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Chronische Obstipation

Nichts geht mehr im Darm

22.10.2013  16:33 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Chronische Obstipation ist nicht nur eine Befindlichkeitsstörung, sondern schränkt die Lebensqualität vieler Betroffener massiv ein. Sie sollte deshalb ernst genommen und Betroffene gemäß der Leitlinie behandelt werden. Das wurde auf einer von der Firma Shire unterstützten Veranstaltung der Gastro Liga in Berlin deutlich.

Wenn vom Bauchhirn die Rede ist, denkt man spontan vielleicht an die Intuition, mit der manche Menschen Entscheidungen treffen, ohne groß darüber nachzugrübeln. Gastroenterologen verstehen darunter jedoch das sogenannte enterische Nervensystem, ein komplexes Geflecht von Nervenzellen in der Darmwand. Es ist der Forschungsbereich von Dr. Michael Schemann, Professor für Humanbiologie an der TU München. Er berichtete, wie das Bauchhirn normalerweise die Motorik und Sekretion des Darms reguliert und was dabei alles schiefgehen kann.

Unabhängig vom Gehirn

 

Das Bauchhirn steuert über die Muskulatur der Darmwand den Transport des Chymus – und zwar völlig autark. »Wenn Sie ein Stück Darm in eine Petri­schale legen und auf der oralen Seite ein Pellet einführen, wandert dieses ganz von alleine durch zum analen Ende«, sagte Schemann. Ausgelöst wird dieser sogenannte peristaltische Reflex durch die Dehnung der Darmwand. Sie bewirkt eine Kontraktion der Muskulatur auf der oralen und eine Erschlaffung auf der analen Seite. Gleichzeitig wird die Sekretion von Chlorid und damit von Flüssigkeit angekurbelt.

 

Mögliche Auslöser einer chronischen Obstipation (Definition siehe Kasten) sind Schemann zufolge sensomoto­rische Störungen. Dabei sind entweder die sensorischen Nerven in der Darmwand gestört, reagieren also auf den Dehnungsreiz nicht wie sie sollen. Oder der Dehnungsreiz wird zwar korrekt registriert, führt aber nur zu einem schwachen peristaltischen Reflex. Hier setzt der Serotonin-(5-HT4)-Rezeptor-Agonist Prucaloprid (Resolor®) an: Er verstärkt die Acetylcholin-Ausschüttung aus cholinergen Synapsen im Darm und regt so die Peristaltik an. »Die Wirkung beruht darauf, dass der Darm auf eine Dehnung viel stärker reagiert als zuvor«, erklärte Schemann.

Definition

 

Laut Leitlinie liegt eine chronische Obstipation vor, wenn unbefriedigende Stuhlentleerungen berichtet werden, die seit mindestens drei Monaten bestehen und mindestens zwei der folgenden Leitsymptome aufweisen:

 

  • starkes Pressen,
  • klumpiger oder harter Stuhl,
  • subjektiv unvollständige Entleerung,
  • subjektive Obstruktion,
  • manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation (jeweils bei mindestens 25 Prozent der Stuhlentleerungen)
  • weniger als drei Stühle pro Woche

Den Einsatz dieses Mittels empfiehlt die aktuelle Leitlinie »Chronische Obstipation« allerdings erst dann, wenn andere Maßnahmen zur Wiederherstellung einer normalen Stuhlfrequenz erfolglos geblieben sind. Das berichtete Dr. Viola Andresen vom Israelitischen Krankenhaus in Hamburg, Mitautorin der Leitlinie. Diese sieht eine stufenweise Intensivierung der Therapie vor, beginnend mit Basismaßnahmen wie einer erhöhten Ballaststoff- und Flüssigkeitszufuhr, verstärkter körperlicher Aktivität und Toilettentraining.

 

»Allerdings sollte man bei Patienten, die bereits unter chronischer Obstipation leiden, auf diese Maßnahmen nicht allzu große Hoffnungen setzten«, sagte Andresen. Eine Ernährungsumstellung bei bereits Obstipierten bringe so gut wie nichts, ebenso wenig wie die Erhöhung der Trinkmenge über das normale Maß hinaus. Auch körperliche Aktivität habe höchstwahrscheinlich keinen substanziellen Effekt.

 

Laxanzien auch auf Dauer

 

Als nächsten Schritt sieht die Leitlinie nach Ausschluss einer Entleerungsstörung als Ursache der Beschwerden den Einsatz von Laxanzien vor. Mittel der ersten Wahl sind hier Macrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat. »Diese Arzneistoffe sind wirksam, sicher und gut verträglich. Patienten mit chronischer Verstopfung können sie auch langfristig anwenden«, betonte Andresen. Das gilt laut Leitlinie ausdrücklich auch für Schwangere.

 

Gegen die Langzeit-Anwendung von Laxanzien gebe es bei vielen Ärzten und Apothekern immer noch große Vorbehalte. Diese seien jedoch unbegründet, wenn die Präparate bestimmungsgemäß eingesetzt würden. »Selbstverständlich reden wir hier nicht vom exzessiven Laxanzien-Einsatz aus anderen Gründen, etwa wenn Patienten mit Essstörungen bewusst Durchfälle induzieren, um Gewicht zu verlieren«, so Andresen. Wenn aber Obstipierte mit diesen Mitteln ihren Stuhlgang normalisieren könnten, sei dies auch über einen langen Zeitraum unbedenklich. Lactulose und Anthrachinone nennt die Leitlinie aufgrund der vergleichsweise schlechteren Verträglichkeit als Mittel zweiter Wahl.

 

Keine Kostenerstattung

 

Ist eine weitere Intensivierung der Therapie notwendig, empfiehlt die Leitlinie zunächst Prucaloprid, alternativ den Guanylatcyclase-C-Rezeptor-Agonisten Linaclotid (Constella®), der über eine Erhöhung der Chlorid- und Bicarbonat-Sekretion abführend wirkt, beziehungsweise den in Deutschland nicht zugelassenen Chloridkanal-Aktivator Lubiproston. Keines dieser Präparate wird jedoch in der Indikation chronische Obstipation regelhaft von den Krankenkassen erstattet. /

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