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Epilepsie im Alter

Therapie erfordert Fingerspitzengefühl

14.10.2008  13:46 Uhr

Epilepsie im Alter

<typohead type="3">Therapie erfordert Fingerspitzengefühl

Von Christiane Berg, Hamburg

 

Neu entwickelte Epilepsien treten inzwischen bei älteren Menschen öfter als bei Kindern und Jugendlichen auf. Geeignet sind für solche Menschen moderne Antikonvulsiva mit einem geringeren  Interaktionspotenzial und ohne die Gefahr von kognitiven Beeinträchtigungen.

 

Epilepsie ist die dritthäufigste neurologische Erkrankung im höheren Lebensalter. Internationale Untersuchungen zeigen, dass circa 2 Prozent der über 65-Jährigen an epileptischen Anfällen leiden. Die Altersepilepsie stellt nach Demenz und Schlaganfall heute bereits die größte Gruppe der Neuerkrankungen im Alter und wird zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen.

 

Mit Epilepsie alt geworden

 

»Die antikonvulsive Pharmakotherapie älterer Epilepsie-Patienten wirft in mehrfacher Hinsicht spezifische Probleme auf, die besonderes Fingerspitzengefühl erforderlich machen«, sagte Professor Dr. Christian E. Elger, Bonn, auf einem Satellitensymposium beim 81. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Zunächst müssten alt gewordene Epilepsiepatienten und neu erkrankte Patienten jenseits des 60. Lebensjahres unterschieden werden. Bei stabiler Therapie hätten die alt gewordenen Patienten zumeist anfallsfrei das höhere Lebensalter erreicht. Vaskuläre oder degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems könnten nunmehr zu einem Aufflackern der Epilepsie führen. Dieses könne gegebenenfalls durch eine Erhöhung der Dosis der bislang eingenommenen antikonvulsiven Medikamente kompensiert werden. Zudem können die Medikamente an sich im höheren Alter Schwierigkeiten bereiten. Die Einnahme »alter« Antiepileptika wie Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital oder Valproat als Enzyminduktoren, die den Mineralgehalt der Knochen reduzieren, kann die Gefahr einer therapiebedürftigen Osteoporose mit spontanen Frakturen signifikant erhöhen.

 

Ältere Patienten nehmen im Durchschnitt über sieben Medikamente ein. Durch die signifikante Erhöhung der Zahl der Medikamente zur Therapie der im Alter zunehmenden Begleiterkrankungen steigt das Interaktionspotenzial. Unter anderem Zytostatika werden bei gleichzeitiger Gabe in ihrer Effektivität reduziert. Die Einnahme insbesondere von Carbamazepin, Phenobarbital und Primidon kann zur Zunahme von im Alter verstärkten kognitiven Beeinträchtigungen führen.

 

Elger betonte, dass die Nebenwirkungen der alten Antiepileptika in dieser Altersstufe belastender sein können als die Anfälle selbst. Die Umstellung auf moderne, neuere Antepileptika wie Gabapentin, Lamotrigin, Oxcarbazepin und Topiramat sei jedoch nicht einfach. Insbesondere Phenobarbital, Primidon und Carbamazepin könnten zu Entzugsanfällen führen, sodass die Entscheidung zur Umstellung stets genau abgewogen und streng überlappend erfolgen muss. 

 

Im Alter neu erkrankt

 

Ursachen für eine neu beginnende Altersepilepsie können nicht nur zerebrale Durchblutungsstörungen (70 Prozent), sondern auch Krebs- und Stoffwechselerkrankungen beziehungsweise Alkoholabusus oder Traumata sein. Etwa 12 bis 15 Prozent aller Schlaganfall-Patienten sowie 10 Prozent aller Alzheimer-Patienten entwickeln eine Epilepsie. Sowohl fieberhafte Prozesse und Infektionen als auch die Einnahme spezifischer Medikamente wie trizyklische Antidepressiva, Penicillin oder Theophyllin können anfallsauslösend sein. Bei älteren Patienten überwiegen fokale Anfälle mit und ohne Generalisierung sowie symptomatische Epilepsien.  

 

Die neu beginnende Epilepsie im höheren Lebensalter, so Elger, ist oftmals schwer zu diagnostizieren. Postiktuale Zustände, die bei jüngeren Menschen in der Regel eine halbe Stunde nicht überschreiten, können bei älteren Menschen 24 Stunden anhalten. Die damit verbundenen Verwirrungszustände können zu Verwechslungen mit anderen Erkrankungen und Ereignissen wie Psychosen oder Schlaganfall führen. Viele der Epilepsien im höheren Lebensalter werden nicht erkannt. 

 

Altersepilepsien unterscheiden sich von Epilepsien im Kindes- und Erwachsenenalter jedoch nicht nur durch Ursachen und Symptome. Ihre Therapie erfordere besondere Aufmerksamkeit vor allem aufgrund Abnahme der Compliance durch Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit. Die im Alter veränderte Pharmakokinetik und -dynamik infolge abnehmender Nierenfunktion mache das langsame Eindosieren und eine niedrige erste Zieldosis zur Reduktion von Nebenwirkungen wie Gangstörungen, Tremor oder Schwindel erforderlich.

 

Aufgrund der Zunahme von Begleiterkrankungen, so Elger, wird auch und gerade im Alter die Monotherapie beziehungsweise Erstbehandlung mit neueren Antiepiletika wie Gabapentin und Lamotrigin mit besserer Verträglichkeit, verringerter Enzyminduktion und einem geringeren Interaktionspotenzial bevorzugt. Gerade bei Altersepilepsie sei die regelmäßige Einnahme der Medikamente unabdingbar. Diese ist bei älteren und oftmals alleinstehenden Menschen häufig nicht gewährleistet. Daher müssen in Kooperation mit Arzt und Patient Lösungen zur strikten Befolgung der einmal gewählten Therapiekonzepte gefunden werden. Stets müsse darauf geachtet werden, dass Stürze als Nebenwirkungen der antikonvulsiven Pharmakotherapie nicht fälschlicherweise als epileptische Anfälle interpretiert werden.

Epilepsie-Datenbank

PZ / Freiburger Wissenschaftler haben Elektroenzephalogramm-(EEG)-Daten, die am Nervengewebe selbst gemessen wurden und nicht nur über die herkömmlichen Elektroden auf der Kopfhaut, in eine Datenbank aufgenommen, die Wissenschaftler weltweit nutzen können.

 

Das Forschungsteam um Professor Dr. Jens Timmer und den Leiter des Freiburger Epilepsiezentrums Professor Andreas Schulze-Bonhage hatte sich bereits 2004 dazu entschlossen, ihre Daten nicht nur für die eigene Forschung zu verwenden. Sie stellten EEG-Aufzeichnungen von 21 Patienten mit jeweils 24 Stunden Dauer über das Internet zur Verfügung. Das rege Interesse der inzwischen 115 Wissenschaftler aus mehr als 20 Ländern, welche die Datenbank für ihre Forschung verwenden, habe dieses Konzept bestätigt, hieß es in einer Pressemitteilung der Albert-Ludwigs-Universität.

 

Zusammen mit Forschern aus Paris und Coimbra ist die Freiburger Gruppe jetzt dabei, eine deutlich größere Datenbank aufzubauen. Dies geschieht als Teil des von der Europäischen Union geförderten Projekts »EPILEPSIAE«. Auch diese Daten sollen Forschern aus aller Welt zur Verfügung stehen.

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