Verbraucherschutz braucht Sicherheit |
02.10.2007 12:02 Uhr |
<typohead type="3">Verbraucherschutz braucht Sicherheit
Arzneimittel aus der Drogerie oder Tankstelle: Die Beliebigkeit der Abgabestellen bedroht die Arzneimittelsicherheit. Welche Rahmenbedingungen nötig sind, um den Verbraucher vor Anwendungsrisiken zu schützen, diskutierten Experten und Delegierte im zweiten Arbeitskreis auf dem Apothekertag.
»Arzneimittel sind eine Ware der besonderen Art, da eine falsche Anwendung die Gesundheit beeinträchtigen kann«, sagte Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes. Diesem Argument konnte sich Dr. Stefan Etgeton, Referent für Gesundheit der Verbraucherzentrale Bundesverband, anschließen. Er betonte auch, dass Arzneimittel eben doch eine Ware seien, die von Konzernen produziert und mit Gewinn vertrieben werden. Etgeton bemerkte aber, dass die Sicherheit der Vertriebswege ein wichtiger Aspekt des Verbraucherschutzes sei. Ein kritischer Punkt sei die Beratung zum Arzneimittel, die beim Versand nicht gewährleistet ist.
Der EuGH habe diese Gefahr der mangelnden Beratung beim Versandhandel für die Gesundheit der Verbraucher bereits 2003 erkannt und in einem Urteil beschrieben, sagte der Jurist Professor Dr. Christian Starck. »Die deutsche Regierung hätte seitdem die Aufgabe gehabt, den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten«, sagte Starck. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht müsste der Versandhandel dieser Waren wieder verboten werden. Und selbst bei nicht verschreibungspflichtigen Präparaten könnte ein Beratungsmangel zu Problemen führen.
Bedenken hat auch Ministerialrat Walter Frie vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. »Einen Rat kann ich am besten geben, wenn ich dem Patienten ins Gesicht sehe.« Daher wird sein Ministerium einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat einbringen, der den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbietet. Im Zentrum dieser Initiative stehe aber nicht die Apothekerschaft, sondern der Patient, betonte Frie.
Der Verbraucherschützer Etgeton wandte ein, dass bei aller Kritik am Versandhandel dennoch »die Pluralität der Vertriebswege« gewahrt werden müsse. Er habe den Eindruck, dass der Berufsstand den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten bekämpfe, um im zweiten Schritt den gesamten Versand abzuschaffen und damit »den verlorenen Kampf von 2003« wieder aufzunehmen. Dagegen wehre er sich im Interesse der Verbraucher, sagte Etgeton.
Die Zielsetzung der ABDA sei nicht, den Versandhandel wegen des Versandhandels zu bekämpfen, stellte der Moderator der Diskussion, Lutz Tisch, Geschäftsführer Apotheken- und Arzneimittelrecht der ABDA, klar. Das Ziel sei vielmehr, die drohende Beliebigkeit der Abgabestellen zu verhindern. »Wenn dies auf einem anderen Weg möglich ist, als den Versandhandel zu verbieten, soll uns das recht sein«, sagte Tisch.
Kein Konzessionssystem
Abgesehen von Etgeton waren sich die Diskutanten auch in ihrer Bewertung des Fremdbesitzes einig. DAV-Vorstandsmitglied Koch konnte ihre Position sogar mit eigenen Erfahrungen stärken: »Bis 1990 habe ich in der DDR in einer Kettenapotheke gearbeitet.« Freie Entscheidungen im Sinne der Patienten seien dort nicht möglich.
Nach Starcks Einschätzung wird Koch diese Erfahrungen nicht mehr erweitern müssen. Er hält es für unwahrscheinlich, dass der EuGH das Fremdbesitzverbot kippt: »Der EuGH ist dafür nicht zuständig, dafür ist der nationale Gesetzgeber verantwortlich.« Schon deshalb sei der Vorschlag von Celesio/Gehe unsinnig, den Fremdbesitz zu erlauben und gleichzeitig ein Konzessionssystem einzuführen, dass die Eröffnung neuer Apotheken beschränkt.
Für ausgeschlossen hält es Starck, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit mit deutschem und europäischem Recht zu vereinbaren sei. Dies sei ein erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit von Apothekern, der nur zu rechtfertigen wäre, wenn es sehr gute Gründe dafür gäbe. Dies sei jedoch sicher nicht der Fall.
Anders als bei den Ärzten, gebe es kein öffentliches Interesse daran, die Zahl der Apotheken zu begrenzen. Während mehr Ärzte auch mehr Verordnungen und damit höhere Ausgaben bedeuten, könnten die Apotheken keine Leistungen zu Lasten der GKV veranlassen. Ein massiver Eingriff in die Berufsausübung sei somit nicht zu begründen.
Während Tisch und Frie wie Starck Apothekenketten ablehnten, mochte sich Etgeton nicht festlegen. Er sieht zwar die Gefahr, dass sich schnell ein Oligopol bilden könnte, was letztlich zu einer schlechteren Versorgung bei steigenden Preise führen würde. Der Verbraucherschützer hält aber auch einen Wettbewerb der Apothekenketten um Service, Preis und Qualität für denkbar.
Der Jurist Professor Dr. Christian Starck ist sich sicher: Ein Konzessionssystem für Apotheken verstößt gegen europäisches Recht. Damit dürften letzte Zweifel beseitigt sein, ob Celesio/Gehe mit seinem Vorschlag Fremdbesitz plus Konzessionen vielleicht doch den richtigen Weg eingeschlagen hat. Die Konsequenzen wären fatal. Der Fremdbesitz käme, das Konzessionssystem würde kassiert. Celesio/Gehe würde das wohl nicht stören, für die freiberuflichen Apotheken wäre es jedoch das Ende.
Daniel Rücker