempten

Das Perspektivpapier 2030 ist ein mutiger Prozess, der nun in die Umsetzungsphase geht. Dabei ist die hohe Beteiligung der Basis ohne Frage hilfreich gewesen und auch der Tatsache geschuldet, dass der Prozess maßgeblich von den Berufsorganisationen gestaltet wurde. Wie alle Verbände müssen sich auch die Apothekerorganisationen gegenüber ihren Mitgliedern beständig legitimieren. 

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