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Pflege

Gute Betreuung zu Hause oder im Heim

Datum 05.10.2012  19:18 Uhr

Von Ulrike Viegener / Jeder hat sich schon einmal über das Thema Pflegebedürftigkeit Gedanken gemacht – für die meisten ein Angstthema. Wichtig ist, sich frühzeitig zu informieren, wie eine gute Betreuung zu Hause oder im Heim realisiert werden kann. Apotheker können im individuellen Fall helfen, die Weichen richtig zu stellen.

In der Pflege arbeiten sehr viele Menschen – professionelle Pflegekräfte und Angehörige – mit großem Engagement, Kompetenz und Menschlichkeit. Ihnen ist es zu verdanken, dass es trotz der suboptimalen Rahmenbedingungen gelingt, die meisten Pflegebedürftigen gut zu versorgen. Legt man die Inanspruchnahme der Pflegeversicherung zugrunde, sind in Deutschland aktuell rund 2,5 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Rund 1,7 Millionen von ihnen werden ambulant durch Angehörige und/oder Pflegedienste betreut.

Aber: Die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Es gibt zu wenig qualifiziertes Personal und die Pflegemaßnahmen werden nicht adäquat honoriert. Oft stoßen die Pflegekräfte an ihre Belastungsgrenze, weil sie ein enormes Pensum in engem zeitlichen Rahmen zu absolvieren haben. Deutschlands bekanntester Kritiker in Sachen Altenpflege, der Sozialpädagoge Claus Fussek, sprach kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Pflege-GAU – nicht irgendwann in einigen Jahren, sondern ganz aktuell (1). Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes gehen davon aus, dass im Jahr 2025 rund 150 000 Pflegekräfte fehlen werden, wobei hier neben der Altenpflege auch die Akutpflege im Krankenhaus berücksichtigt ist (2).

 

Zwar läuft es laut Fussek aktuell in der Mehrzahl der stationären Pflegeeinrichtungen gut oder sogar hervor­ragend, andererseits müssten nach seiner Meinung nicht wenige Heime sofort geschlossen werden. Bei dieser Einschätzung ist mangelnde – menschliche und/oder fachliche – Qualifikation des Pflegepersonals ein entscheidender Aspekt (1).

 

Keineswegs alle Pflegekräfte, in deren Obhut sich alte Menschen und/oder Demenzpatienten befinden, sind für diese Aufgabe spezifisch ausgebildet. Ein Beispiel: Weil sich Demenzpatienten häufig aggressiv verhalten, wurden für solche Situationen spezielle Deeskalierungstechniken entwickelt. Darin wird jeder, der Demenzkranke betreut, geschult, möchte man meinen – aber das ist nicht so. Da kann es leicht passieren, dass Pfleger sich nicht anders zu helfen wissen, als einen aggressiven Patienten medikamentös ruhigzustellen oder mit Gurten zu fixieren.

 

Freiheitsentziehende Maßnahmen wie Gurtfixierung, Vergitterung am Bett oder Einsperren sind in der Altenpflege keine Einzelphänomene. Das hat der Dritte Pflege-Qualitätsbericht erneut bestätigt, der regelmäßig vom MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V.) erstellt wird (3). Daneben kommen diverse Formen der Misshandlung oder Vernachlässigung vor: verbale und körperliche Aggression, Zuwendungsentzug oder mangelhafte Ernährung. Der nicht indizierte Einsatz von Psychopharmaka gehört ebenfalls dazu. Bei Demenzkranken werden viel zu oft Neuroleptika ohne strenge Indikationsstellung eingesetzt, obwohl diese psychotropen Wirkstoffe den kognitiven Abbau nachweislich beschleunigen (4).

Auch beim Schmerzmanagement und der Prophylaxe von Druckgeschwüren liegt einiges im Argen. Der Dritte Pflege-Qualitätsbericht des MDS dokumentiert bei vier von zehn Patienten Versäumnisse in der Dekubitusprophylaxe (3).

 

Hauptgründe für die Missstände sind mangelnde Qualifikation der Pflegekräfte sowie vor allem heillose Überforderung infolge des Personalmangels. Viele Pfleger würden sich gerne intensiver um die ihnen anvertrauten Menschen kümmern, aber sie haben keine Zeit. Laut Fussek ist es keine Seltenheit, dass sich zwei Pfleger um 30 Patienten kümmern müssen. Vor diesem Hintergrund wurde der Begriff der Minutenpflege geprägt und schlimmer noch der Spruch, in der Pflege gelte oft das SSS-Prinzip: sauber, satt, sediert.

 

Das 2001 verabschiedete »Gesetz zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege« hat die Situation keineswegs entschärft. Im Gegenteil: Die knappe Zeit, die für die pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung steht, ist jetzt noch knapper, weil das Pflegepersonal jeden kleinsten Schritt dokumentieren muss.

 

Die Schlüsselfrage

 

Jeder, der in der Altenpflege tätig ist, und auch die politisch Verantwortlichen sollten sich öfter eine ganz einfache Frage stellen: Wie möchte ich betreut werden, wenn ich einmal hilfsbedürftig werde? Diese simple Frage könnte der Schlüssel sein für gute Qualität im Umgang mit alten und pflegebedürftigen Menschen.

Einer, der sich diese Frage immer wieder gestellt hat, ist Franz J. Stoffer, langjähriger ehemaliger Geschäftsführer der CBT-Heime (Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft) im Rheinland. Stoffer hatte für die CBT-Heime keinen besseren Personalschlüssel als andere, und doch ist hier vieles möglich, was anderswo angeblich nicht zu realisieren ist. Es ist das erklärte Ziel, den Heimbewohnern so viel Freiheit und Selbstbestimmung wie möglich einzuräumen. Ein Beispiel: In den CBT-Heimen findet frühmorgens kein allgemeiner Weckappell statt, sondern jeder steht auf, wie es seinem Tagesrhythmus entspricht.

 

Auch in den CBT-Heimen leiden heute die meisten Bewohner an Demenz. Es kann ein großer Gewinn für Demenzkranke sein, wenn es gelingt, Anknüpfungspunkte zum früheren Leben aufzuspüren und daran anzudocken. Dieser Ansatz wird in den CBT-Heimen verfolgt. Man versucht, sich in die Realität der Demenzkranken einzufühlen und stützt sie darin, anstatt die Maßstäbe des Gesunden anzulegen. Das kann zum Beispiel so aussehen: Ein Heimbewohner mit fortgeschrittener Demenz geht morgens in ein für ihn eingerichtetes Büro, wo er Papier schreddern und andere leichte Bürotätigkeiten erledigen kann. Diese ihm von früher bekannten Tätigkeiten beruhigen ihn nachweislich.

 

Ein weiteres Beispiel aus dem Heim eines anderen Trägers: Weil verwirrte Menschen oft den Impuls haben, nach Hause oder auf Reisen zu gehen, wurde auf dem Heimgelände eine original­getreue, aber nicht ans Verkehrsnetz angeschlossene Haltestelle installiert. Viele Patienten setzen sich auf die Bank und warten zufrieden auf den Bus. Später holen Heimmitarbeiter, die immer ein Auge auf die Haltestelle haben, sie wieder ab. In der Zwischenzeit hat sich der Impuls, wegfahren zu wollen, längst verflüchtigt. Versucht man dagegen, den Patienten von der Unsinnigkeit seines Vorhabens zu überzeugen, provoziert das nur Frustrationsgefühle und Aggression.

 

Angstthema Nummer 1

 

In vielen Heimen wird eine derart sensible Betreuung praktiziert. Aber es gibt auch die anderen Fälle in der stationären ebenso wie in der ambulanten Pflege. Und diese Fälle, von denen immer wieder berichtet wird, machen das Thema Pflegebedürftigkeit zum Schreckgespenst.

 

Die meisten Menschen haben große Angst davor, irgendwann einmal auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Das haben verschiedene Umfragen übereinstimmend gezeigt. Laut einer 2011 durchgeführten Erhebung der Continental-Versicherung ist dies für 82 Prozent der Bürger die größte Zukunfts­sorge überhaupt. Ein Aspekt dabei ist die Einschätzung, dass die Pflege­versicherung keine adäquate Absicherung gewährleistet.

 

2009 fragte das Allensbach-Institut, was sich die Deutschen wünschen für den Fall, dass eine Heimunterbringung notwendig würde. Ganz oben auf der Liste: genügend qualifizierte Mitarbeiter für die Betreuung. Neben der fachlichen Kompetenz war für die meisten Befragten wichtig, mit Respekt behandelt zu werden.

 

Was ist gute Pflege?

 

Respektvoll, zugewandt und sensibel für den individuellen Menschen: So könnte man die menschliche Dimension einer guten Pflege charakterisieren.

 

Wenn die Schriftstellerin Ingrid Noll in einem ZEIT-Interview erzählt, wie sie ihre hochbetagte Mutter in ihrer Familie aufgenommen und viele Jahre gepflegt hat, dann denkt man spontan: Ja, so sollte es sein. Einfühlsam für die Vorlieben und Bedürfnisse der alten Dame wurde eine Situation geschaffen, mit der alle Beteiligten – das ist bei der häuslichen Pflege wichtig – gut leben konnten: unter einem Dach, aber mit genug Distanz und Freiräumen. Die Körperpflege übernahmen professionelle Kräfte. Einige Male, so Noll, habe sie ihrer Mutter mit einer »Puddingkur« wohl das Leben gerettet. Im Krankenhaus hatte die alte Dame jedes Essen verweigert, aber zu Hause brachte die Tochter sie mit Pudding, den die Mutter liebend gerne aß, wieder zu Kräften (5).

Kommentar

Bankrotterklärung

Wenn ein Sozialstaat es nicht fertigbringt, eine menschenwürdige Versorgung alter Menschen sicherzustellen, dann kommt das einer Bankrotterklärung gleich. Seit Langem ist absehbar, dass neue Infrastrukturen für die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen geschaffen werden müssen. Aber die politisch Verantwortlichen haben wie so oft den Kopf in den Sand gesteckt und hatten bislang nichts als Ausreden oder allenfalls halbherziges Flickwerk parat.

 

Warum ist das so? Weil wir keinen Respekt vor dem Alter haben. Altwerden ist in unserer Gesellschaft ein Übel, das man so lange wie möglich verdrängt, ja geradezu tabuisiert. Während in anderen Kulturen »die Alten« wegen ihrer Lebenserfahrung hochgeehrt werden, herrscht bei uns der Jugendwahn. Spaß haben, Party machen und gut aussehen dabei: Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn das aber alles ist, was im Leben zählt, dann stimmt etwas nicht. Es stimmt etwas nicht in einer Gesellschaft, in der Entertainer Millionen verdienen, während Menschen, die sich in der Pflege für andere engagieren, einen Zusatzjob annehmen müssen, weil sie mit ihrem Gehalt nicht über die Runden kommen.

 

Ein positives Signal setzen die vielen jungen und älteren Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Aber mit Ehrenamtlichen und Angehörigen allein werden wir das Problem nicht stemmen. Die politisch Verantwort­lichen müssen jetzt endlich adäquate Rahmenbedingungen schaffen für eine menschenwürdige Altenpflege. Und das heißt: mehr Personal, mehr Qualifikation und mehr Geld. Es muss ein radikaler Wandel her. Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, das Anfang 2013 in Kraft treten soll, wird diesen Wandel nicht bringen.

 

Ulrike Viegener

Fast ein Idealfall, der nicht zuletzt möglich war durch eine privilegierte finanzielle Situation. Häufig ist der Spagat zwischen Wünschenswertem und Machbarem sehr viel schwieriger. Doch auch dies ist eine wichtige Botschaft für pflegende Angehörige: Das Ziel ist keineswegs, alles perfekt zu machen. Das Ziel ist, sich in den hilfsbedürftigen Menschen einzufühlen und ihm das Gefühl zu geben, gut versorgt und geborgen zu sein. Dabei können intensive »Momente« des Zusammenseins mehr bringen als Dauereinsatz im Dauerstress – vorausgesetzt natürlich, dass für eine kontinuierliche Betreuung gesorgt ist.

 

Immer gilt der Grundsatz, den Hilfsbedürftigen so viel wie möglich selbst machen zu lassen. Für diese eher zuwartende Haltung wurde der nicht sehr glückliche Begriff der »Pflege mit der Hand in der Tasche« geprägt. Soweit möglich, sollte auch jemand, der hilfs- oder pflegebedürftig ist, eigene Aufgaben übernehmen. Für die meisten Menschen trägt das Gefühl, gebraucht zu werden, ganz entscheidend zum Wohlbefinden bei und stärkt ihr Selbstwertgefühl. Darauf wies kürzlich auch der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme »Demenz und Selbstbestimmung« hin (6).

 

Die zweite Dimension einer guten Pflege ist die fachliche Kompetenz. In den letzten Jahren wurden für die Pflege nationale Expertenstandards er­arbeitet, die per Gesetz verpflichtend sind. Solche Empfehlungen liegen unter anderem für die Themen Druck­geschwüre, chronische Wunden, Inkontinenz, Stürze sowie Schmerzen vor (7). Eine spezielle Ausbildung – über diese Basisthemen hinaus – sollten alle Pflege­kräfte haben, die Demenzkranke betreuen.

 

Pflege zu Hause: Was ist wichtig?

 

Wie lässt sich nun ganz konkret im individuellen Fall eine gute Betreuung realisieren? Wenn sich abzeichnet, dass ein Mensch pflegebedürftig wird, muss die Pflege organisiert und zugleich die Finan­zierung sichergestellt werden.

 

Entscheidet man sich für ambulante Pflege, sollten Angehörige von Anfang an darauf achten, dass diese möglichst nicht auf einer Person allein lastet. Denn Pflege ist eine große Belastung – das muss man sich unbedingt klarmachen. Pflegende Angehörige neigen dazu, über ihre körperliche und seelische Belastungsgrenze hinauszugehen, und tragen ein hohes Risiko, selbst krank zu werden. Die Weichen müssen daher von Anfang an richtig gestellt werden. Apotheker können mithelfen, indem sie Angehörige ermutigen, ohne schlechtes Gewissen Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Hilfe annehmen

 

Für pflegende Angehörige gibt es inzwischen zahlreiche Hilfsangebote:

 

Pflegekurse,

Seminare zu medizinischen, psychosozialen und rechtlichen Fragen,

Angehörigengruppen,

Beratungsstellen, zum Beispiel der Pflegekassen,

online-Informations- und Beratungsdienste,

Pflege-Coaches und

ehrenamtliche Entlastungsdienste.

 

In jedem Fall ist es eine sehr gute Strategie, ein soziales Netzwerk aufzubauen, in dem mehrere Personen bei der Betreuung Hand in Hand arbeiten. Vielleicht sind neben Familienangehörigen auch Freunde und Nachbarn bereit mitzuhelfen – man sollte sich nicht scheuen zu fragen.

Auch die Integration eines professionellen ambulanten Pflegedienstes in das Netzwerk sollte man frühzeitig erwägen. Einige Pflegedienste verfügen über Gütesiegel, die aber unterschied­licher Herkunft sind und keine stan­dardisierte Qualitätsaussage machen. Deshalb sollte man – wenn möglich – andere nach ihren Erfahrungen fragen.

 

Unbedingt sollte man sich vor der Beauftragung immer selbst ein Bild von verschiedenen Pflegediensten machen und dabei relevante Punkte ansprechen: zum Beispiel die Qualifikation im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse, die Anzahl und Konstanz der im persönlichen Fall eingesetzten Pflegekräfte sowie der für die Pflege veranschlagte Zeitplan. Es gibt zahlreiche Broschüren mit sehr nützlichen Informationen rund um die Pflege (Kasten).

 

Viel diskutiert wird die Einbindung ausländischer Hilfskräfte in die Betreuung pflegebedürftiger Menschen und dabei vor allem die Frage: Was ist legal? Seit 2005 vermitteln die Arbeitsagenturen Hilfskräfte aus Osteuropa, die aber streng genommen nur im Haushalt – nicht in der Pflege – tätig sein dürfen. Die Familie als Arbeitgeber zahlt einen Mindestbruttolohn plus Steuern und Sozialversicherung, wobei für Unterkunft und Verpflegung ein bestimmter Betrag abgezogen werden darf.

 

Dann gibt es noch die Möglichkeit, dass die ausländische Kraft legal über eine Vermittlungsagentur entsendet wird, die in diesem Fall Arbeitgeber ist. Wer diesen Weg gehen will, sollte unbedingt nach der A1-Bescheinigung fragen. Diese bestätigt, dass die Pflegekraft im Heimatland sozialversichert ist. Voraussetzung dafür ist eine nur zeitweilige Tätigkeit in Deutschland, was den Interessen des Pflegebedürftigen oft nicht gerecht wird, aber eventuell dadurch aufgefangen werden kann, dass sich zwei ausländische Pflegekräfte in der Betreuung abwechseln.

Hilfreiche Broschüren

Broschüren mit nützlichen Informa­tionen zum Themenkomplex Pflegebedürftigkeit gibt zum Beispiel die Verbraucherzentrale Nordrhein-West­falen heraus. Die Broschüre »Gute Pflege im Heim und zu Hause – Pflege­qualität erkennen und einfordern« hilft praxisrelevant bei der Realisierung einer qualitätsgesicherten Pflege. Die Broschüre (9,90 Euro zuzüglich 2,50 Euro Porto) kann angefordert werden unter der Telefonnummer 0211/3809-555 oder per E-Mail: publikationen(at)vz-nrw.de.

 

Die Materialien »Pflegefall – Was tun?« und »Das Pflegegutachten« werden derzeit überarbeitet und sollen ab Mitte Oktober beziehungs­weise Anfang Dezember 2012 wieder verfügbar sein.

 

Ebenfalls hilfreich sind die Ratgeberhefte des Bundesministeriums für Gesundheit, zum Beispiel »Ratgeber zur Pflege«, »Pflegen zu Hause«, »Wenn das Gedächtnis nachlässt« und »Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz«. Die Broschüren sind kostenlos und können bestellt werden unter der Telefonnummer 0180 5 778090 oder per E-Mail: publikationen(at)bundesregierung.de.

Dass der Einsatz ausländischer Hilfskräfte nach wie vor nicht adäquat geregelt ist, führt dazu, dass aktuell viele dieser Kräfte illegal bei Familien in Deutschland arbeiten. Und auch das ist Fakt: Diese Hilfskräfte – legal oder illegal beschäftigt – leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass das System nicht kollabiert und die meisten Pflegebedürftigen in Deutschland gut betreut werden.

 

Beruflich kürzertreten

 

Damit die Pflege eines Angehörigen nicht automatisch das berufliche Aus bedeutet, wurde die gesetzliche Möglichkeit der Pflegezeit geschaffen. Ein Angestellter kann bis zu sechs Monate lang unbezahlt, aber mit Arbeitsplatzgarantie aus dem Beruf ausscheiden.

 

Seit Januar 2012 gibt es darüber hinaus die Option der Familienpflegezeit (8). Sie ermöglicht es pflegenden Angehörigen, ihre Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Wochenstunden zu senken. Das Gehalt reduziert sich dabei in geringerem Umfang und bleibt nach Wiederaufnahme des ursprünglichen Arbeitsumfangs auf diesem Niveau, bis der Überhang ausge­glichen ist.

 

Was bezahlt die Pflege­versicherung?

 

Zur Finanzierung: Für die ambulante Pflege leiten sich aus der Pflegeversicherung verschiedene Ansprüche ab, die zum Teil vom Grad der Pflegebedürftigkeit abhängen. Die Pflegeversicherung bezahlt nach festen Sätzen und unter bestimmten Voraussetzungen:

 

Leistungen des ambulanten Pflegedienstes,

Pflegegeld (wird immer dann gezahlt, wenn der Pflegebedürftige und seine Angehörigen die Pflege selbst organisieren; faktisch ist es in den meisten Fällen ein »Entgelt« für pflegende Angehörige),

Pflegehilfsmittel,

Betreuungsbetrag, auch für Pflegestufe 0,

Verhinderungspflege, das heißt Ersatz­pflege­kraft bei Krankheit oder Urlaub eines pflegenden Ange­hörigen,

Kurzzeitpflege, das heißt vorüber­gehende Betreuung in einer statio­nären Einrichtung,

Pflegekurse für Angehörige,

eventuell Kuren für Angehörige,

Zuschüsse zu den Sozialabgaben während der Pflegezeit.

 

Der Antrag ist bei der Pflegekasse der jeweiligen Krankenkasse zu stellen, wobei die Bearbeitung laut Gesetz nicht länger als fünf Wochen dauern darf. Die Pflegekasse beauftragt den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), den Grad der Pflegebedürftigkeit bei einem angemeldeten Hausbesuch festzustellen. Es ist den Angehörigen dringend anzuraten, sich auf diese Begutachtung gut vorzubereiten, damit eine realistische Einstufung erfolgt.

Es gibt drei Pflegestufen aufsteigender Schwere, die sich nach dem zeitlichen Aufwand benötigter Hilfe richten, sowie eine Härtefallregelung in Stufe III (8). Die Pflegestufe 0 wurde eingeführt für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, die nicht die Kriterien der Pflegestufe I erfüllen. Vor allem für Demenz­kranke ist die Pflegestufe 0 relevant.

 

Entwürdigende Prozedur

 

Die Pflegeleistungen müssen dem MDK vorgeführt werden – eine Prozedur, die viele als entwürdigend erleben. Dazu meldete sich kürzlich Inge Jens zu Wort, die Frau des bekannten Rhetorikprofessors Walter Jens (9). Empört kritisierte Inge Jens, dass sie sich alle drei Monate erneut bescheinigen lassen muss, dass ihr Mann an schwerer Demenz (Pflegestufe III) leidet, obwohl eine Besserung seines Zustands an ein Wunder grenzen würde.

 

Mit ihrer Kritik steht Inge Jens nicht allein. Anstatt Menschen, die sich für hilfsbedürftige Angehörige engagieren, optimal zu unterstützen, werden bürokratische Hürden aufgebaut, die manchen sogar abschrecken, einen Leistungsanspruch geltend zu machen.

 

Bewilligt die Pflegekasse die beantragte Pflegestufe nicht, besteht das das Recht zum Widerspruch. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids bei der Pflegekasse – nicht beim MDK – eingehen. Die gute Nachricht: Viele Widersprüche sind erfolgreich. Darum sollte man diesen Weg unbedingt einschlagen, wenn man gute Argumente für die beantragte Pflegestufe hat.

 

Kriterien für ein gutes Heim

 

Entscheidet man sich für die Unterbringung in einem Heim, läuft die Bewilligung von Leistungen aus der Pflegeversicherung analog ab wie bei der ambulanten Pflege.

Wie aber findet man ein gutes Pflegeheim? Stationäre Pflegeeinrichtungen werden regelmäßig vom MDK geprüft. Die mit den Noten 1 bis 5 arbeitenden Transparenzberichte stehen allerdings in der Kritik, weil sie sich überwiegend auf die Pflegedokumentation und nicht auf die eigene Anschauung der Prüfer stützen. Auch sind die Gesamtnoten wenig aussagekräftig, weil sich die Qualität eines Heims aus diversen Einzelaspekten zusammensetzt. Die Transparenzberichte können deshalb nur eine Orientierungshilfe sein.

 

Manche Heime veröffentlichen eigene Qualitätsberichte, die über verschiedene Aspekte detailliert Aufschluss geben. Im Idealfall werden auch Bewohnerbefragungen zugrunde gelegt. Im Internet gibt es verschiedene Pflegeheim-Navigatoren wie www.bbk-pflegefinder.de, www.pflegeheim-weisse-liste.de und www.heimver zeichnis.de.

 

Man sollte sich eine Checkliste machen, welche Kriterien im persönlichen Fall bei der Auswahl des Heims wichtig sind. Relevant sind beispielsweise Lage und räumliche Ausstattung des Heims, die Leistungsangebote, die soziale und spirituelle Begleitung sowie die Qualifikation des Personals. Ein Fragenkatalog findet sich in der Broschüre »Gute Pflege im Heim und zu Hause« von der Verbraucherzentrale NRW (siehe Kasten Hilfreiche Broschüren).

 

Nach der Vorauswahl sollte man verschiedene Heime selbst besuchen und besichtigen. Dabei sollte man darauf drängen, einen kompetenten Gesprächspartner ausführlich befragen zu können. Bei der anschließenden Entscheidung wird neben sachlichen Kriterien immer auch das »Bauchgefühl« eine Rolle spielen.

 

Qualität einfordern

 

Zuverlässig kann sich erst im Alltag erweisen, ob im Heim wirklich alles so läuft, wie es soll. Gegen Qualitäts­mängel – egal in welcher Hinsicht – sollte man sich unbedingt wehren. Mit dem Heimleiter oder einem Mitarbeiter des eigenen Vertrauens sollte man die Problematik besprechen, mit Fingerspitzengefühl, aber ohne sich abschmettern zu lassen. Wenn Angehörige ihre Möglichkeiten und Rechte ausschöpfen, können sie selbst an der Qualitätsschraube drehen und so die Pflegerealität ein Stück weit besser machen. /

Literatur

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Öchsner, Th., Interview mit Claus Fussek: »Wir haben längst einen Pflege-GAU«. www.sueddeutsche.de/wirtschaft/2.220/umschulung-von-ex-schlecker-mitarbeitern-wir-haben-laengst-einen-pflege-gau-1.1383269

Statistisches Bundesamt, Demografischer Wandel: Engpässe beim Pflegepersonal werden zunehmen. PM Nr. 449 vom 6.12.2010. www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2010/12/PD10_449_23621.html

MDS, Dritter Pflege-Qualitätsbericht. www.mds-ev.org/print/3920.htm

Majic, T., et al., Pharmakotherapie von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz: Querschnittserhebung in 18 Berliner Seniorenheimen. Dtsch. Ärztebl. Int.; 107, Nr. 18 (2010) 320-327.

Amend, C., Interview mit Ingrid Noll: »Sie ist eine Lady«. www.zeit.de/2006/41/Eltern-Noll-41/komplettansicht?print=true

Deutscher Ethikrat, Demenz und Selbstbestimmung. Stellungnahme 2012. www.ethik rat.org/dateien/pdf/stellungnahme- demenz-und-selbstbestimmung.pdf

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege. Expertenstandards. www.wiso.hs-osnabrueck.de/38030.html

Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Wege zur Pflege. www.wege-zur-pflege.de

Jens, I., Staat geht mit Demenzkranken empörend um. Ärzte-Zeitung online, 5.2.2012.

 

Die Autorin

Ulrike Viegenerist freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin und Pharmazie. Nach ihrem Studium der Biologie und Chemie war sie viele Jahre verantwortlich für die Sonderproduktionen zum Deutschen Ärzteblatt. Heute schreibt sie für Apotheker und Ärzte ebenso wie für Laien, wobei ihr gesundheits- und gesellschaftspolitische Themen besonders wichtig sind. Neben dem Journalismus hat Viegener noch eine zweite Passion: die Malerei.

 

 

Ulrike Viegener, Höhenweg 7a, 51465 Bergisch Gladbach, E-Mail: ulrike.viegener(at)gmx.de

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