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DAT-Eröffnung

Wolf

11.10.2011  18:59 Uhr

»Leere Versprechungen und immer stärkere finanzielle Belastungen«: ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf sparte in seinem Lagebericht zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags nicht mit Kritik an der schwarz-gelben Regierungskoalition. Er forderte eine gerechte Honorierung der Apotheker und die Aufnahme des ABDA-KBV-Modells in Gänze in das neue Versorgungsstrukturgesetz.

Das Vertrauen der Apotheker in die bürgerliche Politik gehe inzwischen »gegen Null«. Ihre finanzielle Belastung werde immer größer, beklagte Wolf und kritisierte die Belastung durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG), den hohen Apothekenabschlag und die seit Jahren fehlende Dynamisierung des Apothekenhonorars. Das AMNOG habe bereits tiefe Einschnitte hinterlassen – für viele Apotheken zu tiefe. »Jeden Tag macht eine Apotheke dicht.« Damit sei die Versorgung in Deutschland gefährdet. Die Regierungskoalition habe bislang keine Lösungen geliefert und strukturell nichts für die pharmazeutische Versorgung der Patienten und nichts für die Apotheken getan. »Im Gegenteil: Ankündigungen und Zusagen wurden nicht eingehalten, auch wenn diese schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag stehen«, sagte Wolf. Ihm fehle das Verständnis dafür, dass die Regierung die Apotheker immer wieder vertröste. Sie habe Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser finanziell besser und die Krankenkassen »bestens« gestellt. So habe die Gesetzliche Krankenversicherung ein gigantisches Guthaben von etwa 10 Milliarden Euro aufgebaut. »Wir bluten aus, damit andere sich die Schatztruhe füllen.« Politik für den Mittelstand sehe anders aus.

Die Doppelbelastung durch den erhöhten Apothekenabschlag von 200 Millionen Euro und den ebenso hohen Sparbeitrag, den der pharmazeutische Großhandel auf die Apotheken abwälzt, hielten viele Apotheken nicht aus. Wolf sprach von einer »schwarz-gelben Abrissbirne«, die über den Apothekern schwinge. »Die muss angehalten und wieder runtergelassen werden«, forderte er unter Beifall. Das handwerklich schlecht gemachte Gesetz müsse korrigiert werden. Wer eine flächendeckende pharmazeutische Versorgung ernst nimmt, dürfe eine solche Politik nicht verfolgen. Er appellierte an die Politiker, mit den Gesprächen sofort zu beginnen.

 

Nachdrücklich forderte Wolf eine gerechte Apothekenhonorierung. Die Anhebung des Apothekenabschlags müsse auf 2011 begrenzt werden. Denn die Apotheker hätten bereits in diesem Jahr die gesetzlich vorgegebene Einsparsumme für zwei Jahre geleistet. Als Ausgangsbasis für den auszuhandelnden Abschlag müs­se bereits ab nächstem Jahr der von Selbstverwaltung und Schieds­amt festgelegte Betrag von 1,75 Euro gelten.

 

Zudem sei die apothekerliche Leistungsvergütung seit Einführung des Kombimodells 2004 nicht mehr verändert worden. »Wir fordern eine angemessene Honorierung – nicht mehr und nicht weniger.« Die Vergütung müsse an die realen Aufwands- und Kostensteigerungen angepasst und zukunftsfest dynamisiert werden, sagte er zu den Politikern.

 

Die Apotheker als freie Heilberufler wollten pharmazeutische ebenso wie wirtschaftliche Verantwortung tragen und ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag auch zukünftig nachkommen, bekräftigte der ABDA-Präsident. Dafür seien zukunftssichere Rahmenbedingungen und eine gerechte Entlohnung notwendig. »Die pharmazeutische Versorgung der Patienten und rund 150 000 wohnortnahe mittelständische Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.«

Auch auf dem pharmazeutischen Feld sieht Wolf dringenden Handlungsbedarf. Beispielsweise steht die Umstellung der Packungsgrößenverordnung auf eine Reichdauerorientierung ab 2013 immer noch im Gesetz – obwohl sie angeblich keiner mehr will. Doch wenn keiner handelt, komme die »Jumbopackungsregelung« doch. Sinkt die Packungszahl in den Apotheken, »bricht die Vergütung der Apotheken total zusammen«.

 

Die Rabattverträge als »heilige Kühe von Krankenkassen und Politik« griff Wolf nicht in toto an, kritisierte aber deren Gestaltung. Wenn Hersteller Ausschreibungen gewinnen, obwohl sie gar keine entsprechenden Produkte auf dem Markt haben, seien dies »pharmazeutische Leerverkäufe«. Die gehörten schnellstens verboten. »Verträge über nicht vorhandene Produkte gehören schlicht auf den Müll.«

 

Energisch warb Wolf in Düsseldorf für das ABDA-KBV-Konzept. Damit hätten Ärzte und Apotheker ein stimmiges Modell vorgelegt, das die Rahmenbedingungen für die Versorger verbessert, überflüssige Bürokratie abbaut und vor allem die Versorgung der Patienten verbessert, betonte Wolf. Dabei spare es mehr als 2 Milliarden Euro für die Krankenkassen. Dieses Modell »gehört als Kernstück mitten ins Herz des Versorgungsstrukturgesetzes« und zwar in Gänze mit allen drei Bestandteilen: Medikationsmanagement, gestützt durch die Wirkstoffverordnung und einen bundesweiten Medikationskatalog – keine Positivliste.

 

Bislang täusche der Name des Gesetzentwurfs über den Inhalt, denn die Verbesserung der pharmazeutischen Versorgung der Patienten komme darin gar nicht vor, kritisierte Wolf. Doch man müsse das gesamte Versorgungspaket ernst nehmen. Daher sei das Arzt-Apotheker-Konzept ein echter Schritt nach vorne, den niemand ablehnen könne, dem es um echte Verbesserung der Versorgung geht.

 

Bei der Anhörung zum Versorgungsstrukturgesetz im Bundestag werden die Heilberufler vehement für ihr Modell kämpfen, versprach Wolf.

 

Wolf verwies auf den hohen deutschen Standard in der Arzneimittelversorgung der Bürger. Dieses Niveau sei weltweit anerkannt und müsse Verpflichtung für die Zukunft sein. Es dürfe nicht abgesenkt und ausgehöhlt werden, sagte Wolf mit Blick auf die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung. Dieses »Grundgesetz der Apotheker« sei eine Angelegenheit des gesamten Berufsstands. Dieser werde von der ABDA und den Apothekerkammern vertreten, sagte der Präsident mit einem Seitenhieb auf andere Verbände, die vorgäben, die gemeinsamen Interessen der Apothekerschaft zu vertreten.

 

»Wir sagen Nein zur Wellblech­apotheke auf der grünen Wiese, Nein zur Apotheke Zweiter Klasse, Nein zur Zwei-Klassen-Pharmazie.« Die Apotheker wollten keine Apotheke, die nicht mehr alle Aufgaben erfüllen kann, und keine »abgespeckte Pseudoapotheke«, sagte Wolf entschieden. »Die ABDA und die Bundesapothekerkammer werden mit Zähnen und Klauen dafür kämpfen, dass es keine Apotheke light geben wird.«

 

Die Apotheker wollen weiterhin Verantwortung übernehmen und pharmazeutische Versorgung auf hohem Niveau leisten, resümierte Wolf seine Rede, die die Delegierten mit viel Applaus und stehenden Ovationen aufnahmen. Der Berufsstand müsse noch enger zusammenstehen und gemeinsam Position beziehen. Nur so könne er Politik gestalten. »Unsere Konzepte sind richtig. Gemeinsam mit der Politik wollen wir den richtigen Weg in die Zukunft einschlagen.« /

Kommentar

Verkehrte Welt?

Apotheker gelten als mehrheitlich konservativ. Die Eröffnung des deutschen Apothekertages lässt daran zweifeln. Johannes Singhammer und Annette Widmann-Mauz sahen sich während ihrer Grußworte mehrfach mit Unmutsäußerungen der Apotheker konfrontiert. Dagegen bekam die Grünen-Politikerin und nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens Szenenapplaus und am Ende ihrer Rede viel Zustimmung. Vor einigen Jahren wäre dieses Szenario kaum denkbar gewesen.

 

Ob dies mehr als Momentaufnahmen sind, die an die Überzeugung einzelner Personen gebunden sind, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass das alte Lagerdenken im Gesundheitswesen überkommen ist. Ministerin Steffens hat viele richtige Fragen gestellt, sie war dabei auch absolut überzeugend, während Singhammer und Widmann-Mauz sich demonstrativ im Unkonkreten bewegten.

 

Haben sich die politischen Vorstellungen der Apotheker in den vergangenen Jahren also so dramatisch verschoben? Ich denke nicht. Verändert hat sich eher die politische Landschaft. Ist ein wertkonservativer Grüner links? Ist ein neoliberaler FDP-Politiker rechts? Leichter wird die politische Arbeit für die Apotheker dadurch sicher nicht. Weil es aber mehr potenzielle Verbündete gibt, birgt die Entwicklung aber auch Chancen.

 

Daniel Rücker, PZ-Chefredakteur

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