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Medikamentenintoleranz

Empfindliche Reaktion

Datum 19.10.2010  13:57 Uhr

Von Christina Hohmann, Hannover / Den meisten Menschen helfen sie, doch bei einigen rufen Medikamente allergische Reaktionen hervor. Häufige Auslöser sind Analgetika, ACE-Hemmer und Röntgenkontrastmittel. Die Folgen reichen von Nasen-Polypen über Angiödeme bis hin zu schweren anaphylaktischen Reaktionen.

Bei Patienten mit Symptomen wie Rhinitis, Rhinosinusitis und Nasenpolypen, sollte man aufmerksam werden. Hinter den Symptomen könne auch eine Unverträglichkeit gegenüber Analgetika stecken, sagte Dr. Susanne Mayr vom Universitätsklinikum Erlangen auf einem Symposium zum Thema »Medikamentenintoleranz« auf dem Deutschen Allergiekongress in Hannover.

Die ASS-Intoleranz beginnt meist mit einem Fließschnupfen, einer Geruchs­min­derung und rezidivierenden Nasen­polypen. Erst später kommen Über­empfindlichkeitsreaktionen auf Analge­ti­ka, Asthma und zum Teil auch eine Urtikaria hinzu. Die Überempfindlichkeit beruht nicht auf einem IgE-vermittelten Mechanismus, sondern auf einem Un­gleichgewicht im Arachidonsäure-Stoff­wechsel. Nach der heute gängigen Mei­nung besteht bei Betroffenen eine Dys­ba­lance zwischen Leukotrien- und Pros­taglandinbildung mit einer überschießen­den Leukotrienproduktion. Sie wird durch die Einnahme von nicht steroidalen An­al­ge­tika noch verstärkt, da diese die bei­den Enzyme Cyclooxygenase 1 und 2 und somit die Prostaglandinproduktion hemmen. Das Substrat der Reaktion, die Arachidonsäure, wird dann verstärkt zur Bildung von Leukotrienen verwendet. Ob­wohl die Störung häufig als ASS-Intole­ranz bezeichnet wird, können die Überempfindlichkeitsreaktionen bei allen nicht steroidalen Analgetika auftreten, die diesen Wirkmechanismus haben. Die Prävalenz der Erkrankung wird mit 0,5 bis 5,7 Prozent der Bevölkerung angegeben. Bei etwa 15 Prozent der Patienten mit Nasenpolypen und zwischen 20 und 34 Prozent der Asthmatiker liegt diese Intoleranz zugrunde.

 

»Die Diagnose der Überempfindlichkeit erfolgt über die Anamnese«, sagte Mayr. Gesichert wird sie meist über eine orale, seltener über eine nasale Provokation. Haupttherapiemaßnahme ist, nicht steroidale Analgetika zu meiden. Dies ist relativ unproblematisch. Schwieriger sei es jedoch, Salicylate in der Nahrung zu vermeiden, erklärte die Medizinerin. In einigen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Mandeln oder Gurken sind sie in relevanten Mengen enthalten. »Eine salicylarme Diät hat sich wegen des hohen Aufwands und der starken Einschränkungen in der Praxis nicht bewährt«, sagte Mayr. Eine Therapiemöglichkeit stelle die sogenannte orale adaptive Desaktivierung dar. Hierbei wird über eine tägliche Gabe von nicht steroidalen Analgetika eine Toleranz erzeugt. Bewährt hat sich ein Schema, bei dem die Patienten nach einer Auftitrierungsphase von mehreren Tagen mit einer täglichen Dosis von 300 mg ASS entlassen werden. Diese Erhaltungsdosis sollte über mindestens sechs Monate eingenommen werden. Wichtig sei es, dass die Patienten einen Magenschutz dazu erhalten, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermindern. Eine Desaktivierung konnte in Studien die Symptome wie Rhinitis, Asthma und Nasenpolypen reduzieren. Ausgeprägte Polypen müssten aber chirurgisch entfernt werden.

 

Angioödeme durch ACE-Hemmer

 

Intoleranzphänomene können auch gegenüber Substanzen, die das Angiotensin-konvertierende Enzym inhibieren, sogenannte ACE-Hemmer, bestehen, sagte Dr. Murat Bas von der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Klinikum rechts der Isar, München. Seltene, aber gravierende Folgen sind Angioödeme. Ihnen liegt keine allergische Reaktion zugrunde, sondern vermutlich eine Akkumulation von Bradykinin, das normalerweise von ACE abgebaut wird. Die Prävalenz ist mit 0,1 bis 0,7 Prozent sehr gering. Doch bei 7 Millionen Patienten in Deutschland, die ACE-Hemmer einnehmen, würde eine Inzidenz von 0,5 zu 35 000 Angioödemen pro Jahr führen, sagte Bas. Diese äußern sich durch starke Schwellung im Gesicht, an der Zunge sowie an Larynx oder Pharynx. Sie tritt ohne Juckreiz und ohne Rötung auf. Die Schwellung zeigt sich normalerweise innerhalb von 30 bis 120 Minuten nach Einnahme des Medikaments, kann zu Luftnot führen und einen fulminanten Verlauf nehmen, sagte der Mediziner. Die ACE-induzierten Angioödeme unterscheiden sich klinisch nicht von anderen Arten von Angioödemen, außer durch ihre Lokalisation. Während die Schwellungen bei Patienten mit hereditärem Angioödem hauptsächlich am Rumpf und an den Gliedmaßen, seltener im Gesicht auftreten, ist bei ACE-induzierten Angioödemen hauptsächlich die obere Schluckstraße betroffen, sagte Bas.

 

Angioödeme treten im Durchschnitt etwa sechs Monate nach Beginn der ACE-Hemmer-Therapie auf. Manchmal können sie sich aber auch erst nach einigen Jahren das erste Mal entwickeln. Aus seiner Erfahrung waren elf Jahre der längste Zeitraum, nach dem ein Patient unter einem ACE-Hemmer ein Angioödem entwickelte, berichtete Bas. Dies sei für Ärzte und Apotheker wichtig zu wissen, da man nach einer langen Therapiedauer selten das Medikament als Ursache vermutet. Das erschwert die Diagnose. Ist das Medikament als Ursache erkannt, muss der ACE-Hemmer abgesetzt und durch ein anderes blutdrucksenkendes Präparat ausgetauscht werden. AT1-Rezeptor-Blocker (»Sartane«) stellen dabei keine gute Alternative dar, da sie über einen negativen Rückkopplungsmechanismus letztlich ebenfalls den Abbau des Bradykinins verringern und Angioödeme auslösen können, wenn auch deutlich seltener als ACE-Hemmer.

 

Angioödeme im Kopf-Hals-Bereich sind ein klinischer Notfall, weil sie zum Ersticken führen können. Zur Notfallbehandlung von ACE-induzierten Angioödemen ist kein Medikament zugelassen. Cortison und Antihistaminika, die bei allergischen Schwellungsattacken eingesetzt werden, würdenbei den medikamenteninduzierten Unverträglichkeiten keinen Effekt zeigen, sagte Bas. Eine kausale Therapie stelle der Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonist Icatibant dar, der 2008 zur Behandlung von Attacken des hereditären Angioödems zugelassen wurde. Inzwischen wurden am Klinikum rechts der Isar der Universität München einzelne Patienten mit ACE-Hemmer-induzierten Angioödemen off label mit Icatibant behandelt, berichtete Bas. Dadurch besserten sich die Symptome durchschnittlich in weniger als einer Stunde, zum Teil schon nach 15 Minuten. Eine randomisierte placebokontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Icatibant bei ACE-Hemmer-induzierten Angioödemen habe jetzt begonnen.

 

Allergie auf Röntgenkontrastmittel

 

Anaphylaktoide Reaktionen nach der Infusion von Röntgenkontrastmitteln sind mit 4 bis 13 Prozent relativ häufig. Dabei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, erklärte Privatdozent Dr. Knut Brockow vom Klinikum rechts der Isar, München. Sofortreaktionen treten innerhalb von wenigen Minuten bis zu einer Stunde auf, die sogenannten Spätreaktionen erst nach etwa 7 bis 24 Stunden. Die Sofortreaktionen machen sich meist schnell mit Hautausschlag bemerkbar, häufig kommen auch Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen hinzu. Selten können Kehlkopfödeme, Bronchospasmen, anaphylaktischer Schock sowie Herz- oder Atemstillstand auftreten. Für die Spätreaktionen seien Juckreiz sowie makulopapulöse Exantheme typisch, berichtete Brockow. Den beiden Reaktionstypen liegen unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde. Während bei den Sofortreaktionen sowohl IgE-vermittelte als auch nicht IgE-mediierte Allergien vorkommen, gehen die Spätreaktionen vermutlich auf T-Zell-vermittelte Allergien zurück. Die genauen Mechanismen sind aber noch nicht eindeutig geklärt.

Für die Diagnostik stehen neben der Anamnese Hauttests wie der Prick- oder Epikutantest zur Verfügung. Ob diese auch prognostisch verwendet werden können, um die Verträglichkeit von Rönt­gen­kontrastmitteln vorherzusagen, sei noch offen. Zum Teil gebe es auch nach negativen Hauttests schwere Reaktionen. Von Provokationstests rät Brockow ab. »Es gibt Reaktionen, die über unse­ren Eingriffsmöglichkeiten liegen.«

 

Wenn Patienten mit einer Kontrastmittel-Un­ver­träglichkeit dennoch eine solche Substanz erhal­ten müssen, sei ein nicht-ionisches Mittel zu empfeh­len. Zudem sollte der Patient eine medikamen­töse Prophylaxe aus Glucocorticosteroiden sowie H1- und H2-Antagonisten erhalten. Aufgrund der Neben­wirkungen der H2-Blockade sei diese Prämedika­tion nicht generell zu empfehlen, sondern nur bei strenger Indikationsstellung.

 

Reaktion auf Hilfsstoffe

 

Während Reaktionen auf Röntgenkontrastmittel oder Analgetika vergleichsweise häufig vorkommen, träten Allergien auf Hilfsstoffe in Medikamenten nur äußerst selten auf, so Professor Dr. Andreas Bircher vom Universitätsspital Basel auf dem Kongress. Beschrieben seien allergische Reaktionen auf Additiva wie Konservierungs-, Farb-, Süßstoffe oder Emulgatoren. So hätte ein Patient, den er selbst behandelt hatte, eine ausgeprägte Urtikaria auf Hexylenglycol in einer Creme entwickelt. Auch Exantheme, ausgelöst durch Natriumlaurylsulfat in Protonenpumpeninhibitoren, seien in der Literatur beschrieben. Anaphylaktoide Reaktionen seien zum Beispiel durch Substanzen wie D-Mannitol, Polysorbat, Polyvinylpyrrolidon und Gelatine in Impfstoffen hervorgerufen worden.

 

Auch die in manchen Arzneiformen enthaltene Lactose kann Probleme bereiten, berichtete Bircher. Für eine Unverträglichkeitsreaktion bei Lactose-Unverträglichkeit sei die Dosis allerdings zu gering, es gab aber schon Fälle von Anaphylaxien bei Kuhmilch-Allergikern, weil die enthaltene Lactose mit Milchprotein verunreinigt war. In einem Fall kam es zu einer Anaphylaxie wegen einer Soja-Allergie auf ein Omeprazol-Generikum, weil der Hersteller Sojaöl für die Herstellung der Kapsel verwendet hatte. Epidemiologische Daten zu allergischen Reaktionen auf Additiva gebe es nicht, sagte Bircher. »Es ist ein sehr seltenes Problem.« / 

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