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Duchenne-Muskeldystrophie

Nonsens einfach ignorieren

23.09.2014  16:59 Uhr

Von Annette Mende, München / Kinder mit Duchenne-Muskeldystrophie leiden unter fortschreitendem Muskelschwund und haben deshalb eine Lebenserwartung von nur zwanzig bis dreißig Jahren. Ein möglicher Auslöser der seltenen Erkrankung ist eine Nonsensmutation in dem Gen, das für das Muskel-Protein Dystrophin kodiert. Diese kann mithilfe des neuen Arzneistoffs Ataluren überlesen werden.

Die Duchenne-Muskeldystrophie ist zwar absolut gesehen eine seltene Erkrankung, doch immerhin die häufigste angeborene neuromuskuläre Krankheit bei Jungen. »In Deutschland sind etwa 2500 Patienten davon betroffen«, sagte Professor Dr. Ulrike Schara von der Universitäts-Kinderklinik in Essen bei einer Veranstaltung des Herstellers PTC am Rande des Neurologenkongresses in München. Dass die meisten Erkrankten männlich sind, liegt daran, dass die Krankheit X-chromosomal-rezessiv vererbt wird.

 

Dystrophin fehlt

 

Kinder mit Duchenne-Muskeldystrophie können kein Dystrophin produzieren. Dieses Protein ist für das Funktionieren der Muskulatur essenziell. Es stabilisiert das Strukturprotein Aktin und verknüpft intrazelluläre kontrak­tile Elemente mit der Zellmembran und der extrazellulären Matrix. Fehlt Dystrophin, kommt es zu einem progressiven Verfall der Skelettmuskulatur und deren Ersatz durch Bindegewebe.

 

»Bei der Geburt sehen die Kinder ganz normal aus, sie leiden nicht unter einer angeborenen Muskelschwäche«, erklärte Schara. Doch die motorischen Probleme nehmen zu, je älter das Baby wird: Kleinkinder mit Duchenne-Muskeldystrophie lernen erst spät laufen und haben dann einen watschelnden Gang. »Sie können nie rennen.« Ihre Kraft schwindet zusehends; im Verlauf verlieren sie die Fähigkeit, vom Boden aufzustehen und schließlich auch zu gehen. Ihre Wirbelsäule ist verkrümmt. Herz- und Atemprobleme führen schließlich zum Tod.

 

Bisher stehen Ärzte therapeutisch nahezu mit leeren Händen da. Cortison in hohen Dosen wirkt sich positiv aus und kann den Verlauf etwas verlang­samen, hinzukommen Physio- und Psychotherapie sowie Maskenbeatmung. Eine kausale Behandlung stand bislang aber nicht zur Verfügung.

 

Das hat sich mit der Einführung von Ataluren (Translarna®), dem die Europäische Arzneimittelagentur EMA Anfang September die bedingte Zulassung erteilte, geändert. Allerdings können nicht alle Patienten das neue Medikament erhalten, sondern nur diejenigen mit einer Nonsensmutation. Das sind etwa 13 Prozent der Betroffenen – in Deutschland also etwa 325 Personen.

 

Das Dystrophin-Gen ist das größte bisher bekannte Protein-kodierende Gen. Es besteht aus 2,4 Millionen Basenpaaren und 79 Exons, Transkription und Spleißung dauern mehr als 16 Stunden. Verschiedene Mutationen können dazu führen, dass das Gen nicht korrekt abgelesen wird, darunter die Deletion oder Duplikation von einem oder mehr Exons oder aber eine Nonsensmuta­tion. Dabei handelt es sich um eine Punktmutation, deren Ergebnis ein Stopcodon mitten im Gen ist. Der Ablesevorgang wird an dieser Stelle unterbrochen und das resultierende Dystrophin-Bruchstück ist funktionslos.

 

Kleines Molekül

 

Ataluren legt sich wie eine Kappe über das prämature Stopcodon und verdeckt dieses, sodass das Dystrophin-Gen vollständig abgelesen werden kann. Unterschiede in der Umgebung zwischen Stopcodons, an denen das Ablesen eines Gens richtigerweise beendet wird, und dem durch Mutation entstandenen Stopcodon bewirken, dass nicht auch Erstere überlesen werden. Erstaun­licherweise handelt es sich bei dem Arzneistoff nicht um ein kompliziertes Bio-Molekül, das peroral verabreicht werden muss, sondern um ein kleines Molekül mit relativ einfacher Strukturformel. Es besteht aus Benzoesäure, einem Oxadiazol und einem fluoridierten Benzolring. Ataluren kann oral gegeben und mit Fruchtsäften oder Milchprodukten gemischt werden, ohne dass dies die Bioverfügbarkeit beeinträchtigt.

 

Die bedingte Zulassung, die durch weitere Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit gerechtfertigt werden muss, basiert auf einer randomisierten, doppelblinden Studie mit 174 Duchenne-Pa­tienten mit Nonsensmutation. Unter Ataluren in der Dosierung 40 mg pro kg Körpergewicht täglich nahm die Geh­fähigkeit der Patienten im 48-wöchigen Beobachtungszeitraum weniger ab als unter Placebo. Das Medikament wurde im Allgemeinen gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen.

 

Laut Hersteller stellt der Wirkmechanismus von Ataluren auch bei anderen durch Nonsensmutationen ausgelösten Erkrankungen einen möglichen Therapieansatz dar. Ein Beispiel dafür ist etwa die zystische Fibrose (Mukoviszidose), gegen die der Wirkstoff bereits in klinischen Studien getestet wird. /

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