Pharmazeutische Zeitung online
Politische Diskussion

Aufschlag auf den Zuschlag

23.09.2014  14:23 Uhr

<typohead type="4">Von Daniel Rücker, Stephanie Schersch und Ev Tebroke / Viele Themen standen auf der Agenda der Podiumsdiskussion. Die Union stellte eine Überprüfung der Rabattverträge in Aussicht und ausreichend Geld für den Nacht- und Notdienstfonds.</typohead type="4">

Die Apotheker hatten eine ganze Reihe von Anliegen auf ihrer Agenda notiert. Der Einladung zum Apothekertag waren jedoch nur zwei Politiker gefolgt. Die Unionsfraktion hatte ihren gesundheitspolitischen Sprecher Jens Spahn (CDU) geschickt. Für die Linken saß Gesundheitsexperte Harald Weinberg auf dem Podium. SPD und Grüne hatten abgesagt.

 

Angemessenes Honorar

 

Gleich zu Beginn diskutierten die Teilnehmer über die zukünftige Rolle des Apothekers. Weitgehend einig waren sich die Diskutanten über die Sinn­haftigkeit des Medikationsmanagements. Zwar räumte ABDA-Vorstandsmitglied Karin Graf Probleme in der Zusammenarbeit mit den Ärzten ein, grundsätzlich stand aber außer Frage, dass sich die Apotheker in Zukunft noch stärker den Patienten zuwenden müssen. Voraussetzung für die Einführung der neuen Versorgungsleistung sei die angemessene Honorierung, sagte Graf.

Auch Spahn hält Veränderungen in der Apotheke für zwangsläufig. Es sei vollkommen unrealistisch, dass sich bis 2030 nichts ändern werde, sagte er mit Blick auf das am Donnerstag beschlossene Perspektivpapier. Das hatte allerdings auch niemand behauptet. Der Unionspolitiker kann sich ein Projekt zum Medikationsmanagement in Pflegeheimen vorstellen. Senioren profitierten besonders stark von dieser Dienstleistung, sagte er.

 

Wenig überraschend lies der Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, keinen Zweifel an dem zu erwartenden Erfolg des Medikationsmanagements. Dies sei ein eindeutiger Mehrwert für die Patienten. Der Einstieg dürfte allerdings schrittweise erfolgen. Medikationsplan und Medikationsanalyse wären ein guter Start für das Projekt und könnten schon viel bewegen. Im nächsten Schritt komme das Medikationsmanagement dazu, so Kiefer.

 

Mit Blick auf die wirtschaftlichen Aspekte kritisierte Spahn die Großhandelsrabatte als zu hoch. Sie seien wieder auf einem Niveau wie vor dem Arznei­mittelmarkt-Neuordnungsgesetz, sagte er. Das Verhalten des Pharma­großhandels könne er nicht nachvollziehen. Ein Problem sei auch die ungleiche Verteilung der Rabatte auf die Apotheken. Große Betriebe bekämen in der Regel deutlich bessere Konditionen. Gerechter und sinnvoller wäre es aber, die Rabatte herunterzufahren und die eingesparte Summe stattdessen für die Vergütung von Versorgungsleistungen einzusetzen.

 

Eine Überlegung wert

 

Der Chef des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker, nannte diesen Vorschlag zumindest eine Überlegung wert. Er machte aber auch deutlich, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssten. »Es muss klar sein, dass das Geld aus den Rabatten vollständig bei den Apothekern bleibt.« Auch Kiefer zeigte sich nicht abgeneigt, allerdings ohne Spahn schon jetzt eine Zusage zu geben: »Wir nehmen die Idee mit. Sie ist es wert, diskutiert zu werden, auch wenn jetzt schon klar ist, dass der Vorschlag einigen Kollegen nicht gefällt.«

 

Die Apotheker können darüber hinaus hoffen, endlich die von der Politik zugesagte Vergütung für den Nacht- und Notdienst zu bekommen. »Wenn wir 120 Millionen Euro vereinbart haben, dann müssen Sie auch die 120 Millionen Euro bekommen«, sagte Spahn. Wenn dies bislang nicht so sei, dann müsse man diesen Fehler beheben.

 

20 statt 16 Cent

Nach DAV-Berechnungen haben die Apotheker seit dem Start der Notdienstpauschale im August 2013 für den Nacht- und Notdienst deutlich weniger Honorar erhalten als vereinbart. Der DAV hatte bereits bei der Konzeption des Notdienstfonds darauf hingewiesen, dass ein Fixzuschlag von 16 Cent auf jede verordnete Fertigarzneimittelpackung für die Finanzierung nicht ausreichen werde. Zur vollständigen Deckung des Fonds würden 20 Cent pro Packung be­nötigt.

 

Erwarteten Dissens gab es in der Bewertung der Pille danach. Spahn vertrat die Position der Union. Diese lehnt es ab, das Medikament aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Weinberg und Graf plädierten für den Switch. Kiefer hält den Wirkstoff Levonorgestrel für so nebenwirkungsarm, dass die Verschreibungspflicht nicht zu rechtfertigen sei. Die Entscheidung darüber solle aber der Gesetzgeber treffen.

 

Für großen Streit sorgt seit Monaten die Praxis einiger Krankenkassen, Rezepte bei kleinsten Formfehlern auf null zu retaxieren. Spahn kann den Ärger der Apotheker über das Vorgehen der Kassen verstehen. Er will sich in der Koalition dafür stark machen, solche Nullretaxierungen zu verbieten. »Es kann nicht sein, dass der Apotheker auf hohen Kosten sitzenbleibt, nur weil auf dem Rezept etwa ein Kreuzchen fehlt«, sagte er. Einige Kassen retaxierten dabei offenbar »allein aus Freude an der Schikane«.

 

Die Bundesregierung will in Kürze einen ersten Entwurf für das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz vorlegen. Im Kern soll es darin um die Verteilung der Ärzte gehen. Geplant sei aber auch eine Regelung, die Nullretaxierungen im Bereich der Heilmittel regeln soll, so Spahn. Er könne sich gut vorstellen, ein Nullretax-Verbot bei Formfehlern auch für den Arzneimittelbereich in das Gesetz aufzunehmen. Abgestimmt ist das innerhalb der Koalition allerdings noch nicht. Vor allem die SPD müsse von einer solchen Regelung noch überzeugt werden, sagte Spahn.

 

Importquote in der Kritik

Auch gefälschte Medikamente sorgen in den Apotheken immer wieder für Probleme. Die Linkspartei ist vor diesem Hintergrund für ein Ende der sogenannten Importquote bei Arzneimitteln. Importe seien ein »wesentliches Einfallstor für Fälschungen«, sagte Linken-Gesundheitsexperte Weinberg. Seit 2002 müssen Apotheker mindestens 5 Prozent ihres Umsatzes mit importierten Arzneimitteln erzielen. Doch die Kritik an dieser Regelung wächst. Spahn wollte sich allerdings nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen wie Weinberg. Über eine mögliche Änderung der Importregelung könne man aber reden, sagte er.

 

Darüber hinaus erschweren seit Monaten Lieferschwierigkeiten die Arbeit der Apotheker. Dass es dabei bislang keine ernsthaften Versorgungsengpässe gegeben habe, sei den Apothekern zu verdanken, sagte DAV-Chef Becker. Auch Spahn sprach von einem gravierenden Problem. Er habe nicht erwartet, dass in Deutschland derartige Engpässe möglich seien. »Wir leben schließlich nicht in einer Bananenrepublik«, sagte er.

 

Mit Blick auf die Engpässe sieht Spahn Handlungsbedarf bei den Rabattverträgen. Der steigende Preisdruck im Arzneimittelmarkt habe mittlerweile ein bedenkliches Ausmaß erreicht. »Nach fest kommt kaputt«, sagte der CDU-Politiker in Anspielung auf die Mechanik von Schrauben. Die Politik müsse prüfen, ob die Praxis der Ausschreibung nicht mittlerweile zu negativen Konsequenzen im Arzneimittelmarkt führe. Die Rabattverträge müssten neu diskutiert werden. Dieser Meinung war auch Weinberg. Sollte die Koalition das Thema neu regeln, könne sie auf die Unterstützung der Linken zählen, sagte er.

 

Keine Unterstützung erhalten die Apotheker hingegen bei ihrer zentralen Forderung nach einer Dynamisierung des Fixhonorars. Die Vergütung der Apotheker basiert zurzeit auf einem Honorar von 8,35 Euro für jede abgegebene Rx-Packung, zusätzlich erhalten sie einen Zuschlag von 3 Prozent auf den Einkaufspreis. Spahn sieht für eine automatisierte Erhöhung des Fixhonorars keinen finanziellen Spielraum. Schon 2017 würden die Kassen voraussichtlich deutlich ins Minus rutschen. Ein steigendes Defizit sei absehbar. »Eine dynamische Erhöhung des Fixums ist nicht realistisch. Das wird es nicht geben«, betonte er.

 

Impflücken aufdecken

 

Auch das geplante Präventionsgesetz war Thema der Diskussion. Die Apotheker wollen im Bereich der Vorsorge gerne mehr Aufgaben übernehmen. Dafür seien sie geradezu prädestiniert, sagte DAV-Chef Becker. So könnten die Apotheker etwa helfen, Impflücken aufzudecken, »Fast jeder kommt irgendwann in die Apotheke«, so Becker. Bei dieser Gelegenheit könne man den Patienten anbieten, den Impfpass zu überprüfen. Diesen Vorschlag wollen die Apotheker in das Präventionsgesetz einbringen, für das die Große Koalition in diesem Herbst einen Entwurf präsentieren will.

 

Das Impfen sei ein wichtiges Thema für das Gesetz, sagte Spahn. Es mache ihn »schier wahnsinnig«, dass manche Regionen in Deutschland immer noch mit den Masern zu kämpfen hätten. Dabei wollte Spahn nicht ausschließen, dass auch die Apotheker in diesem Zusammenhang im Präventionsgesetz Erwähnung finden könnten. /

Kommentar


Maue Bilanz

Na immerhin, Jens Spahn ist zwar nicht mit einem Sack voller Geschenke zum Deutschen Apothekertag gekommen. Das hätte die Apotheker wohl auch ziemlich irritiert. Ganz mit leeren Händen kam er aber nicht. Er will sich dafür einsetzen, dass der Nacht- und Notdienstfonds endlich so ausgestattet wird, wie er ursprünglich von der Bundesregierung geplant war. 120 Millionen Euro pro Jahr sollten die Apotheker zusätzlich bekommen, haben sie aber nicht. Der Deutsche Apothekerverband hat dies zwar mehrfach angemahnt und eine Erhöhung des Packungszuschlags von 16 auf 20 Cent gefordert. Passiert ist bislang nichts.

 

Wenn Spahn sich nun des Themas annimmt, dann ist das erfreulich, aber gleichzeitig auch eine Selbstverständlichkeit. An Verträge muss man sich halten. Dafür gibt es kein Lob.

 

Das hätte Spahn verdient, wenn er sich für die regelmäßige Überprüfung und Anpassung des Fixhonorars eingesetzt hätte. Das wäre zwar auch eine Selbstverständlichkeit. Schließlich bekommen andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen jährlich eine Honoraranpassung. Aber immerhin hätte es die wirtschaftliche Lage der Apotheker langfristig stabilisiert.

 

Aus wirtschaftlicher Sicht fällt die Bilanz der Podiumsdiskussion mau aus. Gerettet wird sie allenfalls von Spahns Zusage, die vollkommen unangemessenen Retaxierungen auf null anzugehen und den Apothekern zumindest den Warenwert zu lassen. Richtig freuen können sich Apotheker aber erst, wenn die Regierung tatsächlich liefert.

 

Daniel Rücker

Chefredakteur

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa