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Grippeimpfung

Impfmuffel im weißen Kittel

27.09.2011  16:22 Uhr

Von Conny Becker, Berlin / Impfexperten rufen wieder zur Vakzinierung gegen die saisonale Influenza auf. In diesem Jahr setzen sie verstärkt auf die Unterstützung durch Ärzte und Apotheker. Diese sollen ihre Patienten informieren und vor allem mit gutem Beispiel vorangehen.

Der Winter steht bevor und damit eine neue Grippesaison. Wie jedes Jahr empfehlen daher Experten von Robert-Koch-Institut (RKI) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI), sich gegen Grippe impfen zu lassen. Neben Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf gilt dieser Appell vor allem Beschäftigten im Gesundheitswesen. Denn sie haben zum einen eine erhöhte An­steckungsgefahr durch den Kontakt mit vielen Menschen, zum anderen können sie als Überträger Patienten, aber auch das persönliche Umfeld gefährden.

Um die Impfmoral von Ärzten ist es aber leider nicht sehr gut bestellt: 2010 hat eine Telefonbefragung bei knapp 1600 niedergelassenen Ärzten ergeben, dass sich nur 60 Prozent von ihnen regelmäßig gegen saisonale Influenza impfen lassen. Zwar liegt diese Impf­quote höher als die der Allgemeinbevölkerung mit rund 30 Prozent und ist sogar deutlich besser als die des medizinischen Klinikpersonals mit nur 20 bis 25 Prozent. Dennoch verbleiben 40 Prozent der niedergelassenen Mediziner ohne Grippeschutz. Drei Viertel der Ungeimpften gaben auf Nachfrage an, die Impfung nicht für notwendig zu halten. Jeder Zweite wünschte sich aber auch mehr Informationen darüber.

 

Sich und andere schützen

 

Wie effektiv umfangreiche Grippeimpfungen auch diejenigen vor Influenza-bedingten Komplikationen schützen können, die gar nicht selbst geimpft sind, belegt eine aktuelle Studie aus den USA und Kanada (doi: 10.1503/cmaj.110241). Hier konnte die Impfung von Kleinkindern Influenza-ähnliche Erkrankungen bei Zwei- bis Vierjährigen um 34 Prozent senken. Verglichen wurden die Hospitalisierungsraten von Kindern im US-amerikanischen Neuengland, für die eine Grippeimpfung seit 2006 empfohlen wird, mit denen von Kindern aus benachbarten Regionen in Kanada, wo diese Altersgruppe bislang nicht geimpft wird. Bezogen auf schwere Erkrankungen konnte die Rate sogar halbiert werden. Neben dem direkten Schutz beobachteten die Wissenschafter aus Boston und Montreal zudem eine Herdenimmunität: Die Zahl der Behandlungen wegen grippeähnlicher Erkrankungen war auch in anderen Altersgruppen um 11 bis 18 Prozent gesenkt.

 

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission am RKI (STIKO) die Grippeimpfung neben Beschäftigten im Gesundheitswesen vor allem drei Risikogruppen. Dazu zählen Über-60-Jährige, da die Immunabwehr im Alter abnimmt und Grundleiden den Verlauf von Infekten ungünstig beeinflussen können. Die saisonale Grippe verläuft bei ihnen meist stärker, dauert länger und ist mit einem erhöhten Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen verbunden, insbesondere sekundäre Pneumonien durch bakterielle Superinfektionen. Gleiches trifft für chronisch Kranke jeden Alters zu.

 

Vor allem Personen mit einem geschwächten Immunsystem befürchten häufig, sie könnten durch die Impfung an Grippe erkranken. Diese Furcht ist aber unbegründet, denn bei den Grippe­impfstoffen handelt es sich um Totimpfstoffe, die keine Infektion auslösen können. Aufgrund von Immundefekten kann die Immunantwort nach einer Impfung allerdings schlechter ausfallen als bei gesunden Erwachsenen, bei denen die Effektivität der Impfung zwischen 70 und 90 Prozent liegt.

 

Auch in diesen Risikogruppen lassen die Impfquoten noch zu wünschen übrig: 2010 ließen sich nur etwas mehr als die Hälfte der Über-60- Jährigen impfen (56 Prozent). Von den chronisch Kranken folgte mit nur 43 Prozent sogar weniger als jeder Zweite der Impfempfehlung.

 

Seit vergangenem Jahr empfiehlt die STIKO auch allen Schwangeren eine Grippeimpfung. Denn das Abwehrsystem ist in der Schwangerschaft beeinträchtigt, was das Risiko für eine Erkrankung sowie einen schweren Krankheitsverlauf erhöht. So besteht für Schwangere ab dem zweiten Trimenon ein signifikant erhöhtes Risiko für Krankenhauseinweisungen aufgrund von Influenza, beim Vorliegen von Grund­erkrankungen bereits von Beginn der Schwangerschaft an. In diesem Fall sollten sich Schwangere bereits im ersten, sonst ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel impfen lassen. Studien ergaben bislang weder schwerwiegende Impfreaktionen noch eine höhere Rate an Kaiserschnitten oder Frühgeburten. Offenbar bewirkt die Impfung sogar eine Leihimmunität bei Neugeborenen, da die mütterlichen Abwehrstoffe über die Plazenta an das Kind übertragen werden.

 

Neuer alter Impfstoff

 

Die Vakzine gegen Grippe ist trivalent. Da Grippeviren eine hohe Mutationsrate aufweisen (Antigendrift) und durch Austausch von Gensequenzen neue Subtypen entstehen können (Reassortment), muss der saisonale Impfstoff stets den aktuellen Veränderungen angepasst werden. Er setzt sich daher jedes Jahr anders zusammen und enthält die in der kommenden Saison voraussichtlich dominierenden Stämme. Welche das sind, ermittelt ein Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesem Jahr hat die WHO allerdings die gleiche Zusammensetzung wie im vergangenen Jahr empfohlen: die Influenza-A-Subtypen H3N2 und H1N1 sowie Influenza-B-Viren der Victoria-Linie.

Online der Grippe auf der Spur

Seit März 2011 ist das RKI mit dem Portal GrippeWeb online (https://grippeweb.rki.de). Mit seiner Hilfe sollen Aktivität und Ausbreitung akuter Atemwegserkrankungen in Deutschland beobachtet werden. GrippeWeb ergänzt die Arbeitsgemeinschaft Influenza, bei der Ärzte eine Grippestatistik führen, wendet sich aber an die ganze Bevölkerung. Bislang nehmen 1400 Nutzer regelmäßig teil. Die wöchentliche anonyme Beantwortung der Frage nach einer neuen Infektion und gegebenenfalls den Symptomen und Maßnahmen dauert etwa eine Minute. Als Anreiz zum Mitmachen verlost das RKI unter allen registrierten Teilnehmern Notebooks, Media-Player und Digitalkameras.

»Trotzdem ist die Auffrischimpfung wichtig«, betonte Professor Dr. Klaus Cichutek, Präsident des PEI auf einer Pressekonferenz zur Influenza in Berlin. »Denn zum einen ist es insbesondere bei Risikogruppen fraglich, ob der Schutz länger als zwölf Monate anhält. Zum anderen erhöht sich mit einer wiederholten Impfung auch die Abwehr des Körpers gegen sogenannte Drift-Varianten.«

 

Um insbesondere Angehörige der Risikogruppen noch besser über die Grippeimpfung zu informieren, bietet die Bundeszentrale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) jetzt Broschüren zu diesem Thema an. Sie sind auf die vier Zielgruppen medizinisches Personal, Menschen ab 60, chronisch Kranke und Schwangere abgestimmt und in Deutsch, Türkisch und Russisch erhältlich. »Erstmals beliefern wir auch alle Apotheken in Deutschland mit den Influenza-Medien«, sagte BZgA-Direktorin Professor Dr. Elisabeth Pott in Berlin.

 

In der Apotheke suchten täglich Menschen mit Erkältungen Rat, die über den Unterschied zur echten Grippe meist nicht genügend informiert seien. Sie sollten wissen, dass man bei einem plötzlichen Krankheitsbeginn mit Fieber bei gleichzeitigem Husten oder Halsschmerzen sowie heftigen Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen von einer Influenza ausgehen kann und einen Arzt aufsuchen sollte. Tückisch ist, dass der sehr infektiöse Erreger bereits in der Inkubationszeit übertragen werden kann. Diese dauert in der Regel ein bis zwei, selten auch bis zu vier Tage. Die Ausscheidungsdauer beträgt meist drei bis fünf Tage. / 

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