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Autophagie

Lebenswichtiger Recyclingprozess

05.10.2016  09:16 Uhr

Von Annette Mende / Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht an den Japaner Professor Dr. Yoshinori Ohsumi. Er entdeckte in den 1990er-Jahren, wie ein Vorgang funktioniert, mit dem Zellkomponenten abgebaut und recycelt werden: die Autophagie.

Autophagie ist ein evolutionär konservierter Prozess von eukaryotischen Zellen. Er dient der Zelle dazu, nicht mehr benötigte oder defekte Teile abzubauen und zu recyceln. Im Unterschied zu anderen Abbaumethoden werden bei der Autophagie langlebige Proteine, makromolekulare Komplexe und ganze Organellen abgebaut, etwa Mitochondrien, Peroxisome und das endoplasmatische Retikulum. Das Ganze findet statt in speziellen Zellorganellen, den Lyso­somen, für deren Entdeckung der belgische Biochemiker Christian de Duve 1974 den Nobelpreis erhielt.

Forschung an Hefezellen

 

Für den Prozess in den Lysosomen prägte de Duve den Begriff Auto­phagie, der sich aus den griechischen Wörtern autos und phagein zusammensetzt und »sich selbst essen« bedeutet. Wie genau die Autophagie abläuft, war allerdings zunächst unklar. Der 1945 in Fukuoka geborene Ohsumi forscht auf diesem Gebiet seit Ende der 1980er-Jahre. Er untersuchte zunächst die Vakuolen in Hefezellen, die dem Lyso­som in menschlichen Zellen entsprechen. Hier stellte sich ihm das Prob­lem, dass sich die inneren Strukturen der kleinen Hefezellen unter dem Mikroskop nicht gut unterscheiden ließen, weshalb er zunächst nicht sicher war, ob die Autophagie in Hefezellen überhaupt abläuft.

 

Er löste dieses Problem mit einem Trick: In mutierten Hefezellen, denen bestimmte Enzyme für den Abbauprozess fehlten, kurbelte er die Autophagie an, indem er sie hungern ließ. Innerhalb weniger Stunden sammelten sich da­raufhin kleine Vesikel in den Vakuolen an – Autophagosomen, die aufgrund der Genmutation der verwendeten Hefe­zellen nicht weiter abgebaut wurden. Damit hatte Ohsumi nicht nur bewiesen, dass Autophagie auch in Hefezellen existiert, sondern gleich auch eine Methode entwickelt, mit der er die an diesem Prozess beteiligten Gene charakterisieren konnte.

 

»In einer Folge von eleganten Experimenten«, wie das Nobelpreiskomitee es in einer Pressemitteilung formuliert, gelang es Ohsumi, die an der Auto­phagie beteiligten Gene zu identifizieren und die von ihnen codierten Prote­ine funktionell zu charakterisieren. Er zeigte, dass die Autophagie von einer Kaskade von Proteinen und Proteinkomplexen kontrolliert wird, die jeweils für einen ganz bestimmten Schritt in dem Ablauf zuständig sind. Schnell stellte sich heraus, dass der Kontrollmechanismus der Autophagie in menschlichen Zellen nahezu identisch mit dem in Hefezellen ist.

 

Mittlerweile weiß man, dass Autophagie wichtige physiologische Abläufe kontrolliert, bei denen Zellbestandteile abgebaut und wiederverwendet werden. Mittels Autophagie können schnell Energie und Bauteile für Zellkomponenten gewonnen werden, weshalb sie an der zellulären Reaktion auf Hunger und Stress beteiligt ist. Nach einer Infektion kann Autophagie Bakterien und Viren beseitigen, die in die Zelle gelangt sind. Da dabei keine eigenen Zellbestandteile verdaut werden, sondern fremde (Griechisch: xenos), spricht man dann jedoch korrekt von Xeno­phagie.

 

Angriffspunkt für Arzneien

 

In der Zelldifferenzierung und Embryogenese spielt die Autophagie ebenso eine Rolle. Fehlfunktionen, wie sie bei einigen autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen vorliegen, können unter anderem zu Fehlbildungen des Gehirns, Entwicklungsverzögerung, Epilepsie und Neurodegeneration führen. Auch für gesundes Altern ist ein gut funktionierendes zelleigenes Recyclingsystem eine Voraussetzung. So verwundert es nicht, dass Störungen der Autophagie mit Parkinson, Typ-2-Diabetes, Krebs und anderen Erkrankungen des höheren Lebensalters in Verbindung gebracht wurden. Hier bieten sich potenzielle Angriffspunkte für neue Arzneistoffe.

 

Obwohl mittlerweile klar ist, dass die Autophagie eine grundlegende Bedeutung für die Zelle hat, besteht weiterer Forschungsbedarf. »Seit 27 Jahren arbeite ich an dem Thema, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich das alles verstanden habe«, sagte Ohsumi dem japanischen Fernsehsender NHK. Es gebe noch Vieles zu entdecken und er wolle seine Forschung weitertreiben, so der Nobelpreisträger. /

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