Pharmazeutische Zeitung online
Gemeinsamer Bundesausschuss

Sorge um die Nutzenbewertung

21.09.2010  18:19 Uhr

Von Uta Grossmann, Berlin / Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) warnt davor, die frühe Nutzenbewertung für neue Arzneimittel per Rechtsverordnung zu regeln. Das werde zu Dauerkonflikten führen, die Verfahren verzögern und das Niveau der Bewertung senken.

Die Fraktionen von CDU, CSU und FDP haben einen Änderungsantrag zum Entwurf des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) vorgelegt, nach dem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Nutzenbewertung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats regeln soll (Kosten-Nutzen-Bewertung: Koalition kommt Pharmaherstellern entgegen, PZ 37/2010). In einer Pressekonferenz nach der jüngsten GBA-Sitzung vergangenen Donnerstag in Berlin sagte der neue Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Professor Dr. Jürgen Windeler, die Industrie habe ihre Möglichkeiten genutzt, um auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluss zu nehmen. Damit spielte er auf Vorwürfe an, der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) habe seinen Wunsch, die Nutzenbewertung per Rechtsverordnung zu regeln, quasi den Koalitionspolitikern in die Feder diktiert – was der Verband umgehend zurückgewiesen hatte.

Der AMNOG-Kabinettsentwurf sah vor, dass der GBA per Verfahrens­ordnung die Kriterien für eine verein­fachte und beschleunigte Nutzenbe­wertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen bestimmt – zum Beispiel welche Angaben aus klinischen Stu­dien welcher Evidenzstufe übermittelt werden müssen.

 

Der GBA, der als Selbstverwaltungs­gremium der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen den Leistungs­katalog der Gesetzlichen Krankenver­sicherung (GKV) festlegt, fürchtet nun ein Absinken des Niveaus des Nutzennachweises zugunsten der Industrie. Vorsitzender Dr. Rainer Hess sieht im Ersatz der GBA-Verfahrensordnung durch eine Rechtsverordnung des BMG eine Aushebelung der Selbstverwaltung, die auch die Methodik der Nutzenbewertung berühre.

 

IQWiG-Chef Windeler kritisierte den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen als Eingriff in die wissenschaftliche Unabhängigkeit des IQWiG. Das IQWiG wertet im Auftrag des GBA wissenschaftliche Studien zu Nutzen und Schaden von Arzneimitteln aus. Auf Grundlage seiner Ergebnisse entscheidet der GBA über den Nutzen von Medikamenten und ob sie von der GKV erstattet werden. Windeler warnte vor Ausnahmeregelungen für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, bei denen auf eine Nutzenbewertung verzichtet werden soll. Für Patienten mit seltenen Krankheiten müssten dieselben Qualitätsanforderungen gelten wie für alle anderen.

 

Patienten kritisieren Verfahren

 

Patientenvertreter Dr. Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale Bundesverband monierte, dass bei einer Regelung per Rechtsverordnung keine Patientenbeteiligung vorgesehen sei. Zudem habe eine Absenkung des Niveaus der Nutzenbewertungskriterien zur Folge, dass die Industrie sich nicht mehr so stark um Innovationen bemühe: »Das kann nicht im Interesse der Patienten sein.« Dr. Bernhard Egger vom GKV-Spitzenverband sprach sich ebenfalls für eine GBA-Verfahrensordnung aus, um die wissenschaftliche Unabhängigkeit des IQWiG zu wahren. /

GBA-Entscheidungen (Auswahl)

Reboxetin: Arzneimittel zur Behandlung von Depressionen mit dem Wirk­stoff Reboxetin werden nicht mehr von der GKV erstattet. Mit dem Beschluss setzt der GBA eine Nutzenbewertung des IQWiG um. Demnach ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen, dass Menschen mit Depressionen von Reboxetin profitieren. Es gab keine Belege für einen Nutzen im Vergleich zu Placebo, sondern für Schäden durch Nebenwirkungen. Zu diesem Ergebnis kam das Institut, nachdem es Studien ausge­wertet hatte, die der Hersteller Pfizer zuvor unter Verschluss gehalten hatte.

 

Valproinsäure: Arzneimittel mit Valproinsäure im Off-Label-Use zur Vorbeugung von Migräneanfällen bei Erwachsenen werden künftig von der GKV erstattet, wenn eine Behandlung mit anderen dafür zugelassenen Arzneimitteln nicht erfolgreich war oder andere Medikamente nicht angewendet werden dürfen. Ausgenommen sind Schwangere. Damit setzt der GBA eine Empfehlung der Expertengruppe Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) um.

 

Grippeimpfung: Schwangeren Frauen wird die Impfung gegen die saisonale Influenza von der GKV bezahlt. Auch Patienten mit schweren chronischen neurologischen Krankheiten, die zu Problemen bei der Atmung führen können, haben Anspruch auf die Grippeimpfung. Der GBA folgt mit einem entsprechenden Beschluss einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Er gilt rückwirkend zum 16. September.

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