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Arzneimittelsicherheit

Bedenken bei Parallel- und Importware?

Datum 04.10.2011  17:04 Uhr

ZL / Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) erhält jährlich zwischen 1500 und 2000 Proben mit Verdacht auf Qualitätsmängel, die dort im Auftrag der Arzneimittelkommission der Deutscher Apotheker (AMK) analytisch untersuchen werden. Vor allem die Zahl der Einsendungen »nicht originaler« Präparate hat enorm zugenommen.

Bei dieser Thematik ist es hilfreich, einleitend einige Begriffe zu erklären. Wer ein Medikament auf den Markt bringen will, braucht eine Genehmigung. Zulassungen für Medikamente können je nach Art des Arzneimittels beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder der EMA (Europäische Zulassungsagentur) beantragt werden. Unterschieden werden:

 

Nationale Zulassung (nur in einem EU-Mitgliedstaat gültig, erteilt durch zuständige nationale Behörden)

Zentrale Zulassung (gültig im gesamten EWR, erteilt durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA London))

Dezentrale Zulassung (gleichzeitige nationale Zulassungen in mehreren EU-Staaten, »Verfahren der gegenseitigen Anerkennung«)

 

Wer ist pharmazeutischer Unternehmer?

 

Pharmazeutischer Unternehmer ist (Definition nach §4 Abs. 18 Arzneimittelgesetz (AMG)):

 

jeder Inhaber von Arzneimittelzulassungen

jeder Inhaber von Arzneimittelregis­trierungen

jeder, der Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt

 

Was bedeutet Mitvertrieb?

 

Beim Mitvertrieb gestattet der Zulassungsinhaber einem anderen Unternehmen durch privatrechtliche Vereinbarung von der Zulassung Gebrauch zu machen. In dem Fall bringt der Mitvertreiber das gleiche Arzneimittel unter eigenem Namen in den Verkehr. Deshalb sind definitionsgemäß sowohl der Zulassungsinhaber als auch der Mitvertreiber pharmazeutischer Unternehmer. Die Namen und Anschriften beider sind dann auf der äußeren Umhüllung, dem Behältnis und der Packungsbeilage anzugeben (Doppelde­klaration, §§ 10 und 11 AMG).

 

Was ist ein Reimport?

 

Reimporte sind Arzneimittel, die in Deutschland produziert und in andere EU-Länder exportiert wurden. Dort werden sie zu einem günstigeren Preis eingekauft und wieder nach Deutschland re-importiert. Weil sie im Ausland billiger sind als in Deutschland, kann der Re-Importeur sie zu einem Preis anbieten, der unter dem Produktpreis des direkt in Deutschland vertriebenen Präparates liegt.

 

= identisches Präparat

 

Was ist ein Parallelimport?

 

Bei einem Parallelimport wird ein Arzneimittel, das in einem anderen EU-Staat bereits zugelassen ist, dort (günstiger) eingekauft und nach Deutschland importiert. Dieses Arzneimittel muss »im Wesentlichen« identisch sein mit dem »Originalarzneimittel« (= Bezugsarzneimittel, das eine gültige nationale Zulassung aufweist). Der Importeur bringt das Präparat dann parallel zu dem ursprünglichen Pharmazeutischen Unternehmer in Deutschland in den Verkehr. »Im Wesentlichen« identisch bedeutet, dass Art und Menge des arzneilich wirksamen Bestandteils, sowie Darreichungsform und Art der Anwendung identisch sein müssen, Abweichungen in den Hilfsstoffen sind zu akzeptieren.

Weil die Bezugszulassung aber dem »ursprünglichen pharmazeutischen Unternehmer« gehört, braucht der Parallelimporteur eine eigene nationale Zulassung. Die bekommt er in einem sogenannten »vereinfachten Verfahren«. Der Parallelimport von Arzneimitteln ist gesetzlich erlaubt und wird in Deutschland staatlich gefördert.

 

Parallelimporteure benötigen – wie alle pharmazeutischen Unternehmer–eine Herstellungserlaubnis (§ 13 AMG) für das Kennzeichnen der Behältnisse in deutscher Sprache sowie gegebenenfalls das Umpacken (nur äußere Umhüllung!) und die anschließende Freigabe, einen Stufenplanbeauftragten (§ 63a AMG) sowie einen Informationsbeauftragten (§ 74a AMG). Sie unterliegen der Überwachung durch die zuständigen Gesundheitsbehörden der Bundesländer.

 

Viele der zugelassenen Importarzneimittel werden im Exportstaat und in Deutschland von derselben pharmazeutischen Unternehmensgruppe hergestellt und in den Verkehr gebracht und sind in ihrer Zusammensetzung völlig identisch mit dem deutschen Bezugsarzneimittel.

 

= oftmals identisch, aber nicht zwingend

 

Was ist Parallelvertrieb ?

 

Besitzt das importierte Präparat eine EU-Zulassung (erkennbar am »EU« als Bestandteil der Zulassungsnummer), ist eine »eigene« nationale Zulassung durch den Importeur nicht mehr erforderlich. Das Präparat kann dann einfach »parallel-vertrieben« werden. Die EMA und die nationalen Behörden derjenigen Mitgliedstaaten, in denen das jeweilige Arzneimittel parallel vertrieben werden soll, müssen vorher von dem Import in Kenntnis gesetzt werden (sogenanntes »Notifizierungsverfahren«). Als pharmazeutischer Unternehmer wird nun der Importeur benannt.

 

= »Originalpräparat«

 

Gibt es Unterschiede?

 

Im ZL werden zunehmend Einsendungen von Patienten zur Untersuchung vorgelegt, die über nebenwirkungsstarke und/oder wirkungslose, -abgeschwächte, -veränderte parallelimportierte Arzneimittel berichten, während das »Original« immer gut vertragen und als wirksam empfunden wurde.

 

Das ZL nimmt jede dieser Reklamationen ernst. Trotz wirkstoffgleicher Arzneimittel ist es nicht auszuschließen, dass zum Beispiel ein unterschiedliches Verhältnis zwischen wirksamen Bestandteilen und Hilfsstoffen, eine variierende Hilfsstoffzusammensetzung und/oder die Art der galenischen Verarbeitung zu »individuell wahrnehmbaren« Unterschieden der Wirkstofffreisetzung und des Wirkprofils führen können. Diese individuell wahrgenommenen Unterschiede sind aber analytisch nicht zu verifizieren. Unter Laborbedingungen werden In-vitro-Ergebnisse erzielt. Eine In-vivo-Korrelation durch vergleichende Bioverfügbarkeitsstudien mit den reklamierenden Einzelpatienten als Probanden ist nicht abbildbar. Daher müssen sich die Untersuchungen an den Vorgaben der Arzneibücher oder den Spezifikationen der Zulassungsdossiers orientieren.

 

Ein regelmäßig wegen Wirkungslosigkeit reklamiertes Präparat ist parallel vertriebenes Viagra. Hier handelt es sich um ein zentral durch die EMA (London) zugelassenes Arzneimittel (Zulassungsinhaber und »normalerweise« pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Limited, Kent UK, Zulassungsnummer: EU/1/98/077/… (Dosis- und Packungsgrößenabhängige letzte Ziffern), bei dem die Importware wie auch das Originalpräparat in der gleichen Herstellungsstätte (Pfizer PGM, 37530 Pocé-sur-Cisse, Frankreich) mit identischer Zusammensetzung hergestellt und freigegeben werden. Die Importeure (Axicorp Pharma, Kohlpharma, Emra med, Eurim, CC-Pharma et cetera) übernehmen ausschließlich den Parallelvertrieb, gegebenenfalls die Umverpackung des Präparates und treten dadurch als pharmazeutischer Unternehmer auf.

 

Bislang wurden im ZL keine Unterschiede zwischen »Originalware« und parallel-vertriebenen Arzneimitteln detektiert. Die reklamierten Präparate enthielten den angegebenen Wirkstoff in der deklarierten Menge. Auffälligkeiten oder signifikante Unterschiede bezüglich Zerfallszeit oder Freisetzung konnten in keinem Fall analytisch bestätigt werden.

 

Fazit

 

Keine Angst bei Parallel- und Importware? Jein. Denn durch das (komplexe) Parallel- und Reimportgeschäft wird zusätzlich eine andere Tür geöffnet, die sich in einer Zunahme der Fälschungen in der regulären Lieferkette äußert. Zum einen aufgrund der »gängigen« Praxis des Umpackens zugelassener parallel-importierter Arzneimittel: Ein Arzneimittel, das zum Beispiel in Griechenland hergestellt wird, um in Deutschland (wegen der Preisdifferenz) teurer verkauft zu werden, muss umgepackt, eventuell zerschnitten, anders portioniert, umsortiert und mit deutschsprachigen Etiketten beklebt werden. Dadurch könnten die vom Originalhersteller aufgebrachten »fälschungssicheren, -schützenden« Maßnahmen zerstört werden. Zum anderen führt die zunehmende Anzahl von Groß- und Zwischenhändlern dazu, dass ein Arzneimittel, bevor es den Patienten erreicht, durch viele Hände an vielen Orten geht. Ein Vorbeileiten am eigentlichen Zielland und Verkauf in einem anderen Land, in dem höhere Preise locken, ist auch nicht ausgeschlossen. All dies beeinflusst die Versorgungssysteme, kann zu Engpässen führen und erhöht dadurch vor allem die Gelegenheit für das Einschleusen von Fälschungen. Darum sollte nach wie vor jeder Hinweis von Patienten auf mögliche Qualitätsmängel auch bei diesen Waren sehr ernst genommen werden. / 

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