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Verschreibungshilfen

Aus Fehlern lernen

21.07.2016  13:25 Uhr

Jeder Mensch kann Fehler machen, auch ein Arzt bei der Verordnung von Arzneimitteln. Da hier Fehler unter Umständen fatale Folgen haben, müssen sie wenn irgend möglich vermieden werden. Um dazu erfolgreiche Strategien zu entwickeln, gilt es zunächst nach den Ursachen der Fehler zu suchen.

Früher war der Umgang mit Fehlern denkbar einfach: Man fragte nach dem Schuldigen, bestrafte ihn und die Sache war erledigt. »Heute hat sich zum Glück vielerorts ein anderer Umgang mit Fehlern durchgesetzt«, sagte Professor Dr. Bryony Dean Franklin vom Imperial College in London. Denn wer lediglich auf den Verursacher eines Fehlers fokussiert, verpasst die Chance, aus dem Vorfall zu lernen und ähnliche Fehler künftig zu vermeiden. »Stattdessen sollte man nach den Umständen suchen, die dazu geführt haben, dass es überhaupt dazu kommen konnte«, sagte Franklin.

Fehler lassen sich nach ihrer Ursache in verschiedene Gruppen einteilen. So gibt es einerseits unbeabsichtigte Fehler, bei denen der Verursacher zwar das Richtige vorhatte, diesen Plan aber aus irgendeinem Grund nicht korrekt umsetzte. Franklin sprach von Flüchtigkeitsfehlern und Fehlleistungen. Ein Beispiel für einen Flüchtigkeitsfehler ist die Verordnung einer falschen Dosierung, weil der Arzt beim Ausfüllen des Rezeptes an ein anderes Arzneimittel dachte. Eine Fehlleistung liege dagegen vor, wenn etwa bei der Umstellung auf eine retardierte Arzneiform weiter die Dosis der unretardierten verordnet werde.

 

Neben den unbeabsichtigten Fehlern gibt es auch solche, die mit Absicht begangen werden. »Hier haben wir einen falschen Plan und setzen diesen dann gewissenhaft in die Praxis um«, erklärte Franklin. In diese Kategorie fallen Irrtümer und Übertretungen. Ein Irrtum basiert der Referentin zufolge meist auf einem Wissensdefizit, etwa über die Erfordernis der Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz. Bei einer Übertretung werden Regeln dagegen bewusst außer Acht gelassen, in der irrigen Annahme, dass dies keine negativen Konsequenzen haben wird.

 

Elektronische Verschreibungshilfen können helfen, Verordnungsfehler zu vermeiden. Das ist jedoch kein Automatismus, wie Dr. Heleen van der Sijs von der Erasmus-Universität in Rotterdam deutlich machte. Das liege vor allem an der sogenannten Alert Fatigue, die sich bei Ärzten einstelle, wenn sie sehr viele, überwiegend wenig relevante Warnhinweise erhielten. Der Begriff bezeichnet eine Abstumpfung oder auch Müdigkeit (fatigue) gegenüber Warnmeldungen (alerts), die dazu führt, dass Letztere gar nicht mehr wahrgenommen, sondern einfach schnell weggeklickt werden. »So können auch wichtige Hinweise auf gefährliche Interaktionen übersehen werden, obwohl sie eigentlich angezeigt wurden«, sagte van der Sijs.

Kommentar

Den Autopiloten abschalten

Automatismen sind einerseits eine praktische Sache, andererseits aber auch gefährlich. Praktisch ist, dass wir tägliche Routinen wie etwa den Weg zur Arbeit irgendwann ganz ohne Nachdenken erledigen können. Genau darin steckt aber auch ein Risiko, nämlich dass der Autopilot nicht rechtzeitig deaktiviert wird, wenn ein abweichendes Verhalten gefragt ist. So hat sich wohl manch einer auch schon mal sonntags auf dem Weg zur Apotheke wiedergefunden, obwohl er doch eigentlich woandershin fahren wollte.

 

Im Umgang mit Patienten kann so etwas fatal sein. Deshalb gilt bei der Arzneimittelversorgung das Vier-Augen-Prinzip, um Fehler zu vermeiden: Zwei gehören dem verordnenden Arzt und zwei dem kon­trollierenden, beratenden und letztlich abgebenden Apotheker. Wie sich Kollegen auf der ganzen Welt in diese Zusammenarbeit zum Wohl des Patienten einbringen, war auf dem FIP-Kongress in zahlreichen spannenden Sessions zu erfahren. Ein interessanter Blick über den Tellerrand, der dazu animierte, den eigenen Auto­piloten abzuschalten und in der Versorgung von Patienten neue Wege zu gehen.

 

Annette Mende

Redakteurin Pharmazie

In den Niederlanden gibt es die Arzneimittel-Datenbank G-Standard, die alle Ärzte und Apotheker im ganzen Land verwenden und in der auch Warnmeldungen hinterlegt sind. Damit es nicht zu viele werden, beurteilt eine eigene Arbeitsgruppe mögliche Interaktionen und nimmt nur diejenigen auf, die tatsächlich relevant sind. »Das ist extrem wichtig, um eine Alert Fatigue bei den Anwendern von G-Standard zu vermeiden«, sagte die Referentin. Weitere Faktoren, die darüber entscheiden, ob Warnmeldungen wahrgenommen werden oder nicht, sind unter anderem die Farbe des Popups und der Ort, an dem dieses auf dem Bildschirm erscheint, sowie der Zeitpunkt, zu dem die Meldung angezeigt wird.

 

Wie effektiv solche Warnsysteme sind, lässt sich objektiv nur schwer beurteilen. »Analog zur number needed to treat aus klinischen Studien bräuchte man hier so etwas wie eine number needed to alert«, sagte Dr. Hanna Seidling von der Universität Heidelberg. Das scheint wenig realistisch und selbst wenn sich eine solche Größe ermitteln ließe, macht sie noch keine Aussage darüber, ob schwerwiegende oder weniger gravierende Fehler verhindert wurden.

 

»Man weiß, dass nur einer von zehn Medikationsfehlern wirklich zu einem Schaden führt«, sagte Seidling. Verhindert man also den richtigen? Das ist unwahrscheinlich, denn ungefährliche Fehler ließen sich leichter vermeiden als gefährliche. Um drohenden Schaden vom Patienten abzuwenden, wird man also trotz aller möglichen Unterstützung durch elektronische Hilfsmittel auch künftig das heilberufliche Team aus Arzt und Apotheker mit all ihrer jeweiligen Kompetenz brauchen. /

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