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Checkpoint-Inhibitoren

Schranke hoch für neue Krebsmittel

23.09.2014  16:59 Uhr

Von Elke Wolf, Frankfurt am Main / Die Dermatoonkologie war bislang keine Disziplin, die mit großen Fortschritten in der Behandlung aufwarten konnte. Doch nun scheint die Therapie des malignen Melanoms gar eine Vorreiterrolle in der Onkologie zu übernehmen. Die Einführung moderner Immuntherapien, die sogenannte Immun-Checkpoints hemmen, bringen Langzeitüberlebensraten, wie sie vor wenigen Jahren noch undenkbar waren.

Das Immunsystem verfügt über eine Reihe von Mechanismen, um überschießende Abwehrreaktionen von T-Lymphozyten zu verhindern. Tumoren missbrauchen diese Immunkontrollpunkte oder auch Checkpoints, um die gegen sie gerichtete Immunabwehr außer Kraft zu setzen. Hier greifen Checkpoint-Inhibitoren ein: Sie hemmen die Signalwege, lösen also gewissermaßen die Bremsen der T-Zellen und geben damit der Körperabwehr wieder die Möglichkeit, den Tumor zu attackieren.

 

»Die Kraft des Immunsystems war lange bekannt. Es fehlten nur bislang die Hebel, um sie gegen den Tumor zu richten«, erklärte Professor Dr. Dirk Schadendorf vom Universitätsklinikum Essen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie, auf dem Deutschen Hautkrebskongress in Frankfurt am Main. Das scheint mit den Checkpoint-Inhibitoren gelungen zu sein. Positive Studiendaten liegen mittlerweile nicht nur für das maligne Melanom vor, das als stark immunogener Tumor gilt, sondern auch für uro­logische Tumoren und das nicht kleinzellige Lungenkarzinom. »Wir gehen derzeit davon aus, dass sich die Immun-Checkpoint-Kontrolle bei vielen Tumoren, auch bei soliden Entitäten, als eine neue Säule der Krebstherapie etablieren wird«, so Schadendorf bei einem von MSD unterstützten Symposium.

 

Längeres Überleben

 

Ipilimumab (Yervoy®), der erste Vertreter der neuen Immuntherapeutika, ist bereits seit drei Jahren auf dem Markt und bei Patienten mit inoperablem malignem Melanom indiziert. Durch diesen CTLA-4-Hemmer konnten die Langzeit-Überlebensraten um 20 Prozent gesteigert werden.

 

Noch wirksamer scheinen Inhibitoren des PD-1-Rezeptors zu sein, wie Nivolumab und Pembrolizumab. Während der Checkpoint CTLA-4 die Interaktion zwischen T-Zelle und Antigen-präsentierenden dendritischen Zellen beeinflusst, hemmt ein weiterer Checkpoint, nämlich PD-1 (Programmed Death-1) zusätzlich die Wechselwirkung von T-Lymphozyten mit Tumorzellen. Der Rezeptor, der auf der Oberfläche der T-Zellen sitzt, wird durch Bindung der auf Tumorzellen exprimierten Liganden PD-L1 und PD-L2 aktiviert und hindert daraufhin die Immunzelle daran, die Krebszelle zu attackieren. So entkommen die Krebszellen der Immunantwort.

 

Die neuen PD-1-Antikörper oder solche, die sich gegen die PD-Liganden richten, werden stark beforscht; aktivieren sie doch die T-Lymphozyten, die sich bereits direkt im Tumorgewebe befinden. Dieser Mechanismus scheint mindestens so effektiv wie die CTLA-4- Inhibition zu sein, informierte Professor Dr. Antoni Ribas, Hämatoonkologe aus Los Angeles. Klinische Daten zeigen eine Wirksamkeit dieser Antikörper bei bis zur Hälfte der Patienten mit meta­stasiertem Melanom.

 

In einer Studie, in der Pembrolizumab als Monotherapie bei 411 Patienten eingesetzt wurde, lebten nach 18 Monaten noch 62 Prozent der Patienten. »Prinzi­piell schlug die Therapie rasch an, selbst bei großen Tumormassen.« Weil die Therapieansätze so neu sind, könne man über Langzeiterfolge bei bereits gestreutem Hautkrebs noch nichts Definitives sagen, »aber wir gehen davon aus, dass die Überlebensrate bald bei 40 Prozent liegen kann«.

 

Anfang September erhielt Pembrolizumab in den USA unter dem Handelsnamen Keytruda® die Zulassung für Patienten mit fortgeschrittenen oder nicht operablen Melanomen. Zuvor muss eine Vorbehandlung mit Ipilimumab und – bei Vorliegen einer BRAF-V600-Mutation – einem BRAF-Inhibitor stattgefunden haben. Die Zulassung für diese Indikation erfolgte im beschleunigten Verfahren und basiert auf den Daten zur Tumor-Ansprechrate und zur Dauer des Ansprechens. Um die Zulassung dauerhaft zu gewährleisten, müssen weitere Daten zum klinischen Nutzen erbracht werden, so die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA. In Europa ist die Zulassung beantragt, aber vermutlich nicht vor Mitte 2015 zu erwarten.

Hautkrebs-Häufigkeit steigt

Hautkrebs ist die Krebserkrankung mit der größten Wachstumsrate. 220 000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr neu daran. Bei 20 000 ist es der schwarze Hautkrebs, der bisher im fortgeschrittenen Stadium fast immer tödlich verlief. So gehen denn auch drei Viertel der Todesfälle durch Haut­tumore auf das Konto des malignen Melanoms. Nur rund 5 Prozent der Pa­tienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom überlebten bislang länger als fünf Jahre. Sorge macht Hautärzten die Zunahme der Fallzahlen von rund 4 Prozent pro Jahr. Als Gründe sehen die Experten die älter werdende Bevölkerung und häufigere und längere Urlaube an sonnenintensiven Orten.

Durch das Ausschalten der Immunkontrolle liegen Nebenwirkungen auf der Hand, doch insgesamt gesehen scheinen sie verglichen mit anderen Therapieformen moderat zu sein, infor­mierte Dr. Katharina Kähler vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Nebenwirkungen betreffen vor allem die Haut (Pruritus, Rash) und den Gastrointestinaltrakt (Diarrhö, Colitis). Bei einer Colitis besteht die Gefahr einer Perforation. Außerdem ist prinzipiell mit einer Hepatitis sowie einer Hypophysitis, also einer Schwellung der Hypophyse, zu rechnen.

 

»Die PD-1-Hemmstoffe sind hochwirksame Medikamente, die überwiegend gut vertragen werden, aber eben nicht von allen. Derselbe Patient spricht zum einen gut auf den Arzneistoff an, reagiert aber zum anderen gleichzeitig mit mehreren Autoimmunkrankheiten«, fasste Kähler zusammen. Welcher Patient wie reagiert, sei derzeit nicht vorherzusehen.


Keine Resistenzen

 

Was die neuen immunologischen Therapieansätze besonders interessant macht, ist die Unabhängigkeit ihrer Wirkmechanismen von genetischen Veränderungen. Zielgerichtete Therapien laufen dagegen nach einiger Zeit ins Leere, weil die somatischen Muta­tionen, die im Verlauf der Erkrankung auftreten können, häufig sekundäre Resistenzen der Tumorzellen gegenüber diesen Therapien induzieren. Von Immuntherapien sind solche Resistenzen nicht zu erwarten. /

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