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Grußworte Expopharm

Demonstrativer Schulterschluss

16.10.2012  18:06 Uhr

Die Pharmahersteller haben überwiegend Verständnis für die Forderung der Apotheker nach einer angemessenen Vergütung. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten stärkten die Vertreter der Industrie und des Großhandels den Apothekern demonstrativ den Rücken.

Den Ärger der Apotheker über die geringe Anpassung der Packungspauschale um gerade einmal 25 Cent könnten die Hersteller gut nachvollziehen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH), Hans-Georg Hoffmann, bei der Eröffnung der Expopharm. Die Apotheker leisteten Tag und Nacht einen unverzichtbaren Beitrag für eine wohnortnahe und sichere Arz­nei­mittelversorgung. »Das verdient nicht nur Würdigung und Anerkennung, das verdient auch eine angemessene und faire Honorierung.«

Hoffmann sprach auch über den Erstattungsbetrag, den Pharmaunternehmen und Krankenkassen seit Einführung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) für innovative Medikamente verhandeln müssen. Diesen definiere das Gesetz eindeutig als Rabatt auf den Herstellerabgabepreis. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit werde der Erstattungsbetrag jedoch zum neuen Abgabepreis. Für die Apotheker könnte dies bedeuten, dass ihr Zuschlag künftig auf Basis eines reduzierten Betrags errechnet wird. Dieser Vorgang zeige einmal mehr, wie wenig Verlässlichkeit und Vertrauen heute noch zählten, so Hoffmann. »Die Politik nutzt seit Jahren den Arzneimittelsektor als vermeintlich unerschöpfliche Geldquelle für die Krankenkassen.« Darunter müssten auch die Hersteller leiden und jährlich Zwangsabschläge in Milliardenhöhe leisten.

 

In Kürze werden Apotheker und Krankenkassen über den Apothekenabschlag für das Jahr 2013 verhandeln. Das »zweifelhafte Vergnügen«, mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Verhandlungen zu führen, habe der Gesetzgeber auch den Herstellern beschert, sagte der BAH-Vorsitzende. Vom Prinzip der gleich langen Spieße könne dabei keine Rede sein. »Es geht dem GKV-Spitzenverband nicht primär um das Patientenwohl und eine bestmögliche Versorgung, sondern vor allem um Einsparpotenziale, selbst zulasten der Versorgung.«

Großes Lob fand Hoffmann für die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe, nach der die deutschen Preisvorschriften auch für ausländische Versandapotheken gelten. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem sich krankenhausversorgende Apotheken in räumlicher Nähe zur Klinik befinden müssen, sei ebenfalls sehr positiv. »Arzneimittel sind und bleiben Waren der besonderen Art.«

 

Im kommenden Jahr möchte der BAH eine Kampagne zur Selbstmedikation starten. »Uns geht es darum, die Wertigkeit und den Stellenwert des Arzneimittels in der Bevölkerung zu erhöhen«, sagte Hoffmann. Die Hersteller setzen dabei auf die Unterstützung der Apotheker.

 

Auch Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), betonte, wie wichtig enge Zusammenarbeit im Arzneimittelbereich sei. Er verwies auf das komplexe System der Arzneimittelversorgung. Hier greife der Staat immer wieder ein, ohne die Folgen seiner Entscheidungen vollständig zu erkennen. Ein Beispiel dafür seien die Rabattverträge. Die einzelnen Akteure wie Großhändler und Apotheker müssten daher zusammenarbeiten und die Politik über die Zusammenhänge aufklären. Die Politiker müssten aber auch von sich aus explizit nachfragen, forderte Trümper. »Es ist keine Schande, das komplizierte System der Arzneimittelversorgung nicht vollständig zu überblicken. Aber es ist durchaus eine Schande, wenn man so tut, als würde man es verstehen.«

Die Grüße des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) überbrachte dessen Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Er beklagte, dass im Gesundheitswesen trotz anderslautender Beteuerungen das Gegeneinander zunehmend stärker als das Miteinander gelebt werde. »Durch die gesetzlichen Reformen hat sich auf Kassenseite ein mono­lithischer Block herausgebildet: der GKV-Spitzenverband.« Dieser habe vor allem ein Ziel, nämlich Kosten zu sparen. Davon könne nicht nur die Pharmaindustrie ein leidvolles Lied singen, sondern auch Ärzte und Apotheker.

 

Neben Festbeträgen und Rabattverträgen seien vor allem die frühe Nutzenbewertung und die sich daran anschließenden Erstattungspreisverhandlungen eine Belastung für die Hersteller. Es gehe dem Kostenträger nicht primär darum, ob ein Arzneimittel nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis einen Zusatznutzen bietet. Vielmehr sei es offenbar das Ziel, diesen Zusatznutzen wenn möglich aus formalen Gründen zu negieren.

»Wir erleben eine neue Situation in Deutschland: Innovative Arzneimittel sind plötzlich hier nicht mehr erhältlich«, sagte Fahrenkamp. Für die Apotheker bedeute das, dass sie ihren Kunden künftig nicht nur erklären müssten, warum sie ein Arzneimittel gemäß Rabattvertrag austauschen. Besonders gut informierten Patienten müssten sie auch erläutern, warum diese ein Arzneimittel, das es in Frankreich oder England gibt, hier in Deutschland nicht erhalten.

 

Das Gegeneinander in der Gesundheitspolitik wirke sich aber noch direkter auf die Offizin aus. Fahrenkamp vermutete, dass die für die Apotheker unbefriedigende Anpassung des Honorars durch Aus­sagen des GKV-Spitzenverbands »entscheidend beeinflusst« ist. Er hoffe, dass in der politischen Diskussion irgendwann wieder klar werde, dass für die Gesundheit der Menschen andere zuständig sind als dieses Gremium und dass sich der GKV-Spitzenverband wieder in die Rolle fügen sollte, die er eigentlich hat. Die Qualität der Versorgung von Patienten sollte nicht länger dem Diktat der Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden.

 

Han Steutel, Vorstandsmitglied des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), forderte, dass Innovationen wieder die Wertschätzung erhalten sollten, die sie verdienen. »Uns ist klar, dass es keinen Weg zurück in die Zeit vor dem AMNOG gibt«, konstatierte Steutel. Er appellierte jedoch an die Politik, bei der frühen Nutzenbewertung nachzujustieren. Arzneimittel seien ein besonderes Gut, dessen Wert sich nur im Gesamt-Überblick beurteilen lasse. Zudem sei in den bisherigen Verfahren rund ein Drittel der neuen Arzneimittel aus formalen Gründen nicht bewertet worden. »Das widerlegt aus meiner Sicht die Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses, das Verfahren laufe reibungslos und sei unumstritten«, sagte Steutel. /

Kommentar

Ein tiefer Riss

Der gemeinsame Feind vereint die Akteure in der Arzneimittelversorgung. In ihren Grußworten zur Expopharm gingen die Vertreter von Arzneimittelherstellern und pharmazeutischem Großhandel überaus freundlich mit den Apothekern um. Es gab Verständnis für deren Kritik am Honorar und Mitleid für die Abschlagsverhandlungen.

 

Durch das Gesundheitswesen geht ein tiefer Riss. Auf der einen Seite stehen die Leistungserbringer, auf der anderen Seite steht übermächtig der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Von der Politik aufgebaut zu einer Institution, die schalten und walten kann, wie sie will, und sich dabei nicht einmal an gesetzliche Vorgaben halten muss.

 

Die damalige große Koalition hatte mit der Konzeption des GKV-Spitzenverbandes im Jahr 2007 das Gefüge im Gesundheitswesen aus dem Gleichgewicht gebracht, nicht aus Versehen, sondern kalkuliert. Verstärkt wurde die Schieflage durch eine Allianz zwischen Kassenverband und Bundesgesundheitsministerium.

 

Mit den Konsequenzen müssen nun Industrie, Großhandel und Apotheker leben. Da wird der Erstattunsgpreis zur Referenz für die Abschläge, obwohl dies nicht dem Gesetz entspricht. Bei der Berechnung des Apothekenhonorars hat das Bundeswirtschaftsministerium zur Freude des Spitzenverbandes die Kostensteigerung mit dem Rohertragszuwachs verrechnet, obwohl dies so nicht vorgesehen war.

 

So kann es nicht weitergehen: Das Gesundheitswesen muss wieder ausbalanciert werden. Solange der GKV-Spitzenverband gottgleich über allem schwebt, wird es aber weiter nur ums Sparen gehen. Für eine gute Versorgung ist das zu wenig.

 

Daniel Rücker

Chefredakteur

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