Lücken in der |
13.10.2015 16:39 Uhr |
Von Hannelore Gießen, Bad Hofgastein / Die großen Flüchtlingsströme stellen Europa vor eine Herausforderung. Das gilt auch mit Blick auf die Gesundheitsversorgung der Migranten. Darüber diskutierten Experten beim European Health Forum in Bad Hofgastein.
»Die Flüchtlinge bringen keine Krankheiten nach Europa«, betonte Professor Martin McKee von der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Vielmehr seien sie traumatisiert und litten an psychischen Störungen. Auch Karl Ekdahl vom European Centre for Disease Prevention and Control sieht keine Anzeichen dafür, dass Migranten Infektionen mitschleppen. Allerdings könne es zu Engpässen bei Impfstoffen kommen, falls eine größere Zahl Personen gleichzeitig geimpft werden sollte, erläuterte der Infektiologe.
Entgegen den Vorstellungen der meisten Menschen litten viele Flüchtlinge an ähnlichen Erkrankungen wie Europäer, führte McKee weiter aus. Bei den älteren Migranten seien es vor allem Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Der britische Epidemiologe plädierte für eine rasche Behandlung der Flüchtlinge. Gesundheitsökonomische Studien hätten gezeigt, dass es auf lange Sicht teuer werden könne, Migranten von einer schnellen Gesundheitsversorgung auszuschließen, so McKee. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits 2008 das Versorgungsprogramm Migrants Health initiiert, das jedoch vor dem Hintergrund des rasant wachsenden Flüchtlingsstroms nicht ausreicht.
Von den 60 Millionen Vertriebenen suche der größte Teil zunächst Schutz innerhalb des eigenen Landes oder in den Nachbarländern, sagte McKee. 12 Millionen Syrer seien auf der Flucht, lediglich 500 000 davon nach Europa, relativierte er das Ausmaß der aktuellen Fluchtbewegung. Die Krise fände nicht in Europa statt, sondern im Nahen Osten, sagte auch Meinie Nicolai, Direktorin von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel.
Dennoch sei die Hilfsorganisation momentan gezwungen, in Europa zu arbeiten. »Bei vielen Flüchtlingen sehen wir, dass die Strapazen der langen Flucht Spuren hinterlassen haben. Sie sind erschöpft und dehydriert. Obwohl der Herbst gerade erst begonnen hat, haben wir vermehrt auch deutliche Unterkühlungen festgestellt.« Die Gesundheit der Flüchtlinge werde zusehends schlechter.
Aktuell litten Migranten neben psychischen Gesundheitsproblemen vor allem an Atemwegs- und Hautkrankheiten, ergänzte Franz Luef von Ärzte ohne Grenzen im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Die Hilfsorganisation müsse derzeit eine Lücke füllen und die Defizite der Politik ausgleichen. Es fehle überall an einer kontinuierlichen Gesundheitsversorgung, stellte er fest.
Ausreichender Impfschutz
Luef plädierte für einen sicheren, legalen Zugang zu Europa und eine schnellere Registrierung der Flüchtlinge. »Wir versuchen derzeit, die Gesundheitsministerien der Schengen-Länder dafür zu sensibilisieren, dass im Bereich der Prävention mit wenigen Mitteln viel erreicht werden könnte«, sagte er. So hätten Flüchtlinge, die wie in Syrien oft seit mehreren Jahren in Flüchtlingslagern untergebracht waren, oft keinen ausreichenden Impfschutz. Hier sei Hilfe dringend nötig, so Luef.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen wünsche sich, dass die Verantwortlichen der Gesundheit einen höheren Stellenwert innerhalb der Flüchtlingsproblematik einräumen. Luef appellierte an alle, die momentan mithelfen möchten, dabei mit dem zivilen Katastrophenschutz, dem Roten Kreuz und anderen professionellen Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten. Für eine effiziente Hilfe seien Koordination und Kooperation sehr wichtig, betonte er. /