Schnell freisetzende Clindamycin-300-mg-Kapseln im Vergleich |
16.10.2009 14:05 Uhr |
Clindamycin ist ein Antibiotikum aus der Gruppe der Lincosamide. Es wird bei akuten und chronischen bakteriellen Infektionen eingesetzt, insbesondere zur Behandlung schwerer Staphylokokken-Infektionen bei Patienten mit Penicillin-Allergie. Clindamycin ist gut wirksam gegen grampositive Kokken (Staphylokokken, Streptokokken), Aerobier (zum Beispiel Fusobacterium, Actinomyces, Bacteroides), Propionibakterien und Corynebacterium diphteriae. Auch zur Behandlung der Akne vulgaris ist Clindamycin geeignet. Das Indikationsgebiet ist weitgehend mit dem der verträglicheren Makrolide identisch. Es wirkt nicht oder wenig gegen aerobe gramnegative Stäbchen, Hämophilus-Arten, Enterokokken, Neisserien, Mykoplasmen und verschiedene Clostridium-Arten.
Wirkmechanismus
Clindamycin führt über eine Bindung an die 50S-Untereinheit der Ribosomen zu einer Hemmung der Proteinbiosynthese der Bakterien. Das Antibiotikum bindet dabei direkt im Peptidyltransferase-Zentrum des Ribosoms. Die Struktur der ribosomalen Untereinheit im Komplex mit Clindamycin bestätigt die Vermutung, wonach dieses Antibiotikum die Protein-Biosynthese durch »molekulares Mimikry« unterbricht. Da es selbst aber keine Peptidbindung eingehen kann, bringt es die Peptidyltransferase-Reaktion zum Stillstand, woraus meist eine bakteriostatische Wirkung resultiert. Die Bildung sekundärer Antibiotikaresistenzen gegenüber Clindamycin ist durch Veränderung der Zielstrukturen am Ribosom und/oder enzymatische Inaktivierung möglich.
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Die Wirksamkeit hängt von der Zeitdauer ab, in der der Wirkstoffspiegel oberhalb der minimalen Hemmkonzentration des Erregers (MHK) liegt.
Clindamycinhydrochlorid wird nach oraler Gabe rasch und nahezu vollständig aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert und konzentrationsabhängig zu 60 bis 94 Prozent an Plasmaproteine gebunden. Maximale Serumkonzentrationen werden (nüchtern) nach 45 bis 60 Minuten beziehungsweise (gesättigt) nach etwa zwei Stunden erreicht. Der Wirkstoff zeichnet sich durch gute Gewebegängigkeit und Anreicherung im Knochen aus. In der Leber wird Clindamycin intensiv metabolisiert. Einige Stoffwechselprodukte sind mikrobiologisch wirksam. Lediglich ein Drittel der Dosis wird in unveränderter Form renal ausgeschieden.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Diarrhö und Erbrechen. Selten sind Leberschäden mit Anstieg der Trans-aminasen, Allergien und Leukozytopenien zu erwarten. Ebenfalls selten, aber gefürchtet, ist die pseudomembranöse Enterokollitis, bei der die Therapie sofort abzubrechen ist.
Aufgrund der Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen ist Clindamycin als Reserve-Antibiotikum einzustufen und bei den aufgeführten Indikationen nicht immer das Mittel der ersten Wahl.
Material und Methoden
In Tabelle 1 sind die in die Untersuchung einbezogenen Fertigarzneimittel gelistet. Alle Präparate wurden über den pharmazeutischen Fachhandel bezogen.
Nr. | Handelsname | Hersteller/Pharmazeutischer Unternehmer/Import, Umverpackung und Vertrieb | Chargen-Nr. | Haltbarkeit |
---|---|---|---|---|
1 | Sobelin 300 mg Hartkapseln | Kohlpharma GmbH | NJ0220 | Jul 09 |
2 | Clindalind 300 mg Kapseln | Lindopharm GmbH | 1400701 | Apr 12 |
3 | Clindamycin Abz 300 mg Kapseln | Abz-Pharma GmbH | H47214 | Nov 10 |
4 | Sobelin 300 mg Hartkapseln | Pharmacia GmbH | 7012202 | Feb 12 |
5 | Clin-Sanorania 300 mg | Winthrop Arzneimittel | 2810302H | Jul 10 |
6 | Clindamycin dura 300 mg Kapseln | Merck dura GmbH | 78509A | Okt 12 |
7 | Clindamycin 300 Heumann | Heumann Pharma | 507079 | Jan 10 |
8 | Clinda-Wolff 300 | Dr. Wolff Arzneimittel | 508691 | Dez 09 |
9 | Dentomycin 300 | Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH | 25471 | Aug 09 |
10 | Clindamycin acis 300 mg | Acis Arzneimittel GmbH | 070601 | Jun 11 |
11 | Jutaclin 300 mg Hartkapseln | Juta Pharma | G40331 | Dez 09 |
12 | Clindmycin 300 - 1 A Pharma | 1 A Pharma | 8E9127 | Apr 13 |
13 | Sobelin 300 mg Kapseln | Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH | 7090303 | Sep 12 |
14 | Clindabeta 300 | Betapharm Arzneimittel GmbH | 221.041 | Aug 10 |
15 | Clindahexal 300 | Hexal AG | 748040 | Sep 12 |
16 | Clindastad 300 mg Hartkapseln | Stadapharm GmbH | 7271 | Mrz 11 |
17 | Clindamycin Sandoz 300 mg Hartkapseln | Sandoz Pharmaceuticals GmbH | 7N9717 | Mai 12 |
18 | Sobelin 300 mg Kapseln | MPA Pharma GmbH | P02429 | Nov 11 |
19 | Turimycin 300 mg | Mibe Vertriebsgesellschaft GmbH | 070601 | Jun 11 |
20 | Clindamycin-CT 300 mg Hartkapseln | CT-Arzneimittel GmbH | H23433 | Mai 10 |
21 | Clindamycin Al 300 | Aliud Pharma GmbH & Co. KG | 73805B | Aug 11 |
22 | Clindamycin-ratiopharm 300 mg Kapseln | Ratiopharm GmbH | H47142 | Nov 10 |
Die Analytik wurde nach der Monographie für »Clindamycin Capsules« des Amerikanischen Arzneibuches (USP 30) unter Berücksichtigung des Europäischen Arzneibuches (Ph.Eur. 6.0) durchgeführt. Die Untersuchung der Präparate erfolgte hinsichtlich folgender Prüfpunkte: Identität, Gleichförmigkeit der Masse, Gehalt, In-vitro-Freisetzungsverhalten. Alle Prüfungen erfolgten vor Ablauf der Verwendbarkeitsfrist.
Gleichförmigkeit der Masse
Die Bestimmung erfolgte gemäß Europä-ischem Arzneibuch (Ph.Eur. 6.0, Ziffer 2.9.5, »Gleichförmigkeit der Masse einzeldosierter Arzneiformen«). Hierzu wurde eine Kapsel gewogen, danach geöffnet, deren Inhalt vollständig entleert und die Kapselhülle gewogen. Die Masse des Inhalts wurde aus der Differenz beider Wägungen errechnet. Mit weiteren 19 Kapseln wurde analog verfahren. Von 20 Kapselinhalten eines jeden Präparates wurde die prozentuale Standardabweichung jeder einzelnen Masse vom Mittelwert ermittelt. Die abhängig von der Durchschnittsmasse in der Pharmakopöe festgelegten Akzeptanzkriterien wurden von allen untersuchten Präparaten voll erfüllt.
Gehaltsprüfung
Die Gehaltsbestimmung wurde nach der Monographie »Clindamycin Capsules« des Amerikanischen Arzneibuches (USP 30) durchgeführt. Der Arzneistoff wurde nach Probenaufarbeitung mittels Hochdruckflüssigchromatographie (HPLC) an RP18-Material als stationärer Phase und einem Methanol-Puffergemisch quantifiziert. Die Signalaufzeichnung erfolgte über einen RI- (Refractive-Index = Brechungindex) Detektor. Bei isokratischer Elution wurde über das Peakflächenverhältnis von Wirkstoff und Internem Standard (Phenylethanol) der Clindamycingehalt ermittelt. Hierbei wurden die Akzeptanzkriterien von 90 bis 120 Prozent des deklarierten Gehalts, die in der betreffenden Monographie der USP 30 vorgeschrieben sind, von allen getesteten Produkten eingehalten.
Nr. | Handelsname | Chargen-Nr. | Gehalt[%] der Deklaration | Freisetzung nach 30 min > 80 % |
---|---|---|---|---|
1 | Sobelin 300 mg Hartkapseln | NJ0220 | 97,5 | 89,9 |
2 | Clindalind 300 mg Kapseln | 1400701 | 100,4 | 96,2 |
3 | Clindamycin Abz 300 mg Kapseln | H47214 | 102,5 | 93,2 |
4 | Sobelin 300 mg Hartkapseln | 7012202 | 99,5 | 90,3 |
5 | Clin-Sanorania 300 mg | 2810302H | 101,6 | 90,9 |
6 | Clindamycin dura 300 mg Kapseln | 78509A | 100,8 | 94,7 |
7 | Clindamycin 300 Heumann | 507079 | 100,2 | 92,6 |
8 | Clinda-Wolff 300 | 508691 | 98,5 | 89,4 |
9 | Dentomycin 300 | 25471 | 98,8 | 90,4 |
10 | Clindamycin acis 300 mg | 070601 | 100,0 | 89,8 |
11 | Jutaclin 300 mg Hartkapseln | G40331 | 102,2 | 91,8 |
12 | Clindmycin 300 - 1 A Pharma | 8E9127 | 101,7 | 91,8 |
13 | Sobelin 300 mg Kapseln | 7090303 | 97,9 | 89,5 |
14 | Clindabeta 300 | 221041 | 102,2 | 94,1 |
15 | Clindahexal 300 | 748040 | 94,1 | 96,8 |
16 | Clindastad 300 mg Hartkapseln | 7271 | 96,0v94,4 | |
17 | Clindamycin Sandoz 300 mg Hartkapseln | 7N9717 | 103,1 | 96,0 |
18 | Sobelin 300 mg Kapseln | P02429 | 99,0 | 89,1 |
19 | Turimycin 300 mg | 070601 | 97,1 | 88,3 |
20 | Clindamycin-CT 300 mg Hartkapseln | H23433 | 101,4 | 91,2 |
21 | Clindamycin Al 300 | 73805B | 99,7 | 92,6 |
22 | Clindamycin-ratiopharm 300 mg Kapseln | H47142 | 101,1 | 91,2 |
Mit dieser Methode wurden Werte zwischen 94,1 und 103,1 Prozent der deklarierten Konzentration bestimmt (siehe dazu Tabelle 2).
In-vitro-Freisetzung
Auch die In-vitro-Freisetzung wurde nach den Vorgaben der Monographie für »Clindamycin Capsules« der USP 30 durchgeführt. Entsprechend den Anforderungen darf die in Puffer pH 6,8 mittels Basket-Apparatur freigesetzte Wirkstoffmenge nach 30 Minuten 80 Prozent (Q) der Deklaration nicht unterschreiten. Die Quantifizierung von Clindamycin aus der In-vitro-Freisetzung erfolgte nach der Probennahme mittels HPLC (Parameter analog Gehaltsbestimmung). Nach 30 Minuten wurden hierbei Clindamycingehalte zwischen 88,3 und 96,8 Prozent der Deklaration bestimmt.
BCS
Für die Beurteilung der Löslichkeit wurden gemäß dem »Biopharmazeutischen Klassifizierungssystem« (BCS) Löslichkeitsversuche mit 600 mg Clindamycin, entsprechend der höchsten therapeutischen Tagesdosis, in jeweils 250 ml Testmedium mit unterschiedlichen pH-Werten (1,0; 4,6 und 6,8) bei 37 °C durchgeführt.
In allen drei Testmedien ging der Wirkstoff komplett in Lösung. Clindamycin zeichnet sich damit durch eine hohe Löslichkeit im gesamten Gastrointestinal-trakt aus.
Die Permeabilität von Clindamycin wurde im ZL analog den Richtlinien mithilfe der CaCo-2 Zellkultur unter variablen experimentellen Bedingungen untersucht. Der im ZL ermittelte Permeationskoeffizient (apikal-nach-basolateral) für die höchste Einzeldosis beträgt 15,8 E-6 cm/s und deutet somit auf eine hohe Permeabilität von Clindamycin hin. Zudem lässt die deutliche Temperaturabhängigkeit des Transports einen aktiven Transportmechanismus vermuten.
Der geringfügig höhere Permeationskoeffizient von 20,6 E-6 cm/s in umgekehrter Transportrichtung (basolateral-nach-apikal) lässt darauf schließen, dass Clindamycin als Substrat für Efflux-Proteine fungieren kann. Allerdings handelt es sich bei Clindamycin nicht um ein p-Glykoprotein-Substrat, da die Zugabe von Verapamil zum Transportmedium zu keinen signifikanten Änderungen des Permeationskoeffizienten führte, weder in der apikalen-nach-basolateralen (14,5 E-6 cm/s) noch in der basolateralen-nach-apikalen (22,9 E-6 cm/s) Richtung.
Die in vitro ermittelten Permeabilitätsdaten spiegeln sich auch in vivo nach oraler Einnahme von Clindamycin wider, wie die pharmakokinetischen Eigenschaften von Clindamycin bestätigen. So wird das Antibiotikum mit einer absoluten Bioverfügbarkeit von circa 90 Prozent rasch und vollständig vom gastrointestinalen Trakt absorbiert, um seine maximale Plasmakonzentration nach circa 48 Minuten zu erreichen (1,2).
Auf der Basis der experimentellen Erkenntnisse im Rahmen des biopharmazeutischen Klassifizierungssystems ist Clindamycin den Arzneistoffen der BCS-Klas-se I zuzuordnen, die eine hohe Löslichkeit und eine hohe Permeabilität aufweisen. Man kann davon ausgehen, dass die Wirkstofffreisetzung aus der Formulierung von der Galenik nicht beeinflusst wird.
Zusammenfassung und Hinweis
Alle untersuchten Clindamycin-300-mg-Präparate erfüllten die Anforderungen der Arzneibücher. Die analytischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die 22 schnell freisetzenden Präparate eine hohe pharmazeutische Qualität aufweisen und vergleichbar sind. Die Untersuchungsergebnisse können im Hinblick auf die Aut-idem-Regelung in der Apothekenpraxis von Bedeutung sein.
Die Hersteller der geprüften Produkte wurden vor der Publikation und unter Vorgabe einer Widerspruchsfrist von den Ergebnissen unterrichtet. Es erfolgten keine Einsprüche.
Abschließende Bemerkung des ZL
Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat als unabhängige Instanz den satzungsgemäßen Auftrag, einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. In unseren vergleichenden Untersuchungen richten wir uns nach den Vorgaben geltender Arzneibücher, da deren Methoden als valide zu betrachten sind. Wir möchten an dieser Stelle aber hervorheben, dass die in den Pharmakopöen veröffentlichten Verfahrensweisen häufig von den herstellerspezifischen Methoden abweichen.
Eine Gehaltsbestimmung oder Freisetzungsuntersuchungen nach Arzneibuchmonographie für Darreichungsformen können (im Gegensatz zu Methoden für den reinen Wirkstoff) zu Ergebnissen führen, die von denen der Hersteller abweichen, weil normalerweise erst nach einer Validierung in Bezug auf die Produktmatrix aussagekräftige Ergebnisse erhalten werden. Wir bitten (auch die Hersteller) um Verständnis, wenn das ZL leider nicht für jedes einzelne Präparat Untersuchungen anstellen kann, die mit gerade den Methoden erfolgen, die speziell für die jeweilige Formulierung entwickelt und validiert wurden.
... bei den Verfassern
Anschrift für die Verfasser:
Dr. Astrid Kaunzinger
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V
Carl-Mannich-Straße 26
65760 Eschborn