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PZ-Innovationspreis

Erste orale MS-Therapie gekürt

11.10.2011  14:41 Uhr

Von Sven Siebenand / Der Gewinner des PZ-Innovationspreises 2011 ist Fingolimod (Gilenya®). Es ist das erste orale Medikament für Multiple-Sklerose-Patienten. Im Rahmen der Expopharm übergab Arzneistoff­experte Professor Dr. Hartmut Morck den Preis an Dr. Ferenc Tracik von Hersteller Novartis Pharma.

Aus insgesamt 19 neuen Arzneistoffen, die zwischen dem 1. Juli 2010 und dem 30. Juni 2011 in Deutschland auf den Markt gekommen sind, wählte eine siebenköpfige unabhängige Jury die Sprunginnovation Fingolimod aus. In die nähere Auswahl waren der PDE-4-Hemmer Roflumilast (Daxas®), der Antikörper Denosumab (Prolia®) und mikrobielle Kollagenase (Xiapex®) ge­kommen. Morck nannte die Gründe, warum die Wahl letztlich auf das MS-Medikament fiel. »Fingolimod ist ein ganz neues Therapeutikum gegen MS, das oral appliziert werden kann.« Zudem habe das Präparat einen neuen Wirkmechanismus.

Fingolimod ist in Europa zur Monotherapie für Erwachsene mit hochaktiver, schubförmig-remittierend verlaufender MS zugelassen, die trotz Behandlung mit einem Beta-Interferon eine hohe Krankheitsaktivität haben (sogenannte Eskalationstherapie). In anderen Ländern, zum Beispiel den USA oder Australien, ist Fingolimod auch zur Erstlinientherapie zugelassen. Die- se ist hierzulande nur bei rasch voranschreitenden Verlaufsformen erlaubt.

 

In der Regel ist die Umstellung von Interferon oder Glatirameracetat auf Fingolimod direkt möglich. Bei Natalizumab ist eine längere Wartezeit einzuplanen. Die Patienten sollen täglich eine Kapsel mit 0,5 mg Wirkstoff unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen.

 

»Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung, die das Engagement von Novartis in der Behandlung der MS würdigt«, so Tracik. Das Unternehmen werde auch weiterhin auf dem Gebiet der MS-Therapeutika forschen. So laufen zum Beispiel Studien mit Fingolimod weiter. Eine davon solle zeigen, dass die Substanz auch bei der primär progredienten MS wirkt, eine Verlaufsform, die bisher nicht gut behandelbar ist. »Gerade ist auch eine Phase-III-Studie mit einer Folgesubstanz von Fingolimod angelaufen«, informierte der Mediziner. Diese mache sogar eine personalisierte MS-Therapie möglich. Zudem befinde sich ein Interleukin-17-Antikörper in der Pipeline. Dieser könnte in einigen Jahren unter anderem bei MS zum Einsatz kommen.

 

Fingolimod ist nicht nur das erste orale MS-Medikament in Deutschland, sondern auch der erste Vertreter einer neuen Arzneistoffklasse mit immunmodulierendem Wirkmechanismus. Es ist ein sogenannter Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptormodulator. Nachdem Fingolimod in vivo in die aktive, phosphorylierte Wirkform überführt worden ist, bindet die Substanz an Sphingosin-1-phosphat-Rezeptoren auf den T-Lymphozyten. Das führt zur Internalisierung der Rezeptoren, was den Austritt der T-Zellen aus dem lymphatischen Gewebe blockiert. Weniger autoreaktive T-Zellen gelangen ins Blut, was letztlich Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem verhindert. Nach Absetzen des Medikamentes ist die Immunkompetenz des Patienten innerhalb von einigen Wochen wieder wie vor der Behandlung.

 

»Aus der Sicht eines klinisch tätigen Neurologen ist die Auszeichnung von Fingolimod gerecht und verdient«, wertete Professor Dr. Bernd C. Kieseier von der Neurologischen Klinik der Universität Düsseldorf. Fingolimod sei im umfangreichsten Phase-III-Studienprogramm untersucht worden, das es bei MS jemals gegeben habe. In den Phase-III-Studien FREEDOMS und TRANSFORMS erwies sich Fingolimod nach 24 beziehungsweise zwölf Monaten im Hinblick auf die Reduktion der jährlichen Schubrate nicht nur gegenüber Placebo (FREEDOMS), sondern auch gegenüber der aktiven Therapie mit Interferon beta-1a intramuskulär (TRANSFORMS) als signifikant überlegen. Bei behandlungsnaiven Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und vorbehandelten Patienten reduzierte Fingolimod die jährliche Schubrate innerhalb von zwölf Monaten im Vergleich zu Interferon beta-1a intramuskulär um 52 Prozent.

 

In absoluten Zahlen: Die jährliche Schubrate lag bei 0,16 versus 0,33. Kieseier informierte zudem, dass sich in der FREEDOMS-Studie auch der Anteil der Patienten mit bestätigter Behinderungsprogression reduzierte. So kam es bei 17 Prozent der Patienten im Fingolimod-Arm versus 24 Prozent unter Placebo zur Progression einer Behinderung. In der TRANSFORMS-Studie war der Anteil der Patienten mit nach drei Monaten bestätigter Behinderungsprogression unter Fingolimod (6 Prozent) ähnlich niedrig wie in der Vergleichsgruppe (8 Prozent).

 

Mittlerweile nehmen weltweit mehr als 10 000 Patienten Fingolimod ein. »Seit der Zulassung sehen wir bei den Nebenwirkungen nichts Unerwartetes«, informierte Kieseier. Als Nebenwirkungen wurden in Studien sehr häufig Kopfschmerzen, Husten, Grippeinfektionen, Durchfall, Rückenschmerzen und der Anstieg von Leberenzymen beobachtet. Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko aufgrund eines geschwächten Immunsystems dürfen kein Fingolimod erhalten. Gleiches gilt für Patienten mit bestehender Infektion oder einer chronischen Infektion wie Hepatitis. Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen sollten generell nicht mit dem Immunmodulator behandelt werden, ebenso sieht es bei Krebspatienten aus, als einzige Ausnahme gelten Patienten mit Basalzellkarzinom der Haut. Vor Therapiebeginn muss bei Frauen im gebärfähigen Alter durch einen Test eine Schwangerschaft ausgeschlossen sein.

 

Laut Fachinformation trat bei 0,4 Prozent der mit 0,5 mg Fingolimod täglich behandelten Patienten ein Makulaödem auf. Aus diesem Grund sollten die Patienten drei bis vier Monate nach Start der Therapie einen Augenarzt aufsuchen. /

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