Dexamethason als Implantat |
15.10.2014 10:11 Uhr |
Von Sven Siebenand, Frankfurt am Main / Das diabetische Makulaödem ist die häufigste Ursache für Erblindung von Diabetikern. Früherkennung und rechtzeitige Behandlung sind entscheidend, um den Einfluss auf das Sehvermögen der Patienten gering zu halten. Mit dem Dexamethason-haltigen Implantat Ozurdex® hat die EU-Kommission nun eine neue Therapieoption zugelassen.
»Die Augen sind wie ein Fenster ins Gefäßsystem«, sagte Professor Dr. Andreas Hamann von den Hochtaunus-Kliniken in Bad Homburg auf einer Pressekonferenz des Ozurdex-Herstellers Pharm- Allergan in Frankfurt am Main. Für Diabetologen und Hausärzte sei es eine wichtige Botschaft, wenn bei einem Diabetiker ein Augenschaden diagnostiziert wurde. »Der Diabetes hat dann so lange am Gefäßsystem genagt, dass auch an anderen Stellen im Körper erhöhte vaskuläre Risiken bestehen«, verwies der Mediziner darauf, dass eine diabetische Retinopathie ein Prädiktor für Mortalität und erhöhtes kardiovaskuläres Risiko darstellt.
Die diabetische Retinopathie zählt zu den mikrovaskulären Folgekomplikationen der Zuckerkrankheit. Dabei kommt es zur krankhaften Veränderung der Blutgefäße auf der lichtempfindlichen Augenhinterwand. Ein diabetisches Makulaödem (DMÖ) entwickelt sich, wenn aus diesen Gefäßen Flüssigkeit austritt. Unbehandelt kann das zu Schwellungen und Flüssigkeitsansammlungen in der Makula, dem Zentrum der Netzhaut, und damit zu verschwommener Sicht und Sehschärfenverlust bis zur Erblindung führen. Betroffene Patienten sind häufig in ihrem Alltagsleben eingeschränkt, da Aktivitäten wie Autofahren oder Zeitunglesen nicht mehr möglich sind. Hamann betonte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit regelmäßiger Augenarzt­,kontrollen: Mindestens einmal jährlich sollten Diabetiker ohne vorbestehende Augenschäden einen Termin beim Ophthalmologen vereinbaren.
Lasern oder Spritzen
Es gibt eine ischämische und eine nicht ischämische Form des DMÖ. Darauf machte Professor Dr. Michael Ulbig von der Augenklinik der Universität München aufmerksam. Während es für die erstgenannte Variante kaum Behandlungsmöglichkeiten gebe, könnten Ärzte bei der zweiten unter mehreren Therapieoptionen auswählen. Eine Lasertherapie sei nur möglich bei einem DMÖ ohne Beteiligung des zentralen Teils der Makula. Ist dieser Bereich involviert, gebe es zum Beispiel Substanzen, die den Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) hemmen. Dieser gilt als eine Ursache für die erhöhte Gefäßpermeabilität. Beim DMÖ zugelassen sind die VEGF-Inhibitoren Ranibizumab (Lucentis®) und Aflibercept (Eylea®). Ulbig informierte, dass das Bevacizumab-haltige Präparat Avastin® off Label zum Einsatz kommt. Der Anti-VEGF-Wirkstoff Pegaptanib (Macugen®) sei dagegen nicht mehr im Handel.
Entzündungshemmer als Option
Professor Dr. Albert J. Augustin von der Augenklinik des Städtischen Klinikums Karlsruhe betonte, dass Entzündungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung eines DMÖ spielen. Corticoide hemmen die Freisetzung von Enzündungsmediatoren und können so die Ödembildung reduzieren. Mit dem Fluocinolonacetonid-haltigen Präparat Iluvien® ist seit Längerem ein intravitreales Implantat im Handel. Indiziert ist es zur Behandlung von Sehstörungen in Verbindung mit chronischem DMÖ, das auf verfügbare Therapien nur unzureichend anspricht. Nach der Injektion ins Auge gibt es über 36 Monate hinweg das enthaltene Corticoid ab. Auf Nachfrage der PZ teilte Augustin mit, dass das Präparat aufgrund seiner Nebenwirkungen nur ein Reservemedikament ist.
Anders das vor Kurzem zugelassene Dexamethason-haltige Implantat Ozurdex: Es darf nun auch beim DMÖ zum Einsatz kommen. Augustin begrüßt es, dass sich die Auswahl an DMÖ-Therapeutika erweitert hat. Das Medikament war in Deutschland zunächst nur zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit Makulaödem als Folge eines retinalen Venenast-Verschlusses oder retinalen Zentralvenen-Verschlusses sowie bei einer Entzündung des posterioren Segments des Auges, die sich als nicht infektiöse Uveitis darstellt. Indiziert ist es jetzt auch bei erwachsenen Patienten mit einer Sehbeeinträchtigung aufgrund eines DMÖ, die eine Kunstlinse tragen (pseudophak) oder die auf eine Therapie mit Nicht-Corticoiden unzureichend ansprechen oder bei denen diese als unpassend angesehen wird.
Wie Augustin informierte, handelt es sich bei Ozurdex um ein biologisch abbaubares Implantat. Nach der Injektion in den hinteren Augenabschnitt löst es sich langsam auf und gibt Dexamethason über mehrere Monate direkt an die Retina ab. Im Gegensatz zu Iluvien bleibt keine Hülle im Auge zurück. Das Sicherheitsprofil des Wirkstoffs Dexamethason bewertet Augustin im Vergleich zu jenem von Fluocinolonacetonid als günstiger.
Wenige Injektionen reichen
Der Mediziner betonte, dass Ozurdex im MEAD-Studienprogramm bei DMÖ-Patienten mit wenigen Injektionen eine schnelle und nachhaltige Visusverbesserung erzielte. Das sei mit fünf Injektionen über einen Zeitraum von drei Jahren möglich gewesen. Im Vergleich dazu seien bei Anti-VEGF-Substanzen wesentlich mehr Behandlungen notwendig. Sehr häufige Nebenwirkungen der DMÖ-Behandlung mit Dexamethason waren erhöhter Augeninnendruck und Katarakt. In Anbetracht dieser Risiken müsse man patientenindividuell entscheiden, welche Behandlung für wen infrage kommt. Generell gelte: »Die Linse kann man ersetzen, die Netzhaut nicht.« /