Pharmazeutische Zeitung online
Natalizumab

Erhöhte klinische Wachsamkeit

30.09.2008  14:17 Uhr

Natalizumab

<typohead type="3">Erhöhte klinische Wachsamkeit

Von Christiane Berg, Hamburg

 

Seit Markteinführung in den USA und Europa erkrankten unter der Therapie mit Natalizumab weltweit fünf Patienten an der schweren Hirninfektion PML. Für zwei endete sie tödlich. Dennoch hält der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) an einer positiven Nutzenbewertung fest. Für viele MS-Patienten ist der monoklonale Antikörper die letzte Chance. 

 

Natalizumab ist zugelassen bei Patienten mit schnell voranschreitender, schwerer schubförmig remittierender MS beziehungsweise bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz Behandlung mit Interferon-β. Der α-4-Integrin-Inhibitor ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von Medikamenten, die als selektive Hemmstoffe für Adhäsionsmoleküle (SAM-Inhibitoren) bezeichnet werden. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen Oberflächenrezeptoren auf Leukozyten, mit deren Hilfe diese die Blut-Hirn-Schranke überwinden und die Myelinschicht der Nervenzellen im Gehirn schädigen können.

 

»Natalizumab zeigte in der zweijährigen placebokontrollierten Zulassungsstudie AFFIRM (Natalizumab Safety und Efficacy in Relapsing remitting MS) eine sehr gute Wirksamkeit«, resümierte Professor Dr. Bernd Kieseier, Düsseldorf, auf einer Veranstaltung der Biogen Idec GmbH im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die jährliche Schubrate konnte um 68 Prozent, das Voranschreiten der Behinderung um 54 Prozent reduziert werden. Im MRT hatte sich die Zahl neuer beziehungsweise sich vergrößernder T2-Läsionen um 83 Prozent vermindert. Die Zahl Gadolinium-positiver Herde war um 92 Prozent gesunken. Dieses könne als Zeichen gewertet werden, dass Natalizumab auch subklinische Entzündungsherde im ZNS reduzieren kann, so Kieseier.

 

»Die Post-hoc-Auswertung der Zulassungsstudie untermauert die Effektivität«, führte der Leiter der MS-Spezialambulanz der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf weiter aus. Jeder dritte mit Natalizumab behandelte Patient (37 Prozent) sei gänzlich frei von Krankheitsaktivität geblieben. Auch im dritten Behandlungsjahr bleibe die Schubrate stabil niedrig, der Anteil progressionsfreier Patienten sei mit fast 90 Prozent weiter sehr hoch. Natalizumab, so Kieseier, zeigt auch auf die Lebensqualität einen günstigen Einfluss: Während Patienten, die Placebo erhielten, eine Einbuße der Lebensqualität sowohl im physischen (- 1,3 Punkte nach dem SF-36-Gesundheitsfragebogen) als auch im mentalen Bereich (- 0,5 Punkte) hinnehmen mussten, sei das physische (+ 0,7 Punkte ) und mentale Wohlbefinden (+ 2,0 Punkte) unter der Therapie mit Natalizumab gestiegen.

 

Wiederzulassung nach Rücknahme

 

Natalizumab wurde im November 2004 von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zur Therapie der schubförmigen MS zugelassen. Bereits drei Monate später wurde der Wirkstoff wieder vom Markt genommen, nachdem unter der Therapie drei Erkrankungen an Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie (PML) registriert worden waren. Zwei Fälle traten nach zweijähriger MS-Therapie mit Natalizumab in Kombination mit Interferon-b auf. Ein Patient litt unter Morbus Crohn und war im Vorfeld der Natalizumab-Therapie über lange Zeit mit Immunsuppressiva behandelt worden. Zwei der Patienten verstarben; der dritte erlitt schwere Behinderungen. Nach dem Rückruf wurden mehr als 3000 Patienten nachuntersucht. Dabei wurden keine weiteren PML-Fälle entdeckt. Mitte 2006 kam Natalizumab in den USA wieder auf dem Markt. Im gleichen Jahr wurde der Antikörper auch in Europa zugelassen. Natalizumab 300 mg wird einmal alle vier Wochen als einstündige Infusion verabreicht.

 

Ende Juli 2008 wurden erstmalig  auch in Europa zwei PML-Erkrankungen bei Patienten unter alleiniger Therapie mit Nataluzimab registriert. Ein skandinavischer und ein deutscher Patient erkrankten nach 12- beziehungsweise 15-monatiger Natalizumab-Behandlung, wobei der deutsche Patient eine langjährige Vortherapie mit Azathioprin erhalten hatte. Als Ausdruck einer »selektiven Immunschwäche« ist die PML bei beiden Patienten mit deutlich kürzerer Latenz als bei den früher berichteten Fällen aufgetreten.

 

PML im Hinterkopf behalten

 

»Natalizumab ist und bleibt eine vielversprechende Behandlungsoption bei Multipler Sklerose« so Kieseier. Er verwies auf die Stellungnahme des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V. (DMSG), Hannover, vom 4. September 2008, in der das Nutzen-Risiko-Profil von Natalizumab nach wie vor unverändert positiv bewertet wird. Zwar sei »jetzt klar, dass PML sehr wohl auch unter Monotherapie mit Natalizumab auftreten kann und dass wahrscheinlich mit weiteren Fällen zu rechnen ist. Momentan jedoch sehen wir keine über die bisherigen Empfehlungen hinausgehenden Einschränkungen für den therapeutischen Einsatz von Natalizumab, durch den viele MS-Patienten, bei denen andere Therapien versagten, im Alltag stabilisiert werden«, so der Ärztliche Beirat des DMSG. Wichtig sei es, im Umgang mit Natalizumab besondere Sorgfalt und erhöhte klinische Wachsamkeit walten zu lassen und bei neu auftretenden neurologischen oder psychiatrischen Symptomen an eine PML zu denken.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
THEMEN
EuropaHamburg

Mehr von Avoxa