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Forschung trifft Praxis

Evidenz plus Eminenz

21.07.2016  13:25 Uhr

Randomisierte kontrollierte Studien (RCT) gelten als Goldstandard, wenn es um den Beleg der Wirksamkeit von Arzneimitteln geht. Doch muss man die Ergebnisse auch zu lesen wissen. Bei der Interpretation und Einordnung spielt die Erfahrung des Forschers eine entscheidende Rolle. Evidenz allein ist also nicht alles.

Wenn honorige Chefärzte Empfehlungen geben, die auf ihrer langjährigen Erfahrung beruhen, kann man das etwas bösartig als eminenzbasierte Medizin bezeichnen. In der medizinischen Forschung ist das verpönt, denn die Ergebnisse sind naturgemäß individuell und nicht reproduzierbar. Dem gegenüber steht die evidenzbasierte Medizin, die als Grundlage ausschließlich klinische Studien anerkennt, am besten RCT. Doch auch diese sind nie ganz eindeutig, wie Professor Dr. Sir Michael Rawlins, Leiter der britischen Arzneimittelbehörde, in seinem Vortrag zeigte.

»Die Evidenz reicht niemals aus«, sagte Rawlins. Zusätzlich zu den harten Fakten brauche man deren Beurteilung durch Wissenschaftler. Nur sie könnten entscheiden, ob etwa eine in einer Studie nachgewiesene Effektstärke ausreichend groß ist, um den Einsatz eines Arzneimittels trotz zu erwartender Nebenwirkungen zu rechtfertigen. Auch inwiefern die Ergebnisse von RCT jenseits der meist stark selektierten Studienpopulationen generalisierbar sind, ist eine Interpretationsfrage.

 

Dabei können verschiedene Experten durchaus zu unterschiedlichen Empfehlungen kommen, die dennoch alle evidenzbasiert sind. Das zeigte Professor Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg am Beispiel der Leitlinien zur LDL-Senkung aus den USA und Europa. Wie der Kardiologe ausführte, geben die American Heart Association (AHA) und das American College of Cardiology (ACC) einerseits und die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) andererseits unterschiedliche Empfehlungen zum Einsatz von Statinen.

 

Konsens bestehe darin, dass LDL-Cholesterol ein wichtiger Risikofaktor für Atherosklerose ist und dass Statine erste Wahl zur Senkung des LDL- Cholesterols sind, so Laufs. Ebenso sei man sich einig, dass bei hohem Risiko eine intensive Therapie indiziert ist und bei moderatem Risiko eine weniger intensive Intervention.

 

Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, unterscheidet jedoch die beiden Leitlinien. »Der Fokus der europäischen Leitlinie liegt auf dem individuellen Patienten und LDL-Cholesterol als Risikofaktor«, informierte Laufs. Das führe bei der Umsetzung in die Praxis zu individuellen Therapiezielen und unterschiedlichen LDL-Zielwerten. Die US-amerikanische Leitlinie konzentriere sich dagegen auf die Arzneistoffe und die getesteten Dosierungen. »Das führt in der Folge zu Dosierungsvorschlägen für Statine in Abhängigkeit vom jewei­ligen Ausgangsrisiko der Patienten.«

 

Der Referent verwies auf die verschiedenen Methodenpapiere der Leitlinien, die die Unterschiede bedingen. So berücksichtige die europäische Version alle verfügbaren Daten – wobei RCT besonders stark gewichtet seien –, die US-amerikanische dagegen ausschließlich jene aus RCT. Er selbst bevorzuge die europäische Herangehensweise, da sie eine individuelle, an die Lebenssituation des Patienten angepasste Therapie ermögliche. LDL-Zielwerte seien den Patienten leicht zu kommunizieren, was auch hinsichtlich der Adhärenz Vorteile bringen könne.

 

Dass auch Leitlinien nicht das Nonplusultra darstellen, zeigte Laufs anhand der PCSK9-Inhibitoren, einer neuen Wirkstoffklasse zur Lipidsenkung. Mit Evolocumab ist bereits der erste Vertreter im Handel, Alirocumab wurde kürzlich in der EU zugelassen. »Die Leit­linien enthalten noch keine evidenzbasierten Informationen zu dieser Arzneistoffklasse«, betonte Laufs. Das bedeute aber nicht, dass er auf den Einsatz verzichten würde, solange Daten aus Endpunktstudien publiziert sind. »Leitlinien entbinden Ärzte und Apo­theker eben nicht vom eigenen Nach­denken.« /

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